Bundestag lehnt Petition gegen deutsche Waffenexporte nach Nahost ab
Offener Brief der Friedensbewegung an die Abgeordneten
Mit einem Offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten reagiert die Kooperation für den Frieden - ein Zusammenschluss von mehr als 50 Friedensorganisationen - auf die Ablehnung eines bereits Ende 2006 gestellten Antrages gegen deutsche Waffenexporte in den Nahen Osten.
Keineswegs überzeugt von den vorgetragenen Argumenten, das Anliegen der Petition aus der Friedensbewegung nicht einmal im Parlament zu diskutieren, wird an die Abgeordneten die Frage gerichtet, ob Sie bereit wären, den Appell von Amnesty International (ai) vom 23. Februar 2009 durch eine Resolution im Bundestag zu unterstützen. In diesem Appell fordert ai den Stopp von Waffenlieferungen an die Konfliktparteien und von den VN die Einrichtung eines umfassenden Waffenembargos.
Der Brief an die Abgeordneten unterstreicht zum Schluss: "Rüstungsexporte in eine der gefährlichsten Kriegsregionen der Erde sind u.E. unverantwortlich, untergraben einen ernsthaften Friedensprozess und haben deshalb nichts mit Solidarität gegenüber den Menschen in Israel und Palästina zu tun."
+++ Folgend finden Sie den vollen Wortlaut des Schreibens: +++
An die Fraktionen und an die Abgeordneten des deutschen Bundestages
Ablehnung unserer Petition
"Keine Rüstungslieferungen nach Nahost" (Pet 3-16-09 742-015382)
Sehr geehrte Damen und Herren,
im März 2009 erreichte uns der Bundestagsbeschluss, dass die Petition zum Stopp aller Rüstungsexporte in die Nahostregion vom Herbst 2006, die wir direkt nach dem israelischen Krieg gegen den Libanon eingebracht hatten, abgelehnt wurde. Auf einige der für die Ablehnung genannter Argumente möchten wir eingehen.
- In der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses heißt es, die Entscheidungsgrundlagen des Bundessicherheitsrats seien, da als geheim eingestuft, der Öffentlichkeit nicht zugänglich, und daher für diese weder nachvollziehbar noch transparent. Auch für Mitglieder des Petitionsausschusses sei dies nicht leicht zu akzeptieren und Bürgerinnen und Bürger könnten dies "sogar als Zumutung" empfinden. In unseren Augen ist es ein Mangel an Demokratie, wenn dem Parlament, dem Petitionsausschuss und der Öffentlichkeit wichtige Fragen von Krieg und Frieden nicht nachvollziehbar gemacht werden. Dass Teile des Petitionsausschusses und des Bundestags mit solch einer Entmachtung des Parlaments offenbar gut leben können, erscheint uns besorgniserregend.
- Es wird angeführt, dass in Nicht-NATO-Länder "der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern restriktiv gehandhabt (wird), das bedeutet unter anderem, dass die innenpolitische Situation und die Menschenrechtslage des Landes zu berücksichtigen sind, ebenso die Möglichkeit eines drohenden bewaffneten Konflikts". Schon 2006 bestand unserer Ansicht nach nicht nur die "Möglichkeit eines bewaffneten Konfliktes", sondern seine Realität. Falls die Mehrheit des Petitionsausschusses eine andere Einschätzung der Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen gehabt haben sollte, wäre diese optimistische Sicht spätestens mit dem Gazakrieg 2009 widerlegt worden.
- Es gehe darum, "die Sicherheit Israels dauerhaft zu gewährleisten". Im Exkurs zur Nahostpolitik wird die Erkenntnis, dass es keine einseitige Sicherheit geben kann, nur wenig berücksichtigt. Ein verlässlicher Friede ist nur unter Einbeziehung aller Palästinenserinnen und Palästinenser zu erreichen, nicht nur der sogenannten "moderaten Kräfte". Diese moderaten Kräfte werden außerdem nicht gestärkt, sondern geschwächt, wenn Waffenlieferungen an eine der Konfliktparteien erfolgen. Die "friedensfördernde" Diplomatie Deutschlands in der Region wird in der Beschlussempfehlung begrüßt. Es ist aber Realität, dass sämtliche Initiativen vom Oslo-Abkommen über die "Road Map" bis zu Annapolis gescheitert sind. Eine Politik der doppelten Standards, insbesondere die Duldung der Besatzung, sind aus unserer Sicht keinesfalls zu begrüßen, sondern gefährden nachhaltig das friedliche Zusammenleben zwischen Orient und Okzident. Dies kann nicht mit "historischen Gründen" legitimiert werden. Erst recht dürfen Exportinteressen der deutschen Rüstungsindustrie, die in der Beschlussempfehlung nicht erwähnt werden, keine Rolle spielen.
- Beunruhigend ist für uns auch, wie "der Charakter der (gelieferten) Güter" als letztlich harmlos eingestuft wird. Wir wissen vom verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, dass dieser sich sehr wohl der atomaren Kriegsführungsoptionen bewusst ist, die mit den "Dolphin"-Booten verbunden sind. Wir hoffen sehr, dass die verantwortlichen Abgeordneten des deutschen Bundestages nicht eines Tages, vielleicht angesichts neuer Eskalationen in der Region, erklären müssen: "Das haben wir nicht gewollt."
- Dass die Bundesregierung mit ihrer Nahostpolitik klar den "schwierigen Kurs" der EU unterstützt, entspricht nicht unserer Beobachtung. Immer wieder erweist sich die Bundesregierung als Bremse einer europäischen Politik für die Region. Jüngstes Beispiel ist die Verhinderung der Forderung der EU nach einer UN-Fact Finding Mission über Verstöße Israels und der Palästinenser gegen das humanitäre Völkerrecht in Gaza. Rüstungsexporte in eine der gefährlichsten Kriegsregionen der Erde sind u.E. unverantwortlich, untergraben einen ernsthaften Friedensprozess und haben deshalb nichts mit Solidarität gegenüber den Menschen in Israel und Palästina zu tun. Wir möchten an Sie als Abgeordnete die Frage richten, ob Sie bereit wären, den Appell von Amnesty International vom 23. Februar 2009 durch eine Resolution im Bundestag zu unterstützen. In diesem Appell heißt es: "Amnesty International is calling for a cessation of arms supplies to the parties to the conflict and calling on the United Nations to impose a comprehensive arms embargo."*
Hochachtungsvoll,
die SprecherInnen der Kooperation für den Frieden
Quelle:
Kooperation für den Frieden
- Presseinformation vom 15.04.2009.
Weblink: