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Das perfekte Geschenk an Obama überreichte Hugo Chavez

Von Richard Gott, 23.04.2009 - The Guardian (UK) / ZNet

Die angelsächsische Welt zeigte eine gewisse Überraschung über Hugo Chavez’ Geschenk an Barack Obama: ein Buch von Eduardo Galeano. Unwissenheit ist die einzige Entschuldigung. Genau diesen Fehler hatte der venezolanische Präsident zuvor seinem amerikanischen Pendant angelastet. Schließlich ist Galeano, neben Gabriel Garcia Marquez, der bekannteste und gefeiertste Autor in Lateinamerika. Sein umfassendes Werk, reich an Fakten und Phantasie und seine journalistischen Arbeiten werden überall auf dem Kontinent veröffentlicht. Bücher von Galeano werden seit den 60er Jahren - ununterbrochen - herausgegeben. Eine Generation nach der andern verschlingt seine Bücher.

Es war eine brillante Idee von Hugo Chavez, Galeanos 1971 erschienenes Werk ‘Die offenen Adern Lateinamerikas’ (‘Open Veins of Latin America’) zum Geschenk für US-Präsident Obama zu machenAuf dem Amerika-Gipfel am 18./19. April 2009 (Anmerkung d. Übersetzerin). Das Buch ist eine radikale Version der Geschichte Lateinamerikas, die den meisten Lateinamerikanern bekannt ist. Der Untertitel lautet ‘Five Centuries of the Pillage of a Continent’ (‘Fünf Jahrhunderte der Plünderung eines Kontinents’) und gibt einen Vorgeschmack auf den Inhalt des Buches. Darin beschreibt Galeano Jahrhunderte der Ausbeutung und der Herrschaft durch europäische Invasoren (und später durch US-Konzerne) in Lateinamerika. Die Geschichte wird in kurzen Episoden - manchmal lediglich in Abschnitten - geschildert. Diese Art des Erzählens ist charakteristisch für Galeanos äußerst originellen Stil, der sich in mehrerer Hinsicht mit dem Werk des schwedischen Autors Sven Lindqvist vergleichen lässt. Letzterer verfügt über eine ähnliche Fähigkeit, über Geschichte und aktuelle Ereignisse in einer Sprache zu schreiben, die gleichzeitig leidenschaftlich und poetisch ist. Im gleichen Atemzug wäre vielleicht noch der verstorbene polnische Schriftsteller Ryszard Kapuscinski zu nennen.

Die konservative amerikanische Mainstream-Kultur wehrt sich manchmal gegen Galeanos Werk. Das mag an der Tatsache liegen, dass seine Bücher von der sozialistischen ‘Monthly Review Press’ gedruckt wurden und sein Übersetzer Cedric Belfrage - ein in Großbritannien geborener Journalist, der in die USA emigrierte, um in Hollywood zu arbeiten -, Mitglied der Kommunistischen Partei war. 1955, in den letzten Jahren der McCarthy-Ära, wurde Belfrage nach England deportiert. Er ging nach Mexiko und arbeitete als Spanischübersetzer. Dort übersetzte er auch Galeanos Bücher.

Eduardo Galeano wurde 1940 in Montevideo (Uruguay) geboren. In den 60er Jahren gab er das Wochenmagazin ‘Marcha’ heraus, das zum besten und einflussreichsten politisch-kulturellen Magazin in Lateinamerika wurde. Nach dem Militärputsch von 1973 in Uruguay, bei dem sein Magazin eingestellt wurde, floh Galeano ins argentinische Buenos Aires. Dort gründete er ein ähnliches Magazin, mit dem Titel ‘Crisis’. Es wurde zur Chronik der dramatischen Jahre zwischen 1973 und 1976 in Argentinien unter Peron. Nach einem erneuten Putsch musste er ins spanische Exil. Galeano nahm die ‘Die offenen Adern Lateinamerikas’ als Grundlage zu einer Trilogie über die politische und kulturelle Geschichte Lateinamerikas. Sie trägt den Titel ‘Erinnerung an das Feuer’ (‘Memories of Fire’) und enthält Gedanken und Überlegungen zu den Ereignissen, die sich auf dem Kontinent ereignet hatten. Fast jedes Jahr wird darin berücksichtigt.

Sicherlich hat Hugo Chavez Obamas Biografie gelesen. Er wird wissen, dass auch Obama ein intelligenter, kreativer Autor ist. Chavez hat gewiss erraten, dass Obama die Werke Galeanos schätzen und genießen wird - während er versucht, die US-Politik gegenüber Lateinamerika neu zu gestalten. Als Nordamerikaner ist ihm die lateinamerikanische Fußballbegeisterung unbekannt. So dürfte er von Galeanos Buch ‘Der Ball ist rund’ (‘Football in Sun and Shadow’) profitieren. Es ist eine wunderbare Episode über die Geschichte des Fußballspiels. Galeano veröffentlichte das Buch 1995. Er schrieb es, um linke Intellektuelle (und die Baseball begeisterten Kubaner), die manchesmal Arroganz gegenüber dem Fußball zeigen, von dessen politischer und kultureller Bedeutung zu überzeugen. Galeano feiert darin auch die Anziehungskraft des Fußballs für die großen Massen Lateinamerikas. Dieser kulturelle Aspekt in der Südhälfte des amerikanischen Kontinents wird von den Nordamerikanern - zu ihrem großen Schaden - ignoriert.

Richard Gott ist Autor und Historiker und langjähriger Mitarbeiter von The Guardian (Auslandskorrespondent, Leitartikler und Autor von Porträts). 

 

Quelle:  ZNet Deutschland vom 23.04.2009. Originalartikel: Chavez’s Perfect Gift to Obama . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

26. April 2009

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