Gewaltfreie Akteure im palästinensischen Widerstand (II)Zum 20. Jahrestag seiner Gründung hat der Bund für Soziale Verteidigung vom 20.-22. März 2009 unter dem Titel "Gewaltfrei gegen Besatzung" zu einem Erfahrungsaustausch über gewaltfreien Widerstand gegen Besatzungsregime nach Minden eingeladen. Das Besondere an dem Beitrag Annika Müllers war, dass sie nicht eine begrenzte Erfahrung aus dem Irak, aus Afghanistan oder dem Sudan vortrug, sondern aufgrund von Interviews ein umfassendes Bild der Aktivitäten und Konzepte von dezidiert gewaltfreien palästinensischen Akteuren vermitteln konnte. Ihr Vortrag basierte auf einer Masterarbeit in englischer Sprache. Die Zeitschrift "Gewaltfreie Aktion. Vierteljahreshefte für Frieden und Gerechtigkeit" wird in Heft 156/57 (voraussichtlich im September 2009) die um einführende theoretische Teile gekürzte Übersetzung veröffentlichen. Wir dokumentieren das englische Original zum Download als PDF-Datei und die von der Autorin besorgte und von Theodor Ebert bearbeitete deutsche Fassung in zwei Teilen.
Gewaltfreie Akteure im palästinensischen Widerstand (Teil II)Von Annika Müller Mobilisierung(Fortsetzung von Teil I ) Sabeel betont zwei Botschaften; die eine ist, dass es genug Leid gegeben habe, die andere, dass sich etwas an der Situation ändern müsse. Sabeel nutzt diese Botschaften, da die Programme der Organisation auf den Bedürfnissen der Menschen basieren und da diese Botschaften eine christliche Zielgruppe ansprechen. Zoughbi Zoughbi wies darauf hin, dass eine unterschiedliche Terminologie genutzt werden sollte, je nachdem, an wen man sich wende. Spreche er in einer Kirche, wende er sich an seine Zuhörer als Christen, bei einer öffentlichen Veranstaltung wende er sich unspezifisch an die Menschen an sich; und kämen bei einem Treffen Muslime, Christen und Juden zusammen, wende er sich an sie als die Abkömmlinge Abrahams. Eine inklusive Terminologie sei wichtig, um das jeweilige Publikum zu erreichen. Die befragten Personen hätten darin übereingestimmt, dass Slogans wie "Genug Blut!" oder "Beendet die Besatzung!" mittlerweile ihre Zugkraft verloren hätten. Combatants for Peace hat die Erfahrung gemacht, dass Berichte über persönliche Erfahrungen besonders wirkungsvoll sind, wenn es darum geht, Menschen davon zu überzeugen, sich am gewaltfreien Widerstand selbst zu beteiligen. Sami Awad argumentierte: "Die Palästinenser sind die Slogans leid. Seit mehr als 40 Jahren haben wir nichts als Slogans und Worte von den Politikern, von den Militärs und auch von den Anführern des gewaltlosen Widerstandes gehört. Mittlerweile treffen diese Slogans auf taube Ohren." Nichtsdestotrotz hofft er, dass ein Slogan, der zu Gleichberechtigung zwischen Palästinensern und Israelis, zwischen Christen, Muslimen und Juden, aufruft, Erfolg haben könnte, wenn auch eher auf der internationalen Ebene als auf der lokalen Ebene. Er nannte das Beispiel Südafrika, wo der am meisten genutzte Slogan nicht etwa zum Widerstand oder zum Ende von Apartheid aufrief, sondern zu Gleichberechtigung, und zwar mit "One person, one vote". Ein weiterer Slogan, der das Potential hat, Menschen zu mobilisieren, ist "Smarter without violence". Dies ist der Titel einer Kampagne, die von MEND ins Leben gerufen wurde. Die Organisation wendet verschiedene Wege an, um den Slogan bekannter zu machen; neben Plakaten, Aufklebern und T-Shirts gehört dazu auch eine Webseite. Alle diese Maßnahmen sollen Interesse wecken und ein Bewusstsein für Gewaltfreiheit entwickeln, um darauf aufbauen und eine Kampagne starten zu können. MedienDie hier vorgestellten palästinensischen Organisationen versuchen nicht nur, die palästinensische Bevölkerung für den gewaltfreien Widerstand zu mobilisieren. Sie versuchen auch, internationale Medien dazu zu bewegen, über diesen gewaltfreien Widerstand zu berichten. Sabeel und MEND versuchen dies zu erreichen, indem sie Zweigstellen ihrer jeweiligen Organisationen im Ausland gegründet haben. Sabeel hat ein internationales Netzwerk von lokalen Friends of Sabeel errichtet. Diese tragen dazu bei, dass die Aktivitäten von Sabeel auch im Ausland Beachtung finden. Davon abgesehen betreiben sie auch Lobbyarbeit bei ihren jeweiligen Kirchen, damit diese wiederum Lobbyarbeit bei ihren jeweiligen Regierung leisten. MEND hat eine sehr aktive Zweigstelle in Großbritannien, die viele Veranstaltungen organisiert. Über diese wird dann in den britischen Medien berichtet, so dass die Organisation bekannter wird. MEND veröffentlicht außerdem den Newsletter "The Phoenix", in welchem die gewaltfreien Aktivitäten sämtlicher palästinensischer Organisationen aus diesem Bereich aufgelistet werden. Viele der hier vorgestellten Organisationen sind außerdem Mitglied in internationalen Netzwerken, wie der International Fellowship of Reconciliation, Nonviolent Peaceforce oder The Global Partnership for the Prevention of Armed Conflict. Durch ihre Mitgliedschaft in diesen Netzwerken können sie auf ihre Arbeit aufmerksam machen. Ein weiterer Weg, auf die eigenen Aktivitäten und den gewaltfreien Widerstand in Palästina aufmerksam zu machen, ist es, im Ausland Vorträge zu halten. Solche Vortragsreisen werden oft von Universitäten, NGOs oder religiösen Gemeinschaften organisiert, die dann Vertreter palästinensischer Organisationen einladen. Holy Land Trust hat sogar eine eigene Nachrichtenagentur gegründet, das Palestine News Network (PNN). Man nahm an, dass dies eher zum Erfolg führen würde, als wenn man versuchen würde, die Presse dazu zu bewegen, über die eigenen Aktivitäten zu berichten. "Das Palestine News Network greift alle Nachrichten auf, aber wir bevorzugen Nachrichten, die über gewaltfreie Aktionen und den Aufbau sozialer Netzwerke berichten. Wir bieten unsere Informationen auch anderen Nachrichtenagenturen an. Mittlerweile bekommen wir Anrufe von anderen Agenturen, die Nachrichten oder Berichte von uns bekommen möchten, oder die sich bestätigen lassen wollen, dass bestimmte Aktivitäten stattgefunden haben. Wir haben es geschafft, Vertrauen aufzubauen. Auf lokaler Ebene bieten wir unsere Nachrichten einem Netzwerk von Radio- und Fernsehsendern an. Im Westjordanland und im Gazastreifen gibt es zwölf Radiosender, die sich unserer Nachrichten bedienen. Jede Stunde bieten wir eine Zusammenfassung der Nachrichten mit einem Fokus auf gewaltfreie Aktionen; und wir haben zwei Radioprogramme, die wir anbieten. Eines für Frauen, um Frauen in der Gesellschaft zu stärken, und eins für Kinder, über die Rechte von Kindern in der Gesellschaft. Diese Programme werden ebenfalls von den Radiosendern gesendet." (Sami Awad) FrauenDa Frauen - insbesondere in traditionellen Gesellschaften - meistens diejenigen sind, welche die Kinder erziehen, kommt ihnen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Gewaltfreiheit