Ein atomwaffenfreies Deutschland?Der Abzug der US-amerikanischen Nuklearwaffen könnte ein Schritt zur atomwaffenfreien Welt sein
Von Wolfgang Kötter US-Präsidenten Barack Obama erntet für seine Vision einer atomwaffenfreien Welt weithin Lob, darunter auch von Regierungen, die Nuklearwaffen noch bis vor kurzem für unverzichtbar hielten. Ihre Bürgerinnen und Bürger sind da zumeist skeptischer. Die Botschaft hören sie wohl allein es fehlt der Glaube. Sie verstehen die Atomwaffenfreiheit eher als einen schönen aber unwirklichen Blütentraum, der kaum reifen wird. Ihnen kann schnell geholfen und das Vertrauen in die Machbarkeit nuklearer Abrüstung gestärkt werden. Dazu muss man nicht in die Ferne schweifen, sondern kann durchaus im eigenen Land bleiben und erst einmal hier die Relikte des Kalten Krieges beseitigen. Trotz aller schönen Worte proben die USA in dem verträumten Eifeldorf Büchel mit seinen 1.160 Einwohnern auch zwei Jahrzehnte nach Ende des Ost-West-Konflikts immer noch den Nuklearkrieg. In unterirdischen Bunkern unweit des Ortsausgangs halten sie bis zu 20 Atomwaffen vom Typ B-61 mit einer Sprengkraft von insgesamt 150 Hiroshima-Bomben einsatzbereit. Im Ernstfall würden hier die Bomben unter Bundeswehr-Tornados montiert und entsprechend der "nuklearen Teilhabe" von deutschen Soldaten des Jagdbombengeschwaders 33 transportiert und abgeworfen werden. Aber das ist ein Anachronismus, denn derartige taktische oder substrategische Atomwaffen in Mitteleuropa machen selbst aus militärischer Sicht überhaupt keinen Sinn. Im Gegenteil sie sind lediglich potentielle Ziele für Anschläge oder Diebstahl krimineller oder terroristischer Täter. Darum wächst der Widerstand gegen die Atomwaffen in Deutschland, zumal einer aktuellen Studie zufolge die Sicherheitsvorkehrungen längst nicht den geltenden Standards entsprechen. Der Atomwaffenexperte Hans Kristensen von der Wissenschaftlerorganisation Federation of American Scientists machte einen Untersuchungsbericht der US-Air-Force öffentlich, der erhebliche Sicherheitsmängel feststellt. Reklamiert werden beispielsweise reparaturbedürftige Gebäude, Zäune, ungenügende Ausleuchtung der Anlagen und Sicherheitssysteme. Bundeswehrsoldaten im Grundwehrdienst ohne Spezialausbildung und wenig Erfahrung sollen die Waffen vor Diebstahl durch Kriminelle oder Terroristen schützen. Darüber hinaus seien die Dienstposten nur einfach besetzt, sodass schon bei Krankschreibungen oder Personalwechsel bestimmte Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden können. Die beiden deutschen Staaten gehörten während des Kalten Krieges zu den am dichtesten mit Atomwaffen bestückten Regionen. Allein im Westen waren Berechnungen der Federation of American Scientists zufolge etwa 7.300 Atomsprengköpfe der Alliierten deponiert. Ab 1953 verlegten die USA zunächst als "Atomic Annie" bezeichnete Atomgeschütze, dann atomare Fliegerbomben, später aber auch Granaten, Raketen und Atomminen in die Bundesrepublik. Berühmtberüchtigt wurde der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer mit seiner Forderung nach Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen, denn sie seien ja "nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie". Einer der emsigsten Befürworter des deutschen Kernwaffenbesitzes, der Atom- und spätere Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, befand, die Deutschen könnten "den Russen doch nicht mit Pfeil und Bogen" gegenüberstehen. Im Osten waren andererseits seit 1958 sowjetische nukleare Trägermittel vorwiegend in den brandenburgischen Wäldern stationiert. Neueren Forschungsberichten zufolge hatten Spezialeinheiten auf vier Flugplätzen mindestens 200 Sprengköpfe deponiert. Sie lagerten zumeist in oberirdischen Bunkern - wie etwa auf dem einstigen Militärflughafen in Jüterbog. Ständige Atomwaffen-Depots sollen sich auch in Groß Dölln, Werneuchen, Brand und Finsterwalde befunden haben. Die gesamte russische Atomwaffeninfrastruktur wurde bis 1991/92 endgültig abgezogen. Nicht nur, dass auf deutschem Boden die atomaren Vernichtungswaffen so dicht wie nirgends sonst gesät lagerten. Hier drohte im Konfliktfall auch am ehesten ein Atomkrieg zwischen Ost und West auszubrechen. Das Territorium sowohl der Bundesrepublik als auch der DDR wäre zum ersten Gefechtsfeld eines nuklearen Schlagabtausches mit Millionen Opfern geworden. Die atomar aufmunitionierten Jagdbomber der US-Air-Force befanden sich in Sofortbereitschaft und konnten binnen Minuten von den Militärflughäfen Memmingen in Bayern und Nörvenich in Nordrhein-Westfalen abheben. Regelmäßig übten sie den Luft-Boden-Einsatz atomarer Waffen auf den Schießplätzen Nordhorn und Siegenburg. In diesen Tagen werden von den Straßen und Plätzen der Ostermärsche ganz sicher auch verstärkt die Rufe nach Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland ertönen. Die Atomwaffengegner haben sich gut organisiert. 48 Vereine, Verbände und Initiativen, darunter Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), Bürgermeister für den Frieden, die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), schlossen sich zum Bündnis "unsere zukunft - atomwaffenfrei" zusammen. Sie verlangen den Abschluss einer internationalen Konvention zum Verbot aller Atomwaffen. In einem offenen Brief forderte die Initiative Kanzlerin Angela Merkel bereits vor Monaten zur Beendigung der deutschen Teilhabe und den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland bis spätestens 2010 auf. Mit einer dezentralen "Hexennacht" startet an Walpurgisnacht die Aktionsphase "ich wähle atomwaffenfrei" zur kommenden Bundestagswahl. Wie bereits im vergangenen Sommer veranstalten Gruppen Besen-Aktionen unter dem Motto "Vor der eigenen Türe kehren". Sie werden die Bundesregierung beim Wort nehmen, unverzüglich Gespräche über einen Abzug der US-Atomwaffen aufzunehmen. Hat doch Außenminister Frank-Walter Steinmeier angekündigt: "Darüber werden wir in der Tat mit den Amerikanern in den nächsten Wochen sprechen." USA-Atomwaffen in Europa
Quelle: Federation of American Scientists
Die Kampagne "unsere zukunft - atomwaffenfrei" wurde vom Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen" ins Leben gerufen. Lebenshaus Schwäbische Alb gehört dem Trägerkreis an. Mehr zu den Trägerkreismitgliedern findet sich hier:
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