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Afghanistan: Obama will kein zweites Vietnam

Vielleicht verlassen die USA Afghanistan eher früher als später. Obama zeigt sich gegenüber moderaten Taliban auf eine Weise kompromissbereit, die bisher undenkbar war

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Von Lutz Herden

Soviel Tabubrüche auf einmal sind selten. Doch Barack Obama muss sie begehen, weil die Lage für die Vereinigten Staaten in Afghanistan so prekär ist, dass ihm zwar Widerspruch zuteil wird, aber keine vehemente Gegenwehr droht. Auch die Republikaner wissen natürlich, ohne eine politische Lösung am Hindukusch gibt es dort einen langen, zermürbenden und vor allem endlosen Krieg.

Deshalb konnte Präsident Obama am Wochenende gegenüber der New York Times unumwunden zugeben, was viele US-Militärs längst wissen und viele US-Politiker zumindest ahnen: Der Krieg in Afghanistan ist derzeit nicht zu gewinnen, aber vielleicht ehrenvoll und ohne Gesichtsverlust für die USA - den Westen überhaupt - zu beenden, wenn er nicht länger gegen die Taliban und jenen Teil der afghanischen Bevölkerung im Süden und Westen geführt wird, der den Gotteskriegern folgt. In diesen Regionen, sagt Obama, habe sich die Lage spürbar verschlechtert, weil die US- und ISAF-Truppen mit einer Wucht angegriffen würden, die man bisher nicht kannte.

Weil das alles so ist, riskiert er einen Vorschlag, der wie ein Sakrileg wirkt. Man müsse mit moderaten Taliban verhandeln. Eine Position, die der afghanische Präsident Karzai seit längerem vertritt, im Westen damit aber eher auf Unverständnis und Ablehnung stößt, obwohl auch die saudische Regierung diesen Weg für sinnvoll hält. Obama hatte kein Problem, der New York Times zu sagen, die US-Besatzungsmacht sei im Irak auf gemäßigte Sunniten zugegangen, obwohl kein Zweifel bestand, dass sie klar islamistisch ausgerichtet waren. Warum sollte sie mit moderaten Taliban nicht ebenso verfahren?

Schließlich - als käme es auf einen weiteren Tabubruch gar nicht mehr an - lancierte Obama ein Angebot an die Regierung in Teheran. Sie sei eingeladen, sich an einer Konfliktlösung zu beteiligen. Der politischen Entkrampfung dient das gewiss, wird aber zu guter Letzt wenig nützen, wenn eine neue Afghanistan-Politik nicht Vorbote einer neuen Politik gegenüber Pakistan ist. Dort befinden sich nach wie vor Rekrutierungsbasen, Ausbildungslager und Waffendepots der Taliban, dort erhielt einst der Geheimdienst ISI von den Amerikanern freie Hand, Zehntausende von Glaubenskriegern gegen die Sowjets in Afghanistan zu schicken.

Das ist zwischenzeitlich mehr als 25 Jahre her und in Washington nie als das eingestanden worden, was es war: Ein großer strategischer Irrtum, dessen Nachbeben gewaltig sind. Barack Obama scheint im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht davon beseelt, das Epizentrum zu eliminieren. Er will sich mit den Taliban arrangieren, wenn die nicht länger schießen. Das ist die Botschaft vom Wochenende, die weniger nach Kapitulation als nach Exit-Strategie klingen soll. Was sie auch tut, wenn man vergisst, dass ein Ausstieg der USA der Einstieg für einen islamischen Gottesstaat am Hindukusch sein kann. Den gab es schon einmal zwischen September 1996 und Oktober 2001.

Quelle: der FREITAG vom 09.03.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

11. März 2009

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