Israel: Netanyahu spielt auf ZeitKurz nach Obamas Kairo-Rede hat Israels Premier einen Palästinenser-Staat in Aussicht gestellt. Aber über die Bedingungen kann eigentlich kein Palästinenser verhandeln
Von Lutz Herden Man kann sich kaum erinnern, ob es jemals derartige Gegensätze zwischen einem israelischen Premier und einem amerikanischen Präsidenten gegeben hat. Höchstens während der Suez-Krise 1956, doch die ist lange vorbei. Jetzt hat Benjamin Netanyahu mit seiner Rede an der Bar-Ilan-Universität von Tel Aviv zwar so getan, als wollte er Barack Obama entgegenkommen, tatsächlich jedoch ist das Gegenteil der Fall. Ein demilitarisierter Palästinenser-Staat, wie ihn sich Israels Premier vorstellt, ist ein entmündigter Staat unter israelischer Aufsicht. Kein palästinensischer Politiker wird darüber verhandeln. Ein Palästinenser-Staat ohne Ost-Jerusalem ist ein geköpfter Staat, auch dafür wird kein Palästinenser die Hand heben. Und Siedlungen, die in "ihrem natürlichen Wachstum" (Netanyahu) nicht aufgehalten werden sollen, sind die beste Verhandlungsbremse, die man durchtreten kann. Wenn das Weiße Haus in einer ersten Reaktion so tut, als habe sich Netanyahu bewegt, obwohl er die Palästinenser nach allen Regeln der Kunst brüskiert, dürfte das dem Bemühen geschuldet sein, aus der Beziehungskrise keinen handfesten Krach werden zu lassen. Gewiss muss der israelische Regierungschef auch auf die Rechtsaußen-Falken seiner Koalition Rücksicht nehmen. Entscheidend aber bleibt, Netanyahus Vorstellungen provozieren nicht nur. Sie düpieren die moderaten, dialogwilligen Politiker der Autonomiebehörde um Präsident Mahmud Abbas. Sie stärken in der Konsequenz die Radikalen von der Hamas bis zum Islamischen Dschihad, die davon überzeugt sind, mit Israel ließe sich derzeit nicht verhandeln. Von gleich zu gleich schon gar nicht. Wie schon seine Vorgänger Sharon und Olmert sorgt auch Benjamin Netanyahu dafür, dass die Hamas im innerpalästinensischen Konflikt gegenüber der Fatah argumentativ aufmunitioniert wird und ihr Feindbild weiter pflegen kann. Über die Folgen muss nicht lange meditiert werden. Wer in einem Moment der Erwartung, in den Obamas Kairo-Rede die arabische Welt versetzt hat, so redet, wie es der israelische Regierungschef getan hat, der will keine Versöhnung. Der setzt auf Konfrontation und schließt neue bewaffnete Konflikt nach dem Muster des Gaza-Krieges vom Januar nicht aus. Sollte es dazu kommen, wäre schon der Gedanke an israelisch-palästinensische Verhandlungen obsolet. Auch eine US-Regierung müsste dann wieder zugestehen, dass Israels Sicherheit über allem steht, nicht aber die Notwendigkeit, endlich auch den Palästinensern ein staatliches Existenzrecht zu verschaffen. Netanyahu wird wissen, dass er das Weiße Haus nur in Maßen unter Druck setzen kann. Er weiß aber auch, Obama ist bei drei explosiven Konflikten mit neuer Road Map und hohem Risiko unterwegs - in Sachen Iran, im Irak und in Afghanistan. Überall kann er aus dem Tritt kommen und seinen Zeitplan korrigieren oder gar aufgeben müssen, der ohnehin knapp kalkuliert ist. Er reicht - vorerst - bis Januar 2013, dem Ende der Amtszeit dieses Präsidenten. Solange wird Netanyahu auf Zeit spielen. Er hat gerade damit begonnen. Quelle: der FREITAG vom 15.06.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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