zu. Wenn man Frauen in Schulungen zu Gewaltfreiheit einbezieht, kann man die ganze Familie erreichen. Viele der hier vorgestellten Organisationen führen deshalb Programme speziell für Frauen durch, nicht nur um ihnen die Prinzipien der Gewaltfreiheit nahe zu bringen, sondern auch um ihre Position in der Gesellschaft zu stärken. Konzentriert man sich in der Arbeit jedoch zu stark auf die Frauen, läuft man Gefahr, dass man die politisch Entscheidenden nicht erreicht. Lucy Nusseibeh meint, dass man Gender-Aspekte nicht zu sehr betonen dürfe, wenn man Breitenwirksamkeit anstrebe. KooperationEs gibt bereits Versuche, die Kooperation zwischen palästinensischen Organisationen im Bereich Gewaltfreiheit zu stärken. Sabeel hat beispielsweise zusammen mit anderen christlichen Gruppen ein Konzert veranstaltet, um 60 Jahre Nakba zu begehen. Generell kooperiert Sabeel allerdings nur mit christlichen Gruppen. Nafez Assaily hält die Kooperation der gewaltfreien palästinensischen Organisationen für dringend geboten, aber die Gruppen zu vernetzen sei schwierig. Bei dieser Vernetzung müsse eine Organisation die Führung und die Verantwortung übernehmen. Sami Awad stimmte dem zu: "Die gewaltfreien Gruppen haben sich auf gemeinsame Ziele noch nicht geeinigt. Der Begriff Gewaltfreiheit wird von den verschiedenen Organisationen aus unterschiedlichen Gründen benutzt. Es gibt zum Beispiel Organisationen, die mit Gewaltfreiheit den Dialog mit israelischen Gruppen bezeichnen. Und dann gibt es Gruppen, die mit dem Wort Gewaltfreiheit das beschreiben, was ich direkte Konfrontation nennen würde. Unter Gewaltfreiheit kann man sehr viel verstehen, und das führt zur Verwirrung. Obwohl wir praktisch nur wenig Kontakt zu israelischen Gruppen haben, wirft man uns dennoch ständig vor, dass wir die Beziehungen zu Israel normalisieren wollten."Man weiß auch aus anderen besetzten Gebieten, dass diejenigen, welche die Besatzer nicht als hassenswerte Feinde behandeln, verdächtigt werden, mit dem Feind zu kollaborieren bzw. auf der privaten Ebene mit ihm zu fraternisieren. Es scheint, dass Kooperation wesentlich einfacher ist, wenn es darum geht, Aktionen zu planen, wie beispielsweise Demonstrationen gegen den Bau der Sperranlage. Schwieriger wird es, wenn es darum geht, eine Strategie für die Zukunft des gewaltfreien Widerstands in Palästina zu entwickeln. So kooperieren sowohl das Centre for Rapprochement between People als auch Friends of Freedom and Justice Bil’in mit den nationalen Komitees bei der Durchführung gewaltfreier Aktionen. Die befragten Personen waren sich alle darin einig, dass Kooperation wichtig ist, um den gewaltfreien Widerstand in Palästina zu stärken. Im Sommer 2007 veranstaltete MEND deswegen eine eintägige Konferenz zu diesem Thema. Die Teilnehmer der Konferenz kamen zu dem Schluss, dass Kooperation notwendig sei. MEND versucht dies unter anderem durch die Kampagne Smarter without Violence zu erreichen. Teil der Kampagne ist eine Webseite, die von allen beteiligten Organisationen genutzt werden kann, um Informationen über ihre Aktivitäten weiterzugeben. Außerdem veröffentlicht MEND - wie bereits erwähnt - einen Newsletter, in welchem die Aktivitäten verschiedener Organisationen dargestellt werden. George Rishmawi erklärte, dass es auch Versuche gegeben habe, ein Komitee zu gründen, das als Plattform für die Mitarbeiter von Organisationen dienen sollte. Es sollte den Informationsaustausch fördern und der Planung gemeinsamer Aktionen dienen. Der Plan wurde aber wieder aufgegeben, weil kein Geld da war und es auch an einsatzbereiten Personen fehlte. Erschwert die Kooperation aber insbesondere durch die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Ein Treffen kann daran scheitern, dass die eine Organisation ihren Sitz in Jerusalem hat und die andere im Westjordanland. Noch schwieriger, wenn nicht unmöglich ist es, Organisationen aus dem Gazastreifen mit Organisationen aus Jerusalem oder dem Westjordanland zusammen zu bringen. Umgehen lassen sich diese Hindernisse durch Videokonferenzen. Diese sind jedoch kostspielig und es bedarf einer gewissen technischen Ausrüstung und des erforderlichen Know-hows. Und nicht zuletzt darf nicht mitten in der Konferenz der Strom ausfallen. Lucy Nusseibeh glaubt, dass es aber nicht nur die praktischen und logistischen Schwierigkeiten sind, die eine Kooperation verhindern. Die Organisationen konkurrieren untereinander um Spendengelder, und man befürchtet mitunter auch, von einer anderen Organisation bevormundet zu werden. Aus Sicht von Lucy Nusseibeh gelingt die Kooperation auf der Ebene des Informationsaustausches noch am besten. Wenn es um die Kooperation mit israelischen Gruppen geht, wird es noch komplizierter, einerseits wegen der eingeschränkten Bewegungsfreiheit der Palästinenser und der damit verbundenen Schwierigkeit, einen Ort zu finden, an dem man sich treffen kann, und andererseits wegen der Befürchtung einiger palästinensischer Organisationen, der "Normalisierung" der Beziehungen mit Israel verdächtigt zu werden. "Manchmal gibt es Organisationen auf der israelischen Seite, die gute Beziehungen zur israelischen Regierung haben. Wenn sie uns einladen, sagen sie ‘Wir besorgen Euch Genehmigungen’ und sie können dann auch tatsächlich Genehmigungen besorgen, aber das gefällt mir nicht, denn Frieden und Gewaltfreiheit und gemeinsame Projekte bedürfen keiner Genehmigungen, die einen Tag lang gültig sind. Wir hätten lieber Bewegungsfreiheit." (Zoughbi Zoughbi) Im Großen und Ganzen wurde übereinstimmend gesagt, dass die Kooperation mit israelischen Organisationen in den Jahren direkt nach dem Oslo-Abkommen einfacher war. Zu dieser Zeit fanden besonders viele gemeinsame Trainings für Israelis und Palästinenser statt. Mit Beginn der al-Aqsa Intifada endeten diese gemeinsamen Trainings. Diejenigen israelischen Organisationen, die nach wie vor mit palästinensischen Organisationen kooperieren, insbesondere bei Demonstrationen, aber auch bei Konferenzen, sind Anarchists against the Wall, Bet Shalom, The Israeli Committee against House Demolitions, Rabbis for Human Rights, Ta’yush, New Profile und Breaking the Silence. Und es gibt noch einige weitere,. Diese Organisationen werden von palästinensischer Seite oft als Gruppen betrachtet, die sich für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen. Damit diese Kooperation Früchte tragen kann, sei es laut Eyad Bornat wichtig, "mit Organisationen zu arbeiten, die bereit sind, sich an der Basis der Gesellschaft engagieren". Diese Kooperation zwischen israelischen und palästinensischen Organisationen hat nicht das Ziel, den Konflikt auf der politischen Führungsebene zu regulieren. Das Ziel ist vielmehr, israelische und palästinensische Gruppen in Aktionen zusammenzuführen, welche