Alles andere als friedliches Landleben…Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 60 vom März 2009 Der gesamte Rundbrief Nr. 60 kann hier heruntergeladen werden PDF-Datei , 400 KB)
während ich die Einleitung zu diesem Rundbrief schreibe, haben wir hier auf der Schwäbischen Alb tiefsten Winter. Dabei war vor wenigen Wochen schon ein erster Anflug von Frühling zu spüren gewesen. Nun gibt es eine herrliche Winterlandschaft mit sehr viel Schnee, klirrender Kälte, tagsüber herrlich blauem Himmel und Sonnenschein. Eine unwiderstehliche Einladung, nachher eine Pause einzulegen und mich in dieser idyllischen Landschaft zu bewegen. Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass das Leben um mich herum und weltweit sehr oft alles andere als eine Idylle ist. Im Lebenshaus haben wir es mit vielen Menschen zu tun, die schwer zu tragen haben an ihrem Leben. Alles andere als friedliches Landleben… Und der völlige Gegensatz zu einer Idylle tut sich auf, wenn ich an die massivste Form direkter Gewalt, die Gewalt in Kriegen denke. Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Gaza 2009In der Zeit um die Jahreswende gab es weltweites Entsetzen und auch viel Wut über die verheerenden israelischen Bombenangriffe auf den Gazastreifen. Mir geht es nicht darum, den Beschuss Israels durch selbstgebastelte Qassamraketen zu rechtfertigen. Aber wenn man in einem so dicht besiedelten Gebiet so massiv vorgeht wie das israelische Militär, dann ist klar, dass dies viele Opfer hervorrufen muss. Während des 22-tägigen Krieges wurde die unglaubliche Menge von 1,5 Millionen Tonnen Sprengstoff auf Gaza abgeworfen. Das macht pro Kopf der Bevölkerung des Gazastreifens eine Tonne aus! Die Zahl der Todesopfer wurde auf Seiten der Palästinenser auf 1.350 geschätzt. 60 Prozent der Getöteten waren Kinder. Unter den 5.450 Schwerverletzten befanden sich etwa 40 Prozent Kinder. Auf israelischer Seite wurden zehn Soldaten und drei Zivilisten getötet. Und warum das alles? "Die Geschichte beginnt nicht mit den Qassams", schreibt Amira Hass, die als einzige israelische Journalistin im Gazastreifen lebt, in einem Artikel und beantwortet die Frage aus ihrer Sicht. In unserer Website haben wir inzwischen zahlreiche Artikel zum Gaza-Krieg und verschiedene Stellungnahmen veröffentlicht. Darunter befinden sich sehr viele israelische und jüdische Stimmen, die heftige Kritik an der Regierung Israels üben. Den Stimmen dieser Minderheit, die es wahrlich nicht leicht hat, wollen wir Gehör verschaffen helfen. Die relative Waffenruhe bietet eine Chance für Diplomatie und politische Initiativen. Zeichen für eine dauernde Lösung des Nahostkonfliktes müssen auch von Deutschland ausgehen. Die Kooperation für den Frieden, der das Lebenshaus Schwäbische Alb ebenfalls angehört, hat gemeinsam mit der pax christi-Nahostkommission eine Unterschriftenaktion gestartet, in der die Bundesregierung zu einer anderen Nahostpolitik aufgefordert wird. Wir bitten um rege Beteiligung. Kriege in Irak und AfghanistanAllerorten großes Aufatmen, dass die Ära Bush endlich vorbei ist. Zu den Hinterlassenschaften dieser Regierung gehören die Folgen des Kriegs gegen Irak. Am 20. März vor genau sechs Jahren wurde die mit Lügengeschichten begründete Invasion einer US-geführten Allianz ins Zweistromland begonnen. Die von Bush bereits kurz darauf gemachten Siegesbekundungen sind das eine, die reale Situation im Irak ist aber etwas völlig anderes. Auswertungen von Studien ergeben, dass nach sechs Jahren Krieg zwischen 800.000 bis 1,3 Millionen Kriegstote zu beklagen sind, 1 bis 2 Millionen Witwen, 5 Millionen Waisen, 4,5 Millionen Vertriebene. Diese grauenvollen Zahlen, hinter denen sich entsprechend viele einzelne Menschenschicksale verbergen, machen das Ausmaß des Verbrechens deutlich. Sechs Jahre nach Kriegsbeginn ist das Land von einem sektiererischen politischen System und gewaltigen ungelösten Problemen zerrissen. Unser Protest gegen diesen Krieg war begründet und konnte ihn trotz weltweit einzigartigen Demonstrationen nicht verhindern. Der Krieg in Irak zeigt wie jener in Afghanistan nur einmal mehr, dass Gewalt kein angemessenes Mittel ist, um Konflikte konstruktiv zu bearbeiten. Der jetzige US-Präsident Barack Obama hat den Irakkrieg von Anfang an abgelehnt. Doch den in Afghanistan nicht. Denn in seiner Grundhaltung folgt er nicht etwa Martin Luther King, auf den er sich sonst so oft bezieht. Während King von der Liebe zu den Feinden spricht, hält es Obama für richtig, die Feinde Amerikas "zur Strecke zu bringen und auszumerzen". Dazu will er den Afghanistankrieg auf pakistanisches Gebiet ausdehnen, um dort Rückzugsgebiete des Widerstandes zu bekämpfen, was automatisch eine weitere Eskalation zur Folge hätte. Außerdem will er in den kommenden Monaten bis zu 17.000 zusätzliche Soldaten in den Krieg nach Afghanistan schicken - und das, obwohl schon 38.000 US-Soldaten im Land sind. Dabei will er auch von den NATO-Verbündeten größere Beiträge einfordern. Die deutsche Bundesregierung erklärte sich schon dazu bereit, bis zu 