Code Rot: Was ist schiefgelaufen im kapitalistischen Casino?Von Tony Benn - 16.10.2008 - The Tribune / ZNet "Die großen Krisen zwischen den Kriegen waren nicht das Werk Gottes oder das blinder Kräfte. Sie waren das sichere Ergebnis einer so großen Konzentration von wirtschaftlicher Macht in den Händen so weniger Männer. Diese Männer haben ausschließlich gelernt, im Interesse ihrer eigenen bürokratisch betriebenen Privatmonopole zu handeln, die man mit totalitären Oligarchien innerhalb unseres demokratischen Staates vergleichen kann. Sie trugen keine Verantwortung für die Nation und fühlten keine." Diese Worte stammen aus dem Manifest der (britischen) Arbeitspartei (Labour) aus dem Jahr 1945. Titel: ‘Let Us Face The Future’. In brillanter Weise beschreibt das Manifest genau die Art von Krise, die man heute als "Krediteinbrüche" bezeichnet - so, als handle es sich lediglich um einen Schluckauf in einer wunderbaren, neoliberal globalisierten Welt. Es ist ein Schluckauf, der durch massive Steuerzahlersubventionen korrigiert werden könne, heißt es, damit die Wallstreet-Casinos und ihre Partner auf der ganzen Welt wieder Profite einfahren können. Das erinnert mich an die Tatsache, dass damals, als die Sklaverei abgeschafft wurde, die Sklavenhalter Regierungsentschädigungen erhielten, die Sklaven aber nicht. Wahrscheinlich noch wichtiger ist eine Tatsache, die in den Medien nie erwähnt wird. Die Nachrichten drehen sich - täglich, stündlich - immer nur um die Banker. Präsidenten, Ministerpräsidenten und andere gewählte Führer dieser Welt haben nur noch die Rolle von Kommentatoren, von denen erwartet wird, dass sie das Geld der Steuerzahler beschaffen - Geld, das benötigt wird, um die Reichen auszulösen. Was wir sehen, ist nicht weniger als der stete Transfer realer politischer Macht von der Urne an den Markt (from the ballot to the wallet). Die demokratischen Errungenschaften der letzten hundert Jahre, die es uns zunehmend ermöglicht hatten, unsere Stimme einzusetzen, um unsere wirtschaftliche Zukunft mitzugestalten, werden revidiert. Unser Manifest von 1945 (siehe oben) stellt in der Passage, die auf die oben zitierte folgt, fest: "Die Nation will Essen, Arbeit und Häuser. Sie will noch mehr als das. Sie will viel und gute Nahrung, sie will sinnvolle Arbeit für alle und gemütliche Heime, die mit wenig Arbeit errichtet werden und bei denen die Vorteile und Ressourcen der modernen Wissenschaft und der produzierenden Industrie in vollem Maße zum Einsatz kommen". Diese Politik brachte die Abgeordneten der Labour-Partei 1945 an die Macht. Sie verschafften der Nation das ‘Nationale Gesundheitssystem’ (NHS), ein Wohlfahrtssystem und ein großes Hausbauprogramm. Die gewählten Amtsträger vor Ort ermöglichten dies, indem sie sich aus dem Schatzamt Ressourcen beschafften. Heute, 63 Jahre später, sind wir in einer ganz ähnlichen Situation. Wir müssen uns klar darüber werden, wie dies geschehen konnte - um den Weg nach vorne zu sehen. Tag für Tag wird uns von den Medien gesagt, wir sollten dem Markt vertrauen. Die gewählten Regierungen seien das Problem und nicht die Antwort auf das Problem. Daher sollten sie sich auch heraushalten. Zum ersten Mal tauchte diese Vorstellung 1979 im Mainstream auf, als Margaret Thatcher an die Macht kam. 1994 übernahm "new" Labour diese Idee als Basis für einen entsprechenden eigenen Ansatz. Das erklärt, warum Thatcher "new" Labour einmal als "die größte Errungenschaft" bezeichnet hat. Heute sind die Rechte der Gewerkschaften eingeschränkter, als sie es 1906 waren. Die Löhne werden niedrig gehalten. Stattdessen wird den Leuten geraten, auf Pump zu kaufen. Das erklärt, warum die Börsenkurse fallen und mehr und mehr Menschen in die Schuldenfalle gesperrt werden (was an sich schon eine subtile Form der Sklaverei ist). Das ist der Grund für die Angst vieler Menschen. Manchmal gelingt es, Verängstigte davon zu überzeugen, es sei die Lösung, einen Feind zu finden, den man als Sündenbock für das Versagen (anderer) verantwortlich