die israelische Besatzung beenden sollen. "Wir diskutieren mit israelischen Gruppen nicht die politischen Probleme von Palästinensern und Israelis; wir führen keine politischen Verhandlungen. Wir diskutieren mit israelischen Gruppen die Aktionen und die Methoden, die geeignet sind, die Besatzung zu beenden." (Sami Awad) Für die hier erwähnten israelischen und palästinensischen Gruppen ist die Beendigung der Besatzung eine Voraussetzung dafür, dass man aussichtsreiche politische Gespräche führen kann. Nur ein Dialog unter Gleichberechtigten kann in ein politisches Abkommen münden. Lucy Nusseibeh hebt hervor. "Ich arbeite gern mit israelischen Organisationen zusammen, die auf der Basis von echter Gleichberechtigung arbeiten wollen. Doch man muss vorsichtig sein. Man muss die Anträge gemeinsam entwickeln, ohne dass die andere Seite etwas diktiert." Dort wo Kooperation zwischen israelischen und palästinensischen Gruppen tatsächlich stattfindet, gibt es erstaunlich wenige Schwierigkeiten. Osama Abu Karsh von Combatants for Peace hob hervor, dass das Engagement israelischer Gruppen sehr geschätzt würde, insbesondere bei Aktionen, in welche die israelischen Gruppen ihre Erfahrungen einbringen und auch zusätzliche Teilnehmer engagieren. Aus seiner Sicht können Israelis auch effektiver mit israelischen Siedlern umgehen. Eyad Bornat von Friends of Freedom and Justice Bil’in ist überzeugt, dass die Kooperation mit israelischen Gruppen auch deshalb so gut funktioniert, weil von Anfang an deutlich gemacht worden ist, dass die Israelis, die nach Bil’in kommen, dies als Unterstützer des Dorfes und des gewaltfreien Widerstandes tun , nicht jedoch als Anführer. Der Protest soll immer von der lokalen palästinensischen Bevölkerung angeführt werden. Zoughbi Zoughbi wies darauf hin, dass man bei gemeinsamen Projekten oder Aktivitäten immer Folgendes bedenken müsse: "Verkürzen wir in einer solchen Beziehung mit israelischen Organisationen die israelische Besatzung? Mindern wir die Gewalt? Bringen wir bessere Beziehungen zustande? Gebe ich der anderen Seite ein menschliches Gesicht? Gibt die andere Seite mir ein menschliches Gesicht? Erschaffe ich unter meinen Kindern, unter meinen Mitmenschen eine Kultur der Akzeptanz?" (Zoughbi Zoughbi) Während die Kooperation mit israelischen Organisationen also noch verbessert werden könnte, funktioniert die Kooperation mit internationalen Aktivisten und Organisationen bereits sehr gut. Ihr Engagement wird sehr geschätzt. Es wird verstanden als Zeichen der Solidarität. Es gibt den Palästinensern das Gefühl, nicht allein zu kämpfen. Die Mehrheit der befragten Akteure gab an, dass internationale Aktivisten, die nach Palästina kommen, um dort an gewaltfreien Aktionen teilnehmen und das Leben der Palästinenser aus erster Hand zu erleben, eine wichtige Rolle spielen, wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehren. Dort können sie als Botschafter für die Palästinenser Lobbyarbeit leisten und ihre Erfahrungen mitteilen. Die Teilnahme internationaler Aktivisten hat eine Zeit lang das israelische Militär auch bei der Anwendung von Gewalt gebremst. Nach dem Tod von Rachel Corrie und Tom Hunter und mit der Verletzung zahlreicher anderer internationaler Aktivisten kann man sich auf diese Wirkung nicht mehr verlassen. Trotzdem kommt internationalen Aktivisten nach wie vor eine wichtige Rolle zu. Eyad Bornat erklärte, dass Videoaufnahmen, die internationale Teilnehmer bei Demonstrationen aufnehmen, vor Gericht als Beweismittel verwendet werden können, um palästinensische Demonstranten zu entlasten. Als Beispiel nannte er einen palästinensischen Demonstranten, der während einer Demonstration festgenommen und beschuldigt wird, Steine auf israelische Soldaten geworfen zu haben. Eine Videoaufzeichnung der Demonstration könnte das Gegenteil beweisen. Sowohl George Rishmawi als auch Lucy Nusseibeh gaben zu bedenken, dass internationale Aktivisten sehr genau abwägen sollten, ob sie an gewaltfreien Protesten in Palästina teilnehmen möchten: "Ich glaube nicht, dass irgendjemand sein Leben riskieren sollte, insbesondere in dieser chaotischen Situation, in der viele Dinge nicht einmal wahrgenommen, geschweige denn wertgeschätzt werden. Zeitweise war es für internationale Aktivisten sehr gefährlich, hierher zu kommen." (Lucy Nusseibeh) Eyad Bornat ist überzeugt, dass internationale Aktivisten über die Teilnahme an Demonstrationen hinaus den gewaltfreien Widerstand in Palästina unterstützen können und zwar mit Geld, mit Trainings und mit der Mobilisierung von Menschen, die sich darauf vorbereiten, nach Palästina zu reisen. Ausländische Beobachter können Informationen über die örtliche Lage verbreiten; sie können die Medien ersuchen, bei ihrer Berichterstattung auch den Palästinensern gerecht zu werden und sie können bei ihren eigenen Regierungen als Lobbyisten tätig werden, damit diese von Israel die Beachtung der Menschenrechte und des Völkerrechts verlangen. Ausländische Besucher können anschließend Vortragsreisen von Palästinensern organisieren. So könnte ein anderes Bild der Palästinenser in den Medien entstehen. Sami Awad hält dies für sehr wichtig: "Fox News könnte fünf Jahre lang auf Sendung gehen, ohne auch nur ein einziges Mal über die Palästinenser zu berichten. Und wenn du nach diesen fünf Jahren einen Amerikaner fragen würdest, würde er immer noch steif und fest behaupten, dass die Palästinenser Terroristen und Mörder seien, die jeden einzelnen Juden töten wollen." Sami Awad betont, dass internationale Aktivisten nicht immer nur für Gewaltfreiheit plädieren, sondern auch ganz deutlich darauf hinweisen sollten, dass in den Wohngebieten der Palästinenser eklatante Ungerechtigkeiten stattfinden und dass den Palästinensern ganz fundamentale Rechte vorenthalten werden. Die befragten Akteure stimmten alle überein, dass internationale Aktivisten und Organisationen den gewaltfreien Widerstand in Palästina auch dadurch stärken könnten, dass sie den Palästinensern ihre Informationen über gewaltfreie Aktionen an anderen Orten und zu anderen Zeiten vermitteln. Zoughbi Zoughbi meinte, vom Fall der Berliner Mauer könnten auch die Palästinenser lernen. Andererseits hoffte Lucy Nusseibeh, dass Palästinenser auch die Möglichkeit erhalten würden, im Ausland Trainingsangebote zu machen. Sie können auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen und könnten so dazu beitragen, dass andere Gruppen sich ihrerseits gewaltfrei engagieren. Solche Auftritte als Trainer im Ausland würden deutlich machen, dass es unter den Palästinensern selbstständig agierende Kenner der gewaltfreien Methoden gibt. Einig waren sich die Befragten auch bei der Einschätzung des Boykotts und der Verweigerung von Investitionen bzw. des Abzugs bereits getätigter Investitionen. Sabeel hat die Broschüre A Call for Morally Responsilbe Investment: A Nonviolent Response to the Occupation veröffentlicht. In dieser Broschüre ruft Sabeel insbesondere die Kirchen dazu auf, kein Geld in Firmen zu investieren, die:
Der Aufruf zu einem Boykott oder zur Verweigerung von Investitionen wird nicht nur von palästinensischen Gruppen unterstützt, sondern auch von internationalen Gruppen, unter denen sich auch jüdische Gruppen befinden. Die US-amerikanische Organisation Jewish Voices for Peace erklärt: "Wir von Jewish Voices for Peace unterstützen das Abziehen von Kapital (Desinvestition)Desinvestition bedeutet, Investitionen aus israelischen oder amerikanischen Firmen abzuziehen, die von der Besatzung profitieren. Die Divest from Israel Kampagne wurde 2001 von mehreren Universitäten in den USA gegründet. Zu diesen Universitäten gehören Harvard, das Massachusetts Institute of Technology, Princeton, und andere. Mitarbeiter der Universitäten rufen diese mit Petitionen dazu auf, ihre Investitionen aus Israel abzuziehen. Laut einem Bericht aus dem Jahr 2002 hat die Universität Harvard beispielsweise $600 Millionen in Israel investiert. (Rubenberg 2003, 412-413) aus Firmen, die von Israels Besetzung der Westbank, des Gazastreifens und Ostjerusalems profitieren. Dazu gehören amerikanische Firmen wie Caterpillar, die von der kompletten Zerstörung palästinensischer Häuser und Obstgärten profitieren. Dies schließt ebenfalls israelische Firmen ein, die für Material oder Arbeitskraft von Siedlungen abhängig sind oder die militärische Ausrüstungsgegenstände herstellen, die benutzt werden, um die Menschenrechte der Palästinenser zu verletzen." (Sabeel 2005, 15) In Europa und in den USA ist der Aufruf zum Boykott israelischer Produkte oder der Aufruf für eine moralisch verantwortungsvollere Investition in Israel sehr umstritten. Die befragten Akteure wussten darum. Sie stimmten darin überein, dass ein Aufruf zum Boykott oder zu einer Desinvestitions-Kampagne sehr vorsichtig und wohlüberlegt formuliert und sehr spezifisch sein müsse. Der Fokus müsse darauf liegen, die Besatzungsregime zu boykottieren, nicht jedoch Israel. Trotz dieser Vorbehalte waren sich alle befragten Akteure einig, dass ein Boykott oder eine Desinvestitions-Kampagne zu befürworten sei. Zoughbi Zoughbi sieht in beiden Maßnahmen eine Möglichkeit, die Palästinenser zu unterstützen. "Man sollte Investitionen dort beenden, wo sie die Besatzung verlängern. Schau, wie vorsichtig ich diese Worte formuliert habe. Ich meine also: Desinvestition überall dort, wo der Kapitalfluss die Besatzung und die Ungerechtigkeiten verlängert. Wenn es Menschen gibt, die in Tel Aviv eine Klinik für arme Kinder unterstützen wollen, für Kinder, die an Krebs erkrankt sind, dann bitte ich natürlich nicht darum, dieses Vorhaben zu boykottieren oder Investitionen zurückzuziehen. Aber wenn ich sehe, wie ein Bulldozer der Marke Caterpillar meine Bäume entwurzelt, dann rufe ich natürlich zu Desinvestition auf." Nafez Assaily von der Library on Wheels for Nonviolence and Peace hält es für richtig, dass die Palästinenser selbst bestimmte israelische Produkte boykottieren, obwohl er den Begriff "Boykott" nicht für ganz passend hält. Die Library on Wheels for Nonviolence and Peace führt eine Kampagne durch, in der die Palästinenser aufgerufen werden, möglichst nur vor Ort erzeugte palästinensische Produkte zu essen und zu trinken. Sami Awad hält dies für schwierig, weil der palästinensische und der israelische Markt in erheblichem Maße miteinander verknüpft bzw. voneinander abhängig seien. Statt eines Boykotts israelischer Produkte befürwortet Sami Awad den Boykott israelischer Universitäten und Professoren durch internationale Einrichtungen. Britische Universitäten wurden hier zu Vorreitern.Der kulturelle und akademische Boykott Israels begann an britischen Universitäten, hat mittlerweile aber auch andere Länder erreicht. Mit diesem speziellen Boykott soll verhindert werden, dass israelische Akademiker, Künstler und Musiker am akademischen oder künstlerischen Leben europäischer oder US-amerikanischer Universitäten teilhaben können. Dieser Boykott wird damit begründet, dass Israel ein demokratischer Staat sei und dass Israels Bürger - also auch Israels Akademiker, Künstler und Musiker - eine Mitverantwortung für das Handeln der israelischen Regierung gegenüber der palästinensischen Bevölkerung haben. (Rubenberg 2003, 413) Aus Awads Sicht ist dieser Boykott sehr spezifisch und auf eine bestimmte Zielgruppe gerichtet und er bedroht nicht die ganze israelische Gesellschaft per se. "Zur Idee von Gewaltfreiheit gehört auch, den Zusammenhalt der Unterdrücker zu untergraben. Sie sollen ihre Rolle im System in Zweifel ziehen. Wir möchten, dass die Israelis selbst aufhören, tragende Säulen des Systems zu sein. Darum müssen wir ganz bestimmte Personen, Gruppen und Problemfelder ins Auge fassen." Lucy Nusseibeh lehnt dies ab: "Ich bin gegen den Boykott akademischer und kultureller Einrichtungen, denn es sind gerade die Akademiker, die uns am meisten unterstützen. Gerade sie begreifen die ganze Situation. Ich denke, es wäre schade, wenn man sie vor den Kopf stoßen würde oder wenn man ihnen das Gefühl geben würde, dass man sie ausgrenzen wolle. Ich denke es ist besser, Waren zu boykottieren. Insbesondere bei Waren aus den Siedlungen wäre das sinnvoll, denn ich glaube nicht, dass die Menschen wirklich richtig verstehen, was eine Siedlung ist. So könnte der Boykott zur Aufklärung genutzt werden." Die wichtigste Frage bleibt: Wie kommt Israel zu der Einsicht, dass das Besatzungsregime über die palästinensischen Gebiete im Gegensatz zu Israels eigenen Interessen steht. Wie auch immer der gewaltfreie Druck ausgeübt wird, er darf den Extremisten in Israel keine Gelegenheit geben, den Boykott oder die Desinvestitions-Kampagne als Vorwand zu nutzen, die israelische Gesellschaft zu radikalisieren und so zu einer Verschärfung des Umgangs mit den Palästinensern beizutragen. Erfolge und EinschränkungenWenn man sich vor Augen führt, dass es mehrere Organisationen in Palästina gibt, die sich speziell dem gewaltfreien Widerstand verpflichtet haben und in diesem Bereich seit mindestens einem Jahrzehnt tätig sind, dann stellt sich die Frage, welche Erfolge es mittlerweile vorzuweisen gibt bzw. wo möglicherweise die Grenzen des gewaltfreien Widerstandes gegen die israelische Besatzung liegen. Auch ohne eine genauere Kenntnis der gewaltfreien Szene in Palästina lässt sich leicht feststellen, dass das Ziel des gewaltfreien Widerstandes, nämlich die Beendigung der israelischen Besatzung, nicht erreicht wurde. Es kann also lediglich Teilerfolge auf dem Weg zu diesem letzten Ziel gegeben haben. Die Mehrheit der befragten Akteure verweist in der Zwischenbilanz darauf, dass die meisten Palästinenser trotz der überwältigenden Schwierigkeiten, denen sie tagtäglich gegenüber stehen, eben nicht zu Gewalt gegriffen hätten. Das sei ein Erfolg. Ferner sei in der Welt das kritische Bewusstsein für die Bedeutung des israelisch-palästinensischen Konflikts gewachsen. Hoffnungsvoll stimme auch, dass es mittlerweile israelische Stimmen gibt, die sich mehr gewaltfreien Widerstand von Seiten der Palästinenser wünschen. Alle Befragten stimmten überein: Seit dem Beginn des gewaltlosen Widerstandes im Jahre 1987 habe sich das Bild der Palästinenser in den Augen der Weltöffentlichkeit geändert und zwar zu deren Gunsten.. "Diese Veränderung der Wahrnehmung hält an."(Lucy Nusseibeh) Vergleicht man die Intifada von 1987 mit dem heutigen Widerstand, kommt man zu dem Schluss, dass es wohl einzig die Bewohner von Bil’in und deren Unterstützer sind, die einen ähnlichen Erfolg vorzuweisen haben. Sie haben es geschafft, eine gewaltfreie Protestbewegung über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg aufrecht zu erhalten. Es ist ihrem ununterbrochenen Kampf zu verdanken, dass das Oberste Israelische Gericht entschieden hat, dass der Verlauf der Sperranlage auf keinen sicherheitspolitischen Notwendigkeiten basiert. Die Sperranlage schneide die Bewohner Bil’ins von ihrem Agrarland ab und der Verlauf der Sperranlage müsse daher geändert werden müsse. Trotz dieser Gerichtsentscheidung wurde der Verlauf der Sperranlage um Bil’in herum bisher nicht verändert. Bis heute ist eine der größten Herausforderungen für die palästinensischen Organisationen, den gewaltfreien Widerstand in den internationalen Medien zu platzieren. Auch hier sind es die Bewohner Bil’ins, die hier die größten Erfolge vorzuweisen haben. Jedes Jahr wird in Bil’in eine Konferenz zum Thema Gewaltfreiheit veranstaltet. An diesen Konferenzen nehmen weltbekannte Aktivisten und Aktivistinnen teil, wie zum Beispiel die Irin Mairead Maguire, die 1976 den Friedensnobelpreis erhielt. Das weckt auch das Interesse der Medien. Eine weitere große Herausforderung ist, dass Gewaltfreiheit selten sofortige, greifbare Ergebnisse zur Folge hat. Dies ist dem Vertrauen in diese Strategie abträglich, aber kenntnisreiche Hinweise auf Erfolge gewaltfreier Bewegungen in anderen Ländern könnten hier ermutigen. Gerne zitiert werden Gandhis und Martin Luther Kings Kampagnen. Eine weitere Herausforderung für Befürworter des gewaltfreien Widerstands in Palästina ist das "Hisbollah-Argument". Seit die Hisbollah durch einen bewaffneten Widerstand zum Abzug der israelischen Armee aus dem Süden des Libanons beigetragen hat (zumindest wird der Abzug der israelischen Armee auch als Folge der Hisbollah-Aktivitäten wahrgenommen) gewinnt der bewaffnete Widerstand auch in Palästina wieder an Gewicht. Wer immer eine gewaltfreie Widerstandsbewegung unter den Palästinensern aufbauen will, muss auf alle diese Herausforderungen eine passende Antwort parat haben oder finden. ReaktionenDie Befragten stimmten darin überein, dass die palästinensische Bevölkerung mit dem Begriff der Gewaltfreiheit häufig ihre Erfahrungen mit dem so genannten Friedensprozess assoziiert. Letzteren betrachtet sie häufig als gescheitert und darum ist sie es auch müde, sich mit dem Konzept der Gewaltfreiheit zu befassen. Weit verbreitet ist die Auffassung, dass trotz des Friedensprozesses mehr Land enteignet wurde, mehr Siedlungen gebaut wurden, mehr Menschen verhaftet und in Gefängnisse gesteckt wurden, und mehr Palästinenser gestorben sind. Omar Harami von Sabeel hält dies für einen der Gründe, dass die Hamas im Januar 2006 bei den palästinensischen Parlamentswahlen erfolgreich war. Auch Zoughbi Zoughbi bestätigte, dass die Palästinenser der Gewaltfreiheit etwas müde geworden seien. Sich für Gewaltfreiheit auszusprechen, sei einigen peinlich. Sie werde als "zu weich" empfunden. Insbesondere wenn es darum gehe, den Bau israelischer Siedlungen zu stoppen, hätten die Menschen das Vertrauen in die gewaltfreie Strategie verloren. So hätte zum Beispiel in direkter Nachbarschaft zu Bethlehem der Ausbau von israelischen Siedlungen trotz gewaltfreier Aktionen nicht verhindert werden können. Auch George Rishmawi bestätigte diese Sichtweise. Seiner Meinung nach gibt es viele Palästinenser, die gewaltfreie Aktionen für reine Zeitverschwendung hielten und die davon überzeugt seien, dass die israelische Seite nur die Sprache der Gewalt verstünde. Daher könne man auch nur mit Gewalt gegen Israel vorgehen. George Rishmawi betonte jedoch auch: "In dem Moment, in dem die Menschen die Gewaltfreiheit als einen Weg des Widerstandes erkennen, akzeptieren sie die Folgen, selbst wenn die Aktionen zu Bestrafungen führen. Die Menschen wissen, dass dies der Preis für den Widerstand ist und bis zu einem gewissen Grad erwarten die Menschen die Strafen, obwohl sie diese natürlich nicht gern sehen; doch sie erwarten, dass sie für den Widerstand einen Preis zahlen müssen." Und der Preis für den gewaltfreien Widerstand ist tatsächlich sehr hoch. Einer der befragten Akteure ist davon überzeugt, dass die israelischen Behörden palästinensische Aktivisten gezielt schikanieren, beispielsweise indem sie ihnen die Genehmigung für Fahrten von der Westbank nach Ostjerusalem verweigern. Lucy Nusseibeh wies auf materielle Benachteiligungen hin. Während der Intifada von 1987 hätten Palästinenser sich geweigert, ihre Nummernschilder nach deren Ablaufen zu erneuern. Die israelischen Behörden hätten daraufhin die Autos mit abgelaufenen Nummernschildern konfisziert. Zoughbi Zoughbi fügte hinzu: "Mit unserem gewaltfreien Widerstand bringen wir die israelische Besatzung in eine peinliche Lage. Sie [die israelische Seite] will härtere Antworten. Sie sieht gerne bewaffnete Männer mit Kapuzen, die schießen. Die israelische Regierung differenziert nicht und manchmal fördert sie sogar eine negative Reaktion anstatt Frieden und Gewaltfreiheit zu fördern." Auch Eyad Bornat wies darauf hin, dass die israelische Seite nicht zwischen Palästinensern unterscheide, die sich in gewaltfreien Protesten engagieren und jenen, die zu den Waffen greifen. Der gewaltfreie Protest in Bil’in sei sofort als terroristische Aktivität klassifiziert worden. Nafez Assaily merkte an, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass das israelische Militär sich über die gewaltfreien Aktivisten lustig machen würde, um sie zu provozieren. Lucy Nusseibeh glaubt ebenfalls, dass das israelische Militär provoziere, um die palästinensischen Demonstranten zu gewalttätigen Reaktion zu verleiten. Mehrere der befragten Akteure wiesen darauf hin, dass die israelische Seite die gewaltfreien Aktionen als Bedrohung ihrer Sicherheit ansehe und als Sabotage der israelischen Sicherheitsbemühungen. Combatants for Peace ruft beispielsweise junge Israelis dazu