Obama siegt!Weiter Druck machen - auch "nach den Wahlen"\nVon Michael Fox, 07.11.2008 - beyondelections.com / ZNet "Gerade hat AP angerufen", sagte der Sprecher vor den Obama-Unterstützern, die sich im Hauptquartier der Demokraten im McLean Hilton in North Virginia dicht gedrängt versammelt hatten. "Gerade haben wir etwas gepackt, was seit 1964 nicht mehr gepackt wurde". Die Menge reagierte euphorisch. Der Präsidentschaftskandidat Barack Obama hatte soeben in Virginia gesiegt. Und mit dem Sieg in Virginia - so wurde einige Augenblicke später verkündet -, stand die Präsidentschaft fest. Die Emotionen waren unbeschreiblich. Fremde lagen sich in den Armen. Tränen flossen. Jubel verbreitete sich im Ballraum des Hilton. Die Vereinigten Staaten hatten einen neuen Präsidenten - einen afrikanisch-amerikanischen Präsidenten - der unserer Nation in schwieriger Zeit neue Hoffnung geben würde. Eine Rekordzahl von Amerikanern ging am Dienstag zur Wahl, und beteiligte sich damit an einem der größten Momente der US-Geschichte. Doch bereits in der Rede, mit der Barack Obama seine Wahl annahm, kündigte er an: "Der Weg vor uns wird lang". Wir befinden uns noch immer in einem verheerenden Krieg und mitten in einer Wirtschaftskrise. Und nach wie vor sitzen viele Lobbyisten des Speckgürtels in Washingtons Hallen. Die Demokraten haben zwar sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat Sitze zugelegt, aber wer garantiert den Wählern, dass die gewählten Vertreter - die neuen und die alten - ihre Wahlkampfversprechen einhalten und auf das amerikanische Volk hören werden? Der erfahrene Journalist Bill Moyers sagt: "Unser demokratischer Prozess befindet sich in einem Stadium der Krise". Ganz gleich, wer im Amt ist, die Kontrolle liegt nicht in den Händen des amerikanischen Volkes, sondern in denen der Lobbyisten, in den Händen der Leute mit Sonderinteressen. Sie finanzieren die politischen Kampagnen und kontrollieren letztendlich die öffentliche Politik. Doch - das erste Mal seit Menschengedenken stehen wir am Scheideweg. Seit der Geburt unserer Nation kämpften die Bürger für mehr Demokratie für alle. Es ging langsam voran. Zuerst setzten sie sich für das Wahlrecht ein, dann kam die Zeit der Bürgerrechtsbewegung und die Bürgerrechtsgesetzgebung. Die Kämpfe um ein Wahlrecht für alle, darum, dass jede abgegebene Stimme zählt, dauern selbst heute noch an. Doch jetzt öffnet sich ein neues Fenster der Möglichkeiten. Was viele vor einigen Jahren noch für unmöglich gehalten hätten, ist heute Realität. Ein afrikanischer Amerikaner wird die Vereinigten Staaten - als 44. Präsident - lenken. Doch diese Tatsache allein gewährleistet noch nicht die Gleichheit. Wir müssen weiter mobilisieren - nicht nur, weil Obama oder unsere Abgeordneten vom Kurs abweichen könnten, sondern auch, um Tag für Tag mehr an unserer Demokratie beteiligt zu werden. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Kultur. Demokratie endet nicht damit, dass man seine Stimme abgibt. Mit der Stimmabgabe beginnt Demokratie erst. Wie der portugiesische Gelehrte Boaventura de Souza Santos sagte: Demokratie "kennt kein Ende" (democracia sem fim). Die Bürger der USA begaben sich am 4. November in Rekordzahl an die Wahlurnen. Unsere demokratische Pflicht endet nicht an diesem Punkt. Obama erklärte am Dienstagabend: "Dieser Sieg allein ist nicht der Wandel, den wir suchen - es ist nur unsere Chance, diesen Wandel herbeizuführen. Aber das kann nicht geschehen, wenn wir wieder in den alten Zustand verfallen. Ohne euch kann es nicht geschehen". Wir können nicht länger wichtige Entscheidungen - auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene - den gewählten Repräsentanten allein überlassen. Unsere Vertreter müssen sich rechtfertigen - nicht vor ihren Wahlkampfsponsoren, sondern vor den Bürgern, die sie vertreten. Unsere gewählten Vertreter sollten sich verpflichten, ihre Wahlkampfversprechen einzulösen und Raum für Partizipation zu schaffen, so dass Entscheidungen direkt in die Hände der Bürger fallen (direkte Konsultation, partizipative Haushalte, usw.). Unsere Vertreter sollten sich bereit zeigen, sich vor jenen, die sie repräsentieren, zu verantworten - nicht nur in Wahlzeiten, sondern während der gesamten Periode, für die sie gewählt sind. Wir haben eine lange Geschichte hinter uns - viele Jahrhunderte - aus denen wir lernen können. Und es gibt zahllose partizipative Erfahrungen, um daraus zu lernen - in den USA und in anderen Ländern auf dem amerikanischen Kontinent, wo vielerorts neue, aufregende Möglichkeiten erblühen. Wir können "über die Wahlen hinausblicken"Fox ist Ko-Regisseur der aktuellen Dokumentation ‘Beyond Elections: Redefining Democracy in the Americas’. Vor kurzem tourte der Film durch die USA (‘Beyond…’ ist über PM Press erhältlich). - um unsere Demokratie, in allen Lebensbereichen, zu öffnen. Wir sollten nicht nur über unsere politische Zukunft entscheiden, sondern auch über unsere soziale, kulturelle und wirtschaftliche Zukunft. "Dies ist unser Augenblick. Dies ist unsere Zeit", sagte Obama am Dienstagabend. Er stand vor mehr als hunderttausend Unterstützern in Chicagos Grant Park. Es ist unsere Zeit, "um unsere Leute wieder in Arbeit zu bringen und neue Türen der Möglichkeiten für unsere Kids zu öffnen; um den Wohlstand wiederherzustellen und die Sache des Friedens zu fördern; um den Amerikanischen Traum neu zu reklamieren und die fundamentale Wahrheit zu bestätigen - wir sind viele, aber wir sind eins". Wir sind eins, wir haben das Recht, an den Entscheidungsprozessen, die unser Leben bestimmen, teil zu haben. "Und jenen, die sagen, wir schaffen es nicht", so Obama, "antworten wir mit dem zeitlosen Bekenntnis, das den Geist eines Volkes zusammenfasst: Ja, wir können es". Michael Fox ist Reporter, Journalist und Filmemacher. Er lebt in Lateinamerika. Quelle: ZNet Deutschland vom 09.11.2008. Originalartikel: Obama Win! Pushing "Beyond Elections" . Übersetzt von: Andrea Noll. FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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