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Obamas grüne Ideen: Eine Provokation für Konservative

Der neue US-Präsident sucht nach einem innovativen Modell für den Kapitalismus des 21. Jahrhunderts, das Wachstum ebenso wie dem Klimaschutz verpflichtet ist.

Von Jeffrey Sachs

Eine von Präsident Obamas historischen Leistungen könnte darin bestehen, aus der Wirtschaftskrise heraus ein neues Zeitalter nachhaltiger Entwicklung einzuleiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die von ihm gesetzten makroökonomischen Anreize greifen oder wie scharf die Debatte über die zu setzenden Prioritäten sein wird. Obama schlägt bereits dadurch einen neuen historischen Kurs ein, indem er die Wirtschaft vom privaten Konsum hin zu öffentlichen Investitionen auf die großen Zukunftsthemen Energie, Klima, Nahrungsmittel, Wasser und Biodiversität zu lenken versucht. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Wirtschaftskrise den dringend benötigten Wandel der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit nicht bremsen, sondern noch beschleunigen wird. Das hat der Präsident zu Beginn der Woche mit der Bekanntgabe neuer Maßnahmen gegen den Klimawandel verdeutlicht. Das Paket zur Anregung der Wirtschaft, das dem Kongress vorliegt, wird die ersten Schritte eines gewaltigen Generationen übergreifenden technologischen Umwandlungsprozesses beinhalten und den Energie-Sektor, die Energie-Effizienz in Gebäuden, öffentlichen und privaten Personenverkehr und vieles mehr umfassen. Die USA hinken der restlichen Welt in dieser Hinsicht um 30 Jahre hinterher.

GM und Chrysler am Rand der Insolvenz

Den wichtigsten Schritt hat Obama bereits getan, indem er ein Team hoch qualifizierter wissenschaftlicher und technischer Berater zusammengestellt hat, in dem zwei Nobelpreisträger - Stephen Chu und Harold Varmus - sowie erfahrende Experten in Klima-, Energie- und Ökotechnologien vertreten sind. Auch hat er sich auf zwei Kernwahrheiten nachhaltiger Entwicklung konzentriert: Dass eine technologische Überholung bei der zu bewältigenden Herausforderung von entscheidender Bedeutung sein wird und dass eine solche technologische Innovation der engen Kooperation von Staat und Privatwirtschaft bedarf, um erfolgreich zu sein. Was Gestalt annimmt, ist daher nichts Geringeres als ein Modell für den Kapitalismus des 21. Jahrhunderts, das sich sowohl ökonomischem Wachstum als auch der Nachhaltigkeit verpflichtet weiß und die Kerntechnologien fördert, um diese beiden Ziele zu erreichen.

Man bedenke nur, welche Herausforderung der bankrotte Automobilsektor darstellt. GM und Chrysler balancieren am Rande der Insolvenz, Ford ist nicht weit davon entfernt. Obama erkannte sofort, dass man der Krise nicht mit einer traditionellen Rechts-Links-Debatte über die Frage zwischen staatlicher Unterstützung und marktgetriebenem Bankrott Herr werden kann, sondern dass der Beinahe-Bankrott der Branche nach einem Wandel in den Kerntechnologien der Automobilindustrie ruft. Nach der Strategie Obamas wird GM nicht geschlossen, um für vergangene Fehler des Unternehmens bestraft zu werden. Das Unternehmen ist als Weltmarktführer für Elektroautos im 21. Jahrhundert viel zu kostbar.

Es wird mindestens zehn Jahre dauern, bis man von einigen wenigen Modellfahrzeugen auf Massenproduktion umsteigt. Die Regierung muss in Forschung und Entwicklung investieren, die hohen Kosten der Prototypen subventionieren, das öffentliche Bewusstsein schärfen, die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen und mithelfen, die nötige Infrastruktur bereitzustellen. Werden an der Steckdose aufladbare Hybridfahrzeuge angeboten. erfordert das ein hoch leistungsfähiges Netz der Energieversorgung, das durch regenerative Energien wie Sonne oder Wind gespeist wird. Für Brennstoffzellen bedeutete es eine neue Infrastruktur von Wasserstoff-Tankstellen entlang der Autobahnen und in den Großstädten.

Anachronistische Ideologie des freien Marktes

Die Konservativen sind bestürzt. Die staatliche Unterstützung für die Auto-Industrie war schwer genug zu schlucken. Staatsinvestitionen in Infrastruktur, Forschung und Entwicklung werden - verglichen mit den Steuerkürzungen der Bush-Regierung - mit Geringschätzung bedacht, auch wenn jene gescheitert sind. Experten der Republikaner ereifern sich über das Ansinnen des Obama-Teams, "uns sagen zu wollen, welches Auto wir fahren sollen". Und dennoch hat die Regierung genau dies vor, zumindest was den Antrieb des Fahrzeuges angeht, und sie hat recht damit. In einer Zeit, die von Klimawandel, Belastung der Gewässer, Angst vor Lebensmittelknappheit und Energie-Unsicherheit bestimmt ist, ist die Ideologie des freien Marktes zum Anachronismus geworden. Gemeinsame Anstrengungen von Staat und Privatwirtschaft, die Wirtschaft in einen technologischen sicheren Hafen zu manövrieren, wird das Gebot der neuen Epoche sein. Natürlich können dabei jede Menge Fehler gemacht werden. Das Engagement der Regierung kann an dem massiven Haushaltsdefizit oder dem Steuersenkungspopulismus der Rechten scheitern. Aber Obama hat völlig Recht, wenn er sagt, dass wir keine andere Wahl haben, als es zu versuchen.

John F. Kennedy erzählte gern die Geschichte zweier irischer Jungen, die ihre Hüte über eine Mauer warfen, damit sie auch auf jeden Fall hinüberklettern würden. Obama wirft seinen Hut über die Mauer der Umweltkrise und fordert uns auf, sie gemeinsam zu überwinden. Eine neue Epoche öffentlichen Engagements ist angebrochen, in der die USA wieder die Führung übernehmen - wir alle werden auf der anderen Seite der Mauer eine neue Wirtschaft und neue Möglichkeiten finden.

Jeffrey Sachs ist Direktor des Earth Institute an der Columbia University und Autor von Common Wealth. 

Quelle: der FREITAG vom 30.01.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

15. Februar 2009

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