Die Insolvenz des amerikanischen TraumsNicht Schwerter zu Pflugscharen sondern Hummer zu Windturbinen: Das Aus für GM wäre eine nationale Katastrophe - und die Chance für eine ökologische Effizienzrevolution
Von Konrad Ege Sollte General Motors demnächst seine Zahlungsunfähigkeit bekunden - der Automobilriese hat sich darauf vorbereitet, Präsident Barack Obama stellt eine Umstrukturierung durch Konkurs zur Diskussion - wird Unvorstellbares passiert sein. Der achtzig Jahre lang weltgrößte Autobauer (erst 2008 wurde GM von Toyota überholt), sein ebenfalls schwer angeschlagener Konkurrenz Chrysler und der sich eben noch über Wasser haltende Rivale Ford waren Inbegriffe für das Funktionieren der amerikanischen Marktwirtschaft. Millionen "einfacher" Arbeiter bauten Eigenheime, schickten Kinder aufs College und konnten nach 30 Jahren Malochen mit einem gesicherten Lebensabend rechnen, mit Betriebsrente und einer bezahlten Krankenversicherung. Die jetzt zur Debatte stehenden Sanierungskonzepte zeichnen sich durch begrenzte Visionen aus. Die Regierung stellt Darlehen in Aussicht, wenn die Firmen in Schnelle annehmbare Sanierungspläne präsentieren. Eine Allianz Chrysler/Fiat ist im Gespräch. Man spricht von Werksschließungen, von Opfern, die "alle" bringen müssten. Unrentable Automarken werden eingestellt, benzinsparende PKW sollen gebaut werden. GM-Chef Rick Wagoner musste seinen Hut nehmen, den GM-Arbeitern wurden 20.000 Dollar Abfindung und ein Autogutschein angeboten, wenn sie freiwillig gehen. Angeblich haben nur ein paar Tausend die Offerte angenommen. Wagoner soll an die 20 Millionen bekommen haben. Obamas Auto-Kommission unter Leitung des Finanzinvestors und - Presseberichten zufolge - Mercedes-Fahrers Steven Rattner fasst dem Wall Street Journal zufolge vor allem "Reformen" der unternehmensfinanzierten Leistungen für die rund 450.000 GM-Rentner ins Auge. Zu Besuch in der MittelklasseUnternehmen nützen Konkursverfahren, um Tarifverträge zu kündigen. Als der insolvente und mit mehr als 150 Milliarden Dollar aus der Staatskasse hochgepäppelte Versicherungsriese AIG seinen Direktoren viele Millionen Dollar Sonderboni zahlte, sprang Obamas Chef-Wirtschaftsberater Larry Summers der Firma gegen empörte Bürger bei, die einfach nicht verstehen wollten, warum die für den Kollaps Verantwortlichen auch noch Boni erhalten sollen: Diese Zahlungen seien vertraglich festgelegt worden, betonte Summers, und die Regierung könne "doch nicht einfach Verträge rückgängig machen". Bei den Tarifverträgen in der Autoindustrie ist das anscheinend anders. Eines hat die Automobilarbeitergewerkschaft UAW, die wohl mächtigste Gewerkschaft in den USA, anscheinend nie wahrhaben wollen: Ihre Leute, mit ihren in guten Jahren dank vieler Überstunden sechsstelligen Jahreslöhnen waren nur zu Besuch in der Mittelklasse. Und in den USA, einer Nation ohne wirkliches soziales Sicherheitsnetz, wird man nicht aufgefangen, wenn es "schief" geht. Erkauft wurde der Platz an der Sonne durch relative Gefügsamkeit. Die UAW zog mit, wenn die Konzernführung einen Benzinfresser nach dem anderen vom Band rollen ließ und gegen Umweltrichtlinien mobil machte, die striktere Benzinverbrauchsrichtlinien festgesetzt hätten. Man hielt sich politisch zurück beim Kampf um eine verbesserte Krankenversicherung. Man unterzeichnete Zweistufen-Tarifverträge. Wer neu eingestellt wurde, kriegte nur halb so viel. Und die großen Drei - GM, Chrysler und Ford - ließen PKW-Teile zunehmend von gewerkschaftsfreien Zulieferern herstellen. Jetzt aber stehen viele Firmen in diesem komplizierten Netzwerk der Zulieferer und Subzulieferer vor dem Aus. Was gut ist für GMUnd in all den Jahren wurden die guten Jobs immer weniger: Wie das Center for Labor Renewal nachrechnete, arbeiteten Ende der siebziger Jahre 450.000 UAW-Mitglieder bei GM, heute sind es nurmehr gut 60.000. Die Einladungen zur Mittelklasse werden rückgängig gemacht. Und die "guten alten Zeiten" können nicht wiederkommen, in denen man in Detroit selbstbewusst sagen konnte: "Was gut ist für General Motors, ist auch gut für Amerika". Der Spruch kam 1953 vom damaligen GM-Präsidenten Charles Wilson, der dann Präsident Eisenhowers Verteidigungsminister wurde. Ein paar Jahre später übernahm Robert McNamara diesen Posten, der Chef von Ford: Die Führer der Automobilindustrie waren zumindest die Halbgötter im amerikanischen Pantheon. Heutzutage wagen die Chefs es nicht einmal mehr, per Privatflugzeug von Detroit nach Washington zu reisen. Aus Angst vor Presseberichten über die Opulenz, die sich eine marode Industrie leistet. Obama hat im Wahlkampf viel von "grünen Jobs" gesprochen, von Innovation und dem Aufbau neuer Industrien, die helfen werden, den Klimawandel anzugehen. Doch die Reaktionen auf die Autokrise lassen wenig von Aufbruch erkennen, sie sind so halbherzig wie Obamas Haltung zur CIA-Folterpolitik. Man kleckert und nimmt noch immer Rücksicht auf die Männer in den Büros mit den großen Fenstern, die eine ganze Branche in die Misere getrieben haben. Ein wirklicher Aufbruch wäre eine radikale, staatlich koordinierte und subventionierte Politik zum rapiden Aufbau von Werken, die Elektroautos, Windturbinen, Solaranlagen, effiziente Kühl- und Heizanlagen produzieren. Diesmal nicht Schwerter zu Pflugscharen, sondern Hummer zu Windturbinen. Das mag sich fantastisch anhören, ist aber nicht fantastischer als der Glaube an derzeitige Sanierungskonzepte. Es gibt einen Präzedenzfall für Radikales: Anfang der vierziger Jahre wandelte sich die US-Autoindustrie über Nacht zur Rüstungsindustrie. In Detroit rollten Tausende Langstreckenbomber und in einer Fabrik 1.000 Panzer im Monat von den Fließbändern. Quelle: der FREITAG vom 28.04.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags. 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