600 weitere Bundeswehr-Soldaten in den Krieg zu schicken. NATO - Interventionsbündnis des WestensAnfang April trifft sich diese NATO zu ihrem Gipfel in Strasbourg und Baden-Baden und will sein 60-jähriges Bestehen feiern. Aber damit wird sie es nicht bewenden lassen. Denn die NATO will offensichtlich ihre neue strategische Linie der Interventionspolitik fortschreiben. Das bedeutet, dass sich die NATO immer eindeutiger als militärisches Bündnis versteht, um wirtschaftliche und strategische Interessen des Westens abzusichern und durchzusetzen. Dafür werden Interventions- und Besatzungsstrategien entworfen und entsprechende schnelle Eingreiftruppen in NATO und EU aufgeboten. Weiter soll die Strategie des möglichen Ersteinsatzes von Atomwaffen gestärkt werden und durch sogenannte "Mini-Nukes" die Einsatzschwelle für Atomwaffen gesenkt werden. Ob die NATO diesen Kurs fortsetzen wird und ob es trotz allem unter Präsident Obama neue Initiativen zur Abrüstung gibt, wird auch vom Druck abhängen, den internationale Friedens,- Menschenrechts- und Globalisierungskritischen Bewegung aufbauen wollen. Deshalb rufen wir als Lebenshaus Schwäbische Alb zur Teilnahme an den verschiedenen Aktionen auf, die anlässlich des Gipfeltreffens der NATO im April geplant sind. Atomausstieg umsetzenSeit zehn Jahren wird in Deutschland der Atomausstieg versprochen, aber nicht wirklich umgesetzt. Jetzt ist sogar von Laufzeitverlängerungen für die alten Reaktoren die Rede. Den Atomkraftwerksbetreibern geht es dabei nur um Zusatzgewinne auf Kosten der Allgemeinheit. Entsprechend versuchen sie mit viel Geld für Öffentlichkeitsarbeit die öffentliche Debatte zu dominieren. Dabei besitzen die Erneuerbaren Energien in Verbindung mit dem beschleunigten Ausbau dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung soviel Kapazitäten, dass weder Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke, noch Investitionen in neue große Kohlekraftwerke mit finanziellen Amortisationszeiten von über 40 Jahren energiewirtschaftlich erforderlich oder sinnvoll sind. Die Anti-Atom-Bewegung wird dafür kämpfen, dass in der nächsten Legislaturperiode zumindest die vereinbarten sieben AKWs stillgelegt werden. Wir Atomkraftgegnerinnen und -gegner haben auch genug gute Argumente dafür, gleich alle in unserem Lande laufenden 17 Atomkraftwerke stillzulegen. Doch zunächst müssen wir dafür sorgen, dass zumindest die Vereinbarungen in die Tat umgesetzt werden. "Unsere Geduld ist aufgebraucht. Wir gehen wieder auf die Straße", so Jochen Stay, Sprecher der bundesweiten Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt. Und so will sich die Anti-AKW-Bewegung mit einer Reihe großer Demonstrationen in diesem Jahr in die Debatte um die Atomenergie einmischen. Ob diese dann auch wirklich groß werden, hängt von uns allen ab. Der Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April wird erste Gelegenheiten bieten. Persönlicher Umstieg zu Erneuerbaren EnergienÜber der Teilnahme an Protesten hinaus können wir - jedenfalls die Meisten von uns - noch mehr machen. So ist nach wie vor der Umstieg beim persönlichen Strombezug weg von den Konzernen wichtig. Als Lebenshaus beziehen wir unseren Strom seit vielen Jahren von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS). Dadurch erhalten wir Strom, der ebenso frei ist von Atomenergie, Kohle und Öl (Bundesdurchschnitt: 29 % Atomenergie und 48 % Kohle und Öl). Dagegen enthält der EWS-Strom zu über 93 % Strom aus Erneuerbare Energien (Bundesdurchschnitt: 12 %). Dadurch vermeiden wir also zu 100 % Atommüll und zu 96,96 % CO2. EWS-Strom kann bundesweit bezogen werden, ebenso wie Strom von den gleichfalls zu empfehlenden Ökostromanbietern Greenpeace, LichtBlick und naturstrom. Insgesamt brauchen wir nicht abhängig zu bleiben vom Gas Russlands, vom Öl der Scheichs und vom Uran Australiens. Davon kann sich unsere Gesellschaft befreien. Alle Zukunftsenergien sind in unserem eigenen Land in Hülle und Fülle vorhanden: Sonne, Wind, Biomasse, Biogas, Wasserkraft und Erdwärme. Das ist doch eine äußerst positive und zukunftsweisende Perspektive! Worauf warten wir also noch? Als Lebenshaus können wir uns glücklich schätzen, dass es im vergangenen Jahr gelungen ist, unser Gebäude ökologisch so zu sanieren, dass viel Heizenergie eingespart werden kann. Die noch benötigte Wärme wird durch die Erneuerbaren Energien Solarthermie und Holzpellets erzeugt. Dass dieser Umstieg gelungen ist, freut uns außerordentlich. Und über die Unterstützung, die dieses Projekt erst möglich gemacht hat, sind wir sehr, sehr dankbar! Ebenso danken wir für all die andere Unterstützung an das Lebenshaus. Dadurch wird unser Engagement für einen gerechten Frieden sowie eine lebensfähige und lebenswerte Mitwelt überhaupt erst möglich. Gleichzeitig sehen wir in jeder Unterstützung ein Zeichen der Ermutigung, in unserem Engagement nicht nachzulassen. Herzlichen Dank! Mit herzlichen Grüßen Euer / Ihr Michael Schmid FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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