Die Abrüstungskonferenz in Genf: Schwerter zu Pflugscharen? 1. Die AbrüstungsschmiedeVon Wolfgang Kötter Am heutigen 3. August 2009 beginnt die Genfer Abrüstungskonferenz ihre jährliche Sommersitzung und nach langer Zeit der Tatenlosigkeit verfügt sie wieder über ein konkretes Arbeitsprogramm. Wir stellen das einzige multilaterale Verhandlungsorgan zur Ausarbeitung globaler Abrüstungsverträge vor und erläutern in den weiteren vier Folgen die Arbeit an den wichtigsten Themen auf ihrer Agenda. 1. Die AbrüstungsschmiedeDie Genfer Abrüstungskonferenz hat ein großes Potential, sie muss es nur nutzenEs sind zwar keine hundert Jahre wie im Märchen vom Dornröschen, aber dennoch, seit fast 13 Jahre schein die Genfer Abrüstungskonferenz im Tiefschlaf versunken zu sein. Jedes Mal wiederholt sich dasselbe Ritual: Ende Januar fahren die zumeist älteren Herren in schwarzen Limousinen am Palais des Nations vor, nehmen ihre Plätze im altehrwürdigen Ratssaal ein und verlassen im September die geruhsame Stadt am Genfer See, um der UNO-Vollversammlung im hektischen New York zu berichten, dass sie wieder einmal nichts erreicht haben. Die Abrüstungskonferenz ist zwar mit den Vereinten Nationen eng verwoben, formal aber ein selbständiges Organ. Die Entscheidungen über Mitgliedschaft, Tagesordnung, Arbeitsprogramm, Verfahrensfragen und natürlich über die Verhandlungsergebnisse erfordern einen Konsens. Somit kann jeder der 65 Teilnehmer einen ihm nicht genehmen Beschluss jederzeit blockieren. Die Konferenz berücksichtigt bei der Aufstellung der Agenda die in den Resolutionen der UN-Vollversammlung enthaltenen Empfehlungen und berichtet ihr jährlich. Geboren im Kalten KriegDie Abrüstungskonferenz blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Als Mitte des vergangenen Jahrhunderts in den mit Spannungen und Konflikten beladenen Jahren des Kalten Krieges die Erkenntnis reifte, dass ein schrankenloses Wettrüsten niemandem mehr Sicherheit bringt, sondern vielmehr das Leben aller immer stärker gefährdet, begann auch ein zögerlicher Dialog über Waffen und Rüstungen. Zunächst trafen sich jeweils 5 Vertreter der beiden von der Sowjetunion und den USA angeführten Blöcke im Zehn-Staaten-Abrüstungsausschuss, und schon damals war Genf der Ort ihrer Wahl. Der Versuch scheiterte jedoch bald an politischen Ost-West-Querelen. Ein neuer Anlauf gelang 1961 mit dem sogenannten Sorin-McCloy-Abkommen. Die von den versierten Top-Diplomaten Moskaus und Washingtons ausgehandelten Abrüstungsprinzipien sahen auch die Bildung eines multilateralen Verhandlungsorgans vor, in das zusätzlich 8 neutrale und nichtpaktgebundene Staaten aufgenommen wurden. Am 15. März 1962 reisten die Außenminister zur ersten Sitzung des nunmehr Achtzehn-Staaten-Abrüstungsausschusses in Genf an. Der Ausschuss tagte als permanentes Gremium, anfänglich unter Ko-Präsidentschaft der Sowjetunion und der USA. Schritt für SchrittDa sich bald herausstellte, dass eine Einigung über die allgemeine und vollständige Abrüstung schiere Illusion war, wandten die Delegationen sich verstärkt spezifischen Teilmaßnahmen zu. Mit der Erweiterung auf zunächst 30 Mitglieder erhielt das Gremium 1969 die Bezeichnung Konferenz des Abrüstungsausschusses. Die erste UN-Abrüstungssondertagung im Jahre 1978 erhöhte die Mitgliederzahl ein weiteres Mal und das Gremium nannte sich fortan Abrüstungsausschuss. Die beiden deutschen Staaten arbeiteten ab 1975 mit. Frankreich wurde 1979 Mitglied und China trat 1980 bei. Seit 1984 tagt man als Abrüstungskonferenz. Sie wird jetzt von einem monatlich wechselnden Präsidenten geleitet. Für August hat Caroline Millar aus Australien das Amt von ihren Vorgängern, den Vertretern Vietnams, Simbabwes, Algeriens und Argentiniens übernommen. Die Erarbeitung des Jahresberichts wird dann im September von Christian Strohal aus Österreich geleitet werden. Im KomaDie Konferenz tagt gewöhnlich in drei Sitzungsperioden von Jahresbeginn bis in den Spätsommer. Neben Plenarsitzungen arbeiteten Arbeitsgruppen zeitweilig zu den Themen