auf, den Wehrdienst zu verweigern. Die Reaktion darauf sei für gewöhnlich, dass argumentiert wird, der Wehrdienst sei eine patriotische Pflicht und eine Notwendigkeit im Angesicht einer palästinensischen Bevölkerung, die dazu entschlossen sei, alle Israelis zu töten. Sami Awad ist davon überzeugt, dass die Mehrheit der Israelis nicht einmal wisse, dass es in Palästina gewaltfreien Widerstand gibt. Er führt dies zum einen darauf zurück, dass es bisher keine genuine, allumfassende gewaltfreie Bewegung in Palästina gibt, und zum anderen darauf, dass palästinensische Aktionen keine Beachtung in den israelischen Medien finden. "Wenn man die israelische Gesellschaft die Furcht vor den Palästinensern und vor der Gewalt der Palästinenser lehrt, dann hat man ein Instrument zur Kontrolle und zur Mobilisierung. Um die Mauer zu bauen, um mehr Geld für das Militär zu bekommen, um mehr Siedlungen zu errichten, braucht die israelische Regierung die Zustimmung der Israelis. Und der beste Weg, diese Zustimmung zu erhalten, ist die Behauptung, dass die Araber gewalttätig seien und alle Israelis töten wollten." Auf die Frage, wie die palästinensische Autonomiebehörde auf gewaltfreie Aktionen reagiere, gab es unterschiedliche Antworten. Omar Harami argumentierte, dass die palästinensische Autonomiebehörde gewaltfreie Aktionen fördere, indem palästinensischen Organisationen beispielsweise ein gewisser Handlungsspielraum zugestanden würde. Osama Abu Karsh wies außerdem darauf hin, dass Präsident Abbas die Arbeit der Organisation Combatants for Peace durch einen Brief, in dem er seine Unterstützung zum Ausdruck brachte, gewürdigt habe. Sami Awad unterscheidet bei den Mitgliedern der palästinensischen Autonomiebehörde zwischen drei Einstellungen. Die einen würden gelegentlich darüber reden, dass es notwendig sei, den Weg der Gewaltfreiheit einzuschlagen; sie würden aber nichts unternehmen, diesem Lippenbekenntnis auch Taten folgen zu lassen. Dann gebe es diejenigen, die sich über die Theorie und Praxis der Gewaltfreiheit lustig machen würden. Und schließlich gebe es auch noch diejenigen, die befürchten, dass die gewaltfreie Strategie innerhalb der palästinensischen Führung Fuß fassen könnte. Das seien diejenigen, die verstanden hätten, wie viel Kraft in der gewaltfreien Aktion stecke und dadurch auch ihre eigene Position in Gefahr sehen. Letztlich dienten gewaltfreie Aktionen nicht allein dazu, die Besatzung zu beenden sondern auch dazu, eine echte, partizipative Demokratie aufzubauen. Auch in Bezug auf eine Zusammenarbeit zwischen den gewaltfreien Organisationen und den palästinensischen Politikern gab es unterschiedliche Antworten. Die einen meinten, dass dies die Nachhaltigkeit und die Wirksamkeit der Aktionen steigern könnte. Die anderen befürchteten eine Instrumentalisierung der gewaltfreien Akteure; diese liefen Gefahr, ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Politische AnsichtenDie Befragten versuchen nicht, durch ihre Aktivitäten im gewaltfreien Widerstand den Inhalt eines Endabkommens zwischen Israelis und Palästinensern zu beeinflussen. Die Mehrheit betonte jedoch, dass die Beendigung der Besatzung durch den gewaltfreien Widerstand eine Voraussetzung für Verhandlungen sei. "Gewaltfreiheit zu akzeptieren bedeutet, den Menschen dieses Landes die Entscheidung zu überlassen. Menschen können keine solche Entscheidung treffen, während sie unter der Besatzung leben und nicht frei sind. Der erste Schritt muss daher sein, die Ungerechtigkeit und die Unterdrückung der Menschen zu beenden. Dann kann die Zukunft des Landes diskutiert werden, aber eben erst dann, wenn die Menschen als gleichberechtigte Partner an einem Tisch sitzen." (Omar Harami) Auch Sami Awad wies noch einmal eindrücklich darauf hin, dass die Menschen selbst entschieden müssten, welche politische Regelung für sie akzeptabel sei: "Wir glauben nicht, dass Holy Land Trust eine Einstaatenlösung oder eine Zweistaatenlösung oder eine Zehnstaatenlösung befürworten sollte, worüber auch immer die Politiker so reden mögen. Wir versuchen, eine Grundlage zu schaffen, die jeglicher politischer Lösung, die sich in der Zukunft ergeben mag, standhält bzw. sie unterstützt. Eine der großen Ideen, mit der wir zur Zeit arbeiten und die wir stärken wollen, ist das Konzept der friedlichen Koexistenz basierend auf Gleichberechtigung. Es geht in erster Linie um Gleichberechtigung und deren Verweigerung als Wurzel des Konfliktes Neuerdings kann man leicht über Frieden und Gerechtigkeit sprechen. Doch wenn Du anfängst, tatsächlich über Gleichberechtigung zu reden und wenn Du anfängst, zu analysieren, was es bedeuten würde, als gleichberechtigt in diesem Land zu leben, dann ist das die wirkliche Herausforderung, der wir als Palästinenser gegenüberstehen, insbesondere angesichts von Israelis, die das Gefühl haben, dass dies ihr Land sei, das ihnen von Gott gegeben wurde und auf dem niemand anders leben sollte. Auf dieser Ebene wird es zu einer wirklichen Herausforderung, über Gleichberechtigung zu sprechen. Ich glaube, wenn wir an dem Punkt angekommen sind, dass wir uns als Gleichberechtigte anerkennen, sind wir soweit, dass jede politische Lösung die richtige Lösung für die Zukunft wird." Obwohl die Befragten keine bestimmte politische Regelung forcierten, so gaben die meisten doch zu verstehen, dass sie persönlich eine Einstaatenlösung einer Zweistaatenlösung vorziehen würden. Sie waren sich aber darüber im Klaren, dass die Israelis eine Einstaatenlösung nicht akzeptieren könnten. Aus diesem Grunde befürworteten sie das offizielle Konzept der Zweistaatenlösung. "Wir sind keine Katholiken, wir können uns scheiden lassen. Das Problem ist aber, dass Israel uns weder heiraten, noch sich von uns scheiden lassen möchte. Im Augenblick wollen sie uns als billige Arbeitskraft nutzen, als Markt, auf dem sie monopolistisch ihre Waren anbieten können, als Müllhalde. Ich bin für einen säkularen, demokratischen, bi-nationalen Staat. Aber im Moment fürchtet sich Israel mehr vor der demographischen Entwicklung als vor den Bomben der Hamas oder der Hisbollah. Es gibt also eine demographische Zeitbombe. Ich hoffe, dass sie nicht denken, dass diese Zeitbombe explodieren wird. Wir können diese Zeitbombe nämlich auf unterschiedliche Arten entschärfen. Es wäre besser, wir würden über Staatsbürgerschaft statt über Religion oder Nationalitäten zu sprechen." (Zoughbi Zoughbi) Auch Nafez Assaily gab seinem persönlichen Wunsch nach einer Einstaatenlösung Ausdruck: "Ich wünsche mir sehr, dass ein palästinensischer Staat auf der Basis der Gewaltfreiheit gegründet wird. Wenn er gewaltfrei gegründet wird, so wird er auch gewaltfrei weiter bestehen. Wenn er durch Gewalt gegründet wird, wird er gewaltsam weiter bestehen. Aber die Idee ist, dass es zwei Völker für einen