machen kann. Hitler ist so verfahren, als er den Juden, den Kommunisten und den Gewerkschaftlern die Schuld für die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland gab. Er errichtete eine faschistische Diktatur, die zum ‘Holocaust’ und zum Krieg führte. Hitler bekämpfte die Arbeitslosigkeit, indem Arbeitsplätze in Rüstungsfabriken und bei den Streitkräften schuf. Dies führte zum Zweiten Weltkrieg und all seinen riesigen menschlichen Kosten. Was immer die Linke tut, auf keinen Fall darf sie reagieren, indem sie sich ideologisch zersplittert und eine Masse von kleinen Sekten bildet, die sich auf Ewig gegenseitig bekämpfen. Dies würde zu Frustration, Scheitern und zur Niederlage führen. Die Zeit ist reif für eine Kooperation der ganzen Linken - um die Probleme, die uns alle angehen, auf nichtsektierischer Basis zu bekämpfen, wie wir dies im Antikriegs-Bündnis (Stop the War Coalition) und in den Kampagnen für Gewerkschaftsrechte, Bürgerrechte, Renten, nukleare Abrüstung, für die Schaffung von ‘Rathäusern’ und für ein faires Steuersystem sahen/sehen. All diese Bewegungen benötigen für ihren Erfolg den vollen Rückhalt der Gewerkschaften. Verschlimmert sich die ökonomische Situation weiter - was höchstwahrscheinlich der Fall sein wird -, müssen wir auf die Gefahr einer "Koalitions"-Lösung achten: Vielleicht wird man uns ein "Bündnis" als einzige Alternative zur Lösung der Probleme präsentierten. Das sehen wir derzeit in Amerika - wo sich George Bush, John McCain und Barack Obama zusammentaten, um das von der Wallstreet geforderte $700 Milliarden-Paket zu unterstützen, das die Wallstreet freikaufen sollte. Mit dem gleichen Argument bildete Ramsey MacDonaldAnmerkung d. Übersetzerin: Ramsey MacDonald (1866-1937): Erster Labour-Premierminister in Großbritannien 1931 eine Nationale Regierung - die die Labour-Partei bei den Bundeswahlen fast in den Ruin getrieben hätte. Nur 51 Labour-Abgeordnete wurden damals wiedergewählt. Ohne Ernie Bevins Kühnheit und ohne (den Gewerkschaftsverband) TUC, wäre Labour wohl nicht mehr auf die Beine gekommen. Aber 1945 geschah dies. Hoffentlich bedeutet die Tatsache, dass Peter Mandelson ins britische Kabinett zurückgeholt wurde (im Rahmen der jüngsten Umgestaltungen) nicht, dass die Idee, ein Bündnis sei der beste Weg, um uns aus der Krise zu führen, recycelt wird. Das könnte das Ende der Demokratie sein, denn dies könnte es der EU-Kommission ermöglichen, die Wiedereinführung von öffentlichem Besitz und von Bankenkontrolle zu verhindern. Viele Menschen sehen in diesen Maßnahmen den besten Weg in die Zukunft. Zum ersten Mal in meinem Leben steht die Öffentlichkeit in Großbritannien links von einer Labour-Regierung. Der gesunde Menschenverstand gibt diesem Weg Recht. Es ist ein ganz anderer Weg als der, auf dem wir uns seit 1979 befinden (als Thatcher sich daran machte, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die lokalen Verwaltungen zu verstümmeln und unser öffentliches Vermögen zu privatisieren. Dieses Vermögen wäre heute nötiger denn je). 1945 erkannte die Nation, dass die Friedensprobleme mit derselben Leidenschaft angegangen werden müssen wie die Probleme des Krieges. Auch die katastrophalen Erfahrungen im Irak und in Afghanistan stärken dieses Argument wieder. Die Menschen fragen sich: Warum verschwenden wir soviele Gelder an diese illegalen, brutalen und nicht zu gewinnenden Kriege oder an neue Atomwaffen, während Menschen ihre Jobs verlieren und vor der Räumung ihrer Häuser stehen? Die Argumente für Frieden und Sozialismus sind sehr, sehr praktischer Natur. Und weil dies so ist, werden weite Teile der Öffentlichkeit und der Wählerschaft Frieden und Sozialismus - heute wie 1945 - unterstützen. Es könnte heute erneut geschehen. Quelle: ZNet Deutschland vom 16.10.2008. Originalartikel: Red Alert: What went wrong in the capitalist casino? Übersetzt von: Andrea Noll. FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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