Weltraum, Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten, radiologische Waffen und umfassendes Abrüstungsprogramm. Doch spätestens seit dem Abschluss des Nuklearen Teststoppvertrages 1996 steckt die Konferenz in der Paralyse. Es gibt zwar eine permanente Tagesordnung, aber über ein konkretes Arbeitsprogramm konnte man sich nie einigen. Unvereinbare Interessengegensätze und Verfahrensstreit blockierten jeden Fortschritt. Während der acht Jahre Bush-Administration in den USA scheute Washington jegliche völkerrechtliche Verpflichtung, die seine Aufrüstungsbestrebungen hätte behindern können, wie das Weihwasser. Folglich mauerten die US-Vertreter bei allen entscheidenden Abrüstungsthemen. Im vergangenen Frühjahr gelang dann aber ein historischer Durchbruch: Nach über 10 Jahren vergeblicher Bemühungen beschloss die Konferenz wieder ein Arbeitsprogramm. Demzufolge werden vier Arbeitsgruppen gebildet: 1. nukleare Abrüstung; 2. Produktionsstopp für militärisches Spaltmaterial; 3. Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum; und 4. Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten. Zusätzlich einigte man sich auf Koordinatoren zu den Themen: neue Massenvernichtungswaffen und radiologische Waffen; Transparenz der Rüstungen; und umfassendes Abrüstungsprogramm. Als Konferenzpräsident Idriss Jazairy aus Algerien die Einigung am 29. Mai verkündete, pries er den Moment pathetisch als Höhepunkt seiner langen Karriere, "für den allein sich mein Leben gelohnt hat." Neue HoffnungNatürlich bedeutet das noch keine Garantie für Ergebnisse, aber in der heutigen globalisierten Welt vermag kein Staat seine Sicherheit allein zu gewährleisten. Nur durch multilaterale Verhandlungen können allgemein verbindliche Rechtsnormen gesetzt, globale Verifikation gewährleistet und Verlässlichkeit in den internationalen Beziehungen geschaffen werden. Trotz berechtigter Kritik spricht vieles für die Genfer Abrüstungskonferenz. Auf ihrer Agenda stehen gleich mehrere der dringendsten Problemkreise. Außerdem sind mit den USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China alle fünf offiziellen Kernwaffenstaaten vertreten. Darüber hinaus wären auch die grauen Atommächte Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea, sowie wichtige Schwellenmächte, etwa Argentinien und Brasilien, Iran und Irak sowie Ägypten, Syrien und Nigeria involviert. Zwar sind multilaterale Verhandlungen wegen der zahlreichen unterschiedlichen Positionen oftmals zeitraubend und diffizil. Andererseits erhöht die Einbeziehung einer repräsentativen Anzahl von Staaten die Legitimität und Akzeptanz für ausgehandelte Ergebnisse. Was nun gebraucht wird, ist der politische Wille aller Staaten, der Genfer Konferenz wieder eine Chance zu geben. Möglicherweise ist die von US-Präsident Obama verkündete Vision einer atomwaffenfreien Welt ein Anzeichen dafür. Nachdem die USA und Russland wieder über Nuklearwaffen verhandeln und beide eine Wiederbelebung des multilateralen Abrüstungsprozesses beschworen haben, keimt auch am "Lac Léman" neue Hoffnung auf. Die 65 Mitglieder der Genfer Abrüstungskonferenz Ägypten, Äthiopien, Algerien, Argentinien, Australien, Bangladesch, Belarus, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Deutschland, Ecuador, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Israel, Italien, Japan, Kasachstan, Kamerun, Kanada, KDVR, Kenia, Kolumbien, Kongo (DR), (Rep. Süd-)Korea, Kuba, Malaysia, Marokko, Mexiko, Mongolei, Myanmar, Neuseeland, Niederlande, Nigeria, Norwegen, Österreich, Pakistan, Peru, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Senegal, Simbabwe, Slowakei, Südafrika, Spanien, Sri Lanka, Syrien, Türkei, Tunesien, Ukraine, Ungarn, USA, Venezuela, Vietnam. Themen auf der Tagesordnung der Genfer Abrüstungskonferenz
Internationale Abrüstungsverträge, die in der Abrüstungskonferenz entstanden:
(Fortsetzung: 2. Atomwaffenfreiheit ist möglich - Der Weg zur atomwaffenfreien Welt) Serie "Die Abrüstungskonferenz in Genf: Schwerter zu Pflugscharen?":
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