Staat gibt. Es bedeutet, dass das eine Volk Tel Aviv, Gaza, Haifa und Jerusalem Israel nennen und dass wir es Palästina nennen. Sie bekommen die Botschaft in Berlin, wir bekommen die Botschaft in Paris. Sie nehmen das Verteidigungsministerium, wir nehmen das Ministerium für Soziales. Die einen nennen es Israel, wir nennen es Palästina. Sie haben ihre Reisepässe, wir haben unsere Reisepässe."In der Redaktion von "Gewaltfreie Aktion" haben wir nicht verstanden, was damit gemeint ist. Doch in einem Interview können auch Meinungen, die nicht klar und deutlich formuliert wurden, dokumentiert werden. Im August 2008 wurde ein Bericht veröffentlicht, der von der EU mitfinanziert und von einer palästinensischen Strategiegruppe (Palestinian Strategy Study Group), bestehend aus 27 führenden palästinensischen Personen, verfasst wurde. Der Bericht ruft dazu auf, einen einzigen, bi-nationalen Staat als die von den Palästinensern bevorzugte Regelung zu forcieren. http://www.palestinestrategygroup.ps/Regaining_the_Initiative_FINAL_17082008_(English).pdf (letzter Zugriff 01.07.2009) Nur einen Monat später veröffentlichte das Israel-Palestine Centre for Research and Information ebenfalls einen Bericht, in dem mehrere Optionen aufgeführt werden, die den Palästinensern zur Verfügung stünden. Dazu gehörten die Auflösung der Palästinensischen Autonomiebehörde, der Ruf nach einer Einstaatenlösung und die einseitige Ausrufung eines palästinensischen Staates. http://www.guardian.co.uk/world/2008/sep/04/israel.palestinians (letzter Zugriff 01.07.2009) Auch wenn es höchst unwahrscheinlich ist, dass auch nur einer dieser Vorschläge realisierbar ist, sollten palästinensische Organisationen zumindest in Erwägung ziehen, eine Einstaatenlösung zu forcieren und auch ihre internationalen Unterstützer davon zu überzeugen, um das strategische Moment für sich zu nutzen. Sollte die Idee einer Einstaatenlösung breitere Unterstützung gewinnen, könnte dies dazu führen, dass bei den Israelis die Akzeptanz für eine Zweistaatenlösung wächst, quasi als kleineres von zwei Übeln. Dies ist jedoch lediglich eine Vermutung, die näher untersucht werden müsste um einschätzen zu können, wie die israelische Gesellschaft auf einen solchen Aufruf reagieren würde und ob es in der internationalen Gemeinschaft überhaupt Unterstützung dafür geben würde. ZukunftsvisionenNach ihren Zukunftsvisionen gefragt erwiderten alle, dass sie sich wünschen, die gewaltfreie Aktion würde zu einem Werkzeug werden, das alle Palästinenser nutzen, um Widerstand gegen die israelische Besatzung zu leisten. Sie wünschen sich, dass Gewaltfreiheit nicht als passives Ertragen der israelischen Provokationen, sondern als eine Strategie verstanden wird, die Besatzung durch eigene Aktionen zu beenden. Und man wünscht sich, die eigenen Erfahrungen weltweit zu vermitteln. "Ich möchte nicht nur, dass die Gewaltfreiheit die treibende Kraft ist, mit der die Besatzung beendet wird, sondern auch ein konstruktives Element beim Aufbau unserer Institutionen, in unserer Gesetzgebung und unserem Rechtswesen. Zur Gewaltfreiheit gehören die Transparenz politischer Prozesse und die Rechenschaftslegung der Verantwortlichen. Ich möchte mit anderen Menschen in eine echte Beziehung treten und der Welt etwas zurückgeben." (Zoughbi Zoughbi) Dies ist sicherlich eine wichtige Schlussfolgerung: Palästinensische Aktivisten können viel zu gewaltfreien Bewegungen weltweit beitragen, denn im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte haben sie sich unter extrem schwierigen und gefährlichen Bedingungen im gewaltfreien Widerstand engagiert. Sie können ihre Erfahrungen mit anderen teilen und dadurch nicht nur anderen etwas beibringen, sondern auch die Erkenntnis verbreiten, dass Gewaltfreiheit in Palästina einen langen Weg zurückgelegt hat, dass aber auch noch ein langer Weg zu beschreiten ist. Praktische Anregungen für internationale Organisationen und AktivistenAus den Gesprächen mit den verschiedenen Akteuren lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen, die Auswirkungen auf die Arbeit internationaler Organisationen und Akteure haben, die sich am gewaltfreien Widerstand in Palästina beteiligen. Gelder und Ressourcen zur Verfügung stellenDer Bedarf an finanziellen, materiellen und ideellen Ressourcen kann nicht geleugnet werden. Gelder werden nicht nur benötigt, um bestimmte Projekte und Kampagnen durchzuführen, sondern auch um Büros zu unterhalten und Mitarbeiter zu bezahlen. Wenn jede der hier vorgestellten Organisationen eine Person speziell dafür anstellen könnte, sich mit anderen palästinensischen Organisationen, aber auch mit israelischen und internationalen Organisationen, zu vernetzen und zu kooperieren, könnte man mit den gemeinsam durchgeführten Aktionen eine viel größere Wirkung erzielen, da man mehr Menschen gleichzeitig mobilisieren könnte. Zusätzliche finanzielle Ressourcen sind außerdem notwendig, da im Moment die Mehrheit der hier vorgestellten Organisationen im geographischen Dreieck zwischen Jerusalem, Ramallah und Bethlehem tätig ist. Die Aktionen des gewaltfreien Widerstandes müssten aber auch auf die restlichen Regionen Palästinas ausgedehnt werden. Obwohl einige Organisationen wie MEND und Combatants for Peace in anderen Städten und Regionen aktiv sind, besteht hier weiterer Bedarf. Dies gilt insbesondere für den Gazastreifen. Gelder werden ebenfalls benötigt, um weitere Schulungen durchzuführen, um palästinensische Aktivisten auf Vortragsreisen ins Ausland zu schicken, und um palästinensischen Trainern die Gelegenheit zu geben, selber im Ausland Trainings anzubieten. Internationale Organisationen, die in der Lage sind, Gelder zur Verfügung zu stellen, können auch dadurch helfen, indem sie zum Beispiel die Ausrüstung für Videokonferenzen, zur Verfügung stellen, so dass Aktivisten aus Ostjerusalem, der Westbank und dem Gazastreifen die Möglichkeit haben, sich auszutauschen. Expertise bereitstellenInternationale Organisationen können palästinensische Organisationen auch dadurch unterstützen, dass sie ihre Expertise zur Verfügung stellen, von der Entwicklung von Schulungsmaterialien über die Ausarbeitung von Curricula bis hin zur Analyse, zum Beispiel zur Wirkung eines Boykotts oder einer Desinvestitions-Kampagne. Lobbyarbeit für BewegungsfreiheitEines der größten Hindernisse für den gewaltfreien Widerstand in Palästina ist die eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die oft zur Folge hat, dass Aktivisten sich nicht frei bewegen und sich daher auch nicht treffen können, sei es um Aktionen gemeinsam zu planen oder um sie gemeinsam durchzuführen. Internationale Aktivisten können Lobbyarbeit bei ihrer jeweiligen Regierung für mehr Bewegungsfreiheit in den palästinensischen Gebieten betreiben. Informationen verbreiten und