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Schwedische Friedensaktivisten dringen mehrfach in Waffenfabrik ein

Aktionen in Karlskoga und Eskilstuna

Von Bill Quigley, 20.10.2008 - ZNet

Mit Hämmern und Bolzenschneidern drangen Friedensaktivisten in mehrere schwedische Waffenfabrikanlagen ein. Aktivisten der schwedischen Gruppe OFOG/Avrusta bekennen sich zur Beschädigung von 20 Granatwerfern für Hochexplosivgeschosse und zur Beschädigung mehrerer interner Teile eines Maschinengewehres der Marke Howitzer 77. Fünf Leute wurden verhaftet. Zwei befinden sich noch immer in Haft. Zwei Aktivisten wurden verhaftet und später freigelassen. Sie kehrten jedoch zu der Waffenfabrik zurück, um weiteren Schaden anzurichten und wurden ein zweites Mal verhaftet. Bei einem anderen Einbruch, der sich am Samstag ereignete, wurde eine fünfte Person verhaftet. Ihnen allen stehen Anklagen wegen krimineller Beschädigung und Betretens von Orten der ‘nationalen Sicherheit’ bevor.

Die Mitglieder der schwedischen Friedens- und Abrüstungsorganisation OFOG/Avrusta sagen, sie hätten die Aktionen über ein Jahr lang geplant. OFOG (Unfug), ist ein Aktivisten-Netzwerk, das sich für eine atomfreie, demilitarisierte Welt einsetzt. ‘Avrusta’ heißt übersetzt ‘Abrüstung’. Die Gruppe kündigte ihre Aktionen in Infos in der Presse an. Sie stellten Videos über ihr Eindringen und die Beschädigungen auf You Tube ein:

Am frühen Donnerstag (um circa 2 Uhr 30) näherten sich Aktivisten der Rüstungsfabrik des Konzerns BAE Systems in Karlskoga, 240 Kilometer von Stockholm entfernt gelegen. Laut Angaben, die sie gegenüber der Presse machten, benutzten sie Bolzenschneider, um ein Loch in den Sicherheitszaun zu schneiden und stiegen ein. Sie hinterließen ein Transparent, mit dem sie andere zum Mitmachen aufforderten ("Die Tür ist offen - es steht euch frei abzurüsten"). Die Aktivisten benutzten Hämmer, um innere Teile - wie Kühlaggregate und hydraulische Zylinder - eines Howitzer 77 zu zerstören. Voll eingesetzt feuert ein solches Maschinengewehr 6 Runden pro Sekunde. Es kann 20 Minuten lang (ohne Unterbrechung) feuern und hat eine Reichweite von 30 Kilometer.

Laut Medienberichten schafften es die Aktivisten, an einer Tür im Innern der Fabrik ein Poster mit folgender Aufschrift zu hinterlassen: "In dieser Fabrik werden Waffen produziert, mit denen Kriege geführt werden - Abrüstung ist auf dem Weg". Die Abrüstungsaktivisten Cattis Laska, 24 und Pelle Strinlund, 37, wurden verhaftet und bekamen eine Anzeige wegen unbefugten Betretens und krimineller Beschädigung. Laska ist ein Jugendführer, Strinlund ist Autor. Beide werden (mindestens) bis zu ihrer Anhörung in Haft bleiben.

Zeitgleich mit der Aktion in Karlskoaga drangen Aktivisten in die Waffenfabrik der Firma Saab in Eskilstuna/Schweden ein. Diese liegt circa 135 Kilometer von der Anlage in Karlskoga entfernt. Laut OFOG/Avrusta beschädigten sie 20 Granatwerfer mit Hämmern. Danach machten sie das Wachpersonal auf sich aufmerksam. Anna Andersson, 26 und Martin Smedjeback, 35, wurden verhaftet und wegen unerlaubten Betretens, schwerer, krimineller Beschädigung und Betretens eines geschützten Geländes der ‘nationalen Sicherheit’ angezeigt. Beide wurden am Freitag wieder freigelassen.

Die beschädigten Waffen in der Saab-Anlage werden als Granatwerfer vom Typ ‘Carl Gustav’ beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Antipanzerwaffe, die auf der Schulter befestigt wird. Die durch sie abgefeuerten Granaten sind hochexplosiv. Angeblich trugen die Kisten, in denen die Waffen gefunden wurden, Etiketten mit der Aufschrift, an die "US" oder an "New Delhi". Laut eines Berichtes der indischen Zeitung Hindu Times hat BAE einen langfristigen Vertrag mit der indischen Regierung, über die Lieferung von Howitzers und Granatwerfern.

Nach ihrer Freilassung am Freitag sagte Anna Andersson, sie sehe ihrem Verfahren positiv entgegen. "Ich freue mich auf die Chance, unsere Aktionen vor Gericht ethisch und rechtlich begründen zu können. Ich hoffe, dass eines Tages die Waffenfabriken angeklagt werden - für die kriminelle Zerstörung, die schwedische Rüstungsgüter in Kriegen und Konflikten rund um die Erde anrichten".