BewusstseinsbildungSowohl internationale Organisationen als auch einzelne Aktivisten können den gewaltfreien Widerstand in Palästina dadurch stärken, dass sie in ihrem jeweiligen Land zum Verständnis für die Situation in Palästina beitragen. Man kann nach Besuchen von den eigenen Erfahrungen berichten oder Palästinenser zu Vorträgen einladen. Durch Kontakte zu den Medien lassen sich stereotype Bilder der Palästinenser in unseren Medien aufweichen. Es gilt, Informationen über den gewaltfreien Widerstand in Palästina zu verbreiten. Eigene Erfahrungen teilenGewaltfreie Bewegungen haben vielerorts zu sozialem Wandel oder gar zu Revolutionen geführt. Palästinensische Organisationen könnten daraus lernen. Diesem Ziel könnten Workshops und Konferenzen dienen. Internationale Medien beobachtenDer gewaltfreie Widerstand in Palästina wird selten in den internationalen Medien erwähnt. Internationale Organisationen aber auch Einzelpersonen können sich über das Palestine News Network oder durch die Webseiten der hier vorgestellten Organisationen über den gewaltfreien Widerstand in Palästina informieren. Diese Informationen können dann genutzt werden, um die internationalen Medien zu beobachten. Einseitiger Berichterstattung sollte man etwas entgegensetzen, beispielsweise indem man Leserbriefe schreibt oder sich an Diskussionsforen beteiligt. Israelische Organisationen und Aktivisten stärkenMan kann den gewaltfreien Widerstand in Palästina auch dadurch stärken, dass man israelische Organisationen unterstützt, die ebenfalls eine gewaltfreie Strategie verfolgen, um die Besatzung zu beenden. So kann man Gruppen unterstützen, die jungen Israelis bei ihrer Kriegsdienstverweigerung zur Seite stehen. Israelis, die den Wehrdienst verweigern oder sich in der Westbank an Demonstrationen gegen die Sperranlage und gegen die Besatzung beteiligen, haben oft einen schweren Stand in ihrer eigenen Gesellschaft. Ihnen sollten wir unsere moralische Unterstützung zukommen lassen. Die Frage, die auch nach den Gesprächen mit den verschiedenen Akteuren bleibt, ist die nach der Mobilisierung. Was müsste geschehen, um die gesamte palästinensische Bevölkerung dazu zu bringen, sich an einer genuinen gewaltfreien Bewegung zu beteiligen? Sami Awad sagt dazu: "Ich werde immer wieder gefragt: ‘Wer ist der Gandhi Palästinas?’ oder ‘Wo ist der Martin Luther King Palästinas?’ Ich antworte dann immer, dass es nicht darum geht, wer der Gandhi Palästinas oder der Martin Luther King Palästinas sei. Es geht um das Salz in Palästina. Was ist das Salz in Palästina? In Indien war es das Salz, das die Menschen mobilisierte, nach Gandhis Salzmarsch. Diese Aktion hatte zur Folge, dass die gesamte Bevölkerung sich der Sache annahm und gewaltfreien Widerstand leistete. Somit ist die Frage für uns - und damit beschäftigen wir uns - was unser Salz ist. Was ist die eine Aktion, die den Ausschlag dafür gibt, dass die ganze Gemeinschaft sagt: ‘Wir werden dies nicht länger akzeptieren; wir werden es nicht länger zulassen, dass wir unterdrückt werden und unter diesen Regeln leben und wir werden Widerstand leisten, koste es, was es wolle.’" FazitWie wir gesehen haben hat die Gewaltfreiheit, wie sie in Palästina praktiziert wird, zum Ziel, die israelische Besatzung zu beenden. Die Praxis der gewaltlosen Aktion hat ihre Wurzeln in der ersten Intifada gesät, doch trotz partieller Erfolge schafften es die Palästinenser letztendlich nicht, nachhaltigen Gewinn aus diesem gewaltlosen Aufstand zu schlagen und ihr Ziel zu erreichen. Während man sich über das Endziel klar zu sein meint, gibt es weniger Klarheit darüber, welche Strategie angewandt werden soll, um dieses Ziel schrittweise zu erreichen. Um eine genuine, allumfassende gewaltfreie Bewegung zu schaffen, die eine Chance hat, die israelische Besatzung tatsächlich zu beenden und dadurch Verhandlungen herbeizuführen, wird eine Gesamtstrategie benötigt, die Zwischenziele benennt, wie zum Beispiel das Ende der Enteignungen, den Baustopp für die Sperranlage und die Demontage der Checkpoints. Um zu einer solchen Strategie zu gelangen, muss entschieden werden, welche Taktiken oder Methoden auf dem Weg zu diesem Ziel genutzt werden sollten. Gegenwärtig wird eine große Vielfalt verschiedenster Methoden angewandt, ohne dass klar wäre, welche Wirkungen damit erzielt werden sollen oder tatsächlich auch werden. Die Schaffung einer palästinensischen Autonomiebehörde als "Puffer" zwischen den Palästinensern und den Israelis hat es noch schwieriger gemacht, sinnvolle Methoden zu finden, mit denen man die öffentliche Meinung in Israel oder die Entscheidungen des israelischen Militärs und der israelischen Regierung beeinflussen kann. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern wird nicht durch militärische Mittel beizulegen sein. Auch Verhandlungen haben bisher wenig Erfolg gehabt und dies wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach solange nicht ändern, als die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern so asymmetrisch sind. Ein Weg, diese Asymmetrie zu beseitigen, ist eine genuin gewaltfreie Bewegung. Um diese zu erreichen, ist die moralische und materielle Unterstützung seitens Dritter unabdingbar. Literaturangaben:Ackerman, Peter, und Christopher Kruegler. 1994. Strategic Nonviolent Conflict. The Dynamics of People Power in the Twentieth Century. Westport, CT: Praeger Publishers. Awad, Mubarak E. 1984. Non-Violent Resistance: A Strategy for the Occupied Territories. In Journal of Palestine Studies, 13 (4): 22-36. Cohen, Mark P. 1988. American Jewish Response to the Palestinian Uprising. In Journal of Palestine Studies, 17 (4): 97-104. Dajani, Souad. 1999. Nonviolent Resistance in the Occupied Territories: A Critical Reevaluation. In Nonviolent Social Movements: A Geographical Perspective, eds. Stephen Zunes, Lester R. Kurtz, und Sarah Beth Asher, 52-74. Malden, MA: Blackwell Publishers Inc. Farsoun, Sami, und Christina E. Zacharia. 1998. Palestine and the Palestinians. Boulder, CO: Westview Press. Grant, Philip. 1990. Nonviolent Political Struggle in the Occupied Territories. In Arab Nonviolent Political Struggle in the Middle East, eds. Ralph E. Crow, Philip Grant, und Saad E. Ibrahim, 59-73. Boulder, Co: Lynne Rienner Publischers, Inc. Peretz, Don. 1990. Intifada: The Palestinian Uprising. Boulder, CO: Westview Press. Rubenberg, Cheryl A. 2003. The Palestinians: In Search of a Just Peace. Boulder, CO: Lynne Rienner Publishers, Inc. Sabeel Ecumenical Liberation Center. 2005. A Call for Morally Responsible Investment: A Nonviolent Response to the Occupation. Jerusalem: Sabeel. Fortsetzung von: Gewaltfreie Akteure im palästinensischen Widerstand (Teil I) FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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