Überraschend kehrten Andersson und Smedjeback am Samstag zu der Waffenfabrik (in Eskilstuna) zurück - und wurden erneut verhaftet. Sie sind noch immer in Haft.

Am Samstagmorgen drang ein fünftes Mitglied der Gruppe, Annika Spalde, 39, in eine Rüstungsanlage bei Karlskoga ein - sie schnitt sich freie Bahn durch den Zaun -, und hängte ein Transparent auf, das zu weiteren Abrüstungsaktionen aufrief. Sie wurde verhaftet und bekommt eine Anzeige wegen unerlaubten Betretens einer Anlage der ‘nationalen Sicherheit’. Spalde ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Sie ist Geistliche (Deacon) der Kirche von Schweden, Autorin und Friedensaktivistin.

BAE Systems, der Konzern, dem die Anlage in Karlskoga gehört, bezeichnet sich auf der eigenen Webseite als "weltweit primäres Verteidigungs- und Aerospace-Unternehmen", mit 100.000 Beschäftigten und jährlichen Verkaufserlösen in Höhe von $31,4 Milliarden. Die Firmenleitung von BAE Systems bestätigt die Einbrüche. Interessant ist die Tatsache, dass die BAE-Pressesprecher in den USA von "sehr bescheidenen" Beschädigungen" sprechen, während der BAE-Sicherheitsmanager in Schweden die Schäden gegenüber der Presse auf 50.000 Euro schätzt. Es sei noch ungewiss, ob die Schäden zu Verzögerungen bei der Auslieferung von Waffen führen würden, sagte er.

Die Anlage in Eskilstuna gehört dem Unternehmen Saab. Dessen Eigentümer behaupten von sich, den globalen Markt zu bedienen - mit Produkten, Dienstleistungen und Lösungen. Die Spartenbandbreite reiche vom Bereich der militärischen Verteidigung bis zu ziviler Sicherheit. Die Zahl der Beschäftigten liege bei 13.700. Die jährlichen Verkaufserlöse beliefen sich auf $2,5 Milliarden. Saab-Pressesprecher Lasse Jonsson gegenüber den Medien: "Sie haben eine Reihe Waffenersatzteile zerkratzt, die für die Ausfuhr bereitstanden. Erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen werden wir in der Lage sein, das genaue Ausmaß des entstandenen Schadens zu berechnen".

In der Hindu Times wird die OFOG-Sprecherin Maja Backlund mit den Worten zitiert: "Ziviler Ungehorsam und Aktionen sind extrem vitale Bestandteile einer demokratischen Entwicklung. Unsere Kollegen, die in die Saab-Fabrik eingedrungen sind, haben es geschafft, 25 Granatwerfer der Marke ‘Carl Gustav’, die massiv in Kaschmir und anderen Kriegszonen in Indien zum Einsatz kommen, zu zerstören." OFOG behauptet zudem, einige der beschädigten Waffen gehörten einem Typ an, den das US-Militär im Irak einsetze.

OFOG-Mitglieder sagen, die Waffenexporte Schwedens seien seit dem Einmarsch der USA in den Irak um 88% gestiegen. Sie behaupten, die schwedische Regierung verstoße gegen ihre (angebliche) Politik der Neutralität und des Friedens, indem sie kriegsführende Länder mit Waffen versorge.

Spade betont die Notwendigkeit dieser Aktionen: "Wenn unsere Regierung einen illegalen Krieg unterstützt und Waffen an Diktatoren verkauft, ist es Zeit für uns Normalbürger, aktiv zu werden".

OFOG/Avrusta: "Diese Aktion ist die erste Abrüstungskampagne des 21. Jahrhunderts in Schweden". Derzeit bestehe die Kampagne aus mehreren Aktivisten, die das Gefängnis in Kauf nähmen sowie weiteren fünfzig Unterstützern.

"Unsere Aktivisten haben sich mehr als ein Jahr lang auf diese Kampagne vorbereitet", so einige Mitglieder der Gruppe, die anonym bleiben wollen. "Sie sind bereit, Haftstrafen auf sich zu nehmen, falls die schwedische Gesellschaft nicht einsehen kann, dass weniger der gewaltfreie zivile Widerstand (der dazu dient, die verheerenden schwedischen Waffenexporte in Kriege und an Diktaturen auszusetzen), einen Gesetzesbruch darstellen, als vielmehr die amoralischen Waffenexporte".

OFOG/Avrusta verspricht, weitere Abrüstungsaktionen durchzuführen.

Bill Quigley ist Menschenrechtsanwalt und Professor für Recht an der Loyola University von New Orleans. quigley77@gmail.com.

Quelle:  ZNet Deutschland   vom 22.10.2008. Originalartikel: Swedish Peace Activists Repeatedly Break into Weapon Factories . Übersetzt von: Andrea Noll. 

Veröffentlicht am

23. Oktober 2008

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