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Erklärung aus der Friedensbewegung: “Wir warnen vor Kriegsdrohungen Israels gegen Iran”

Der Konflikt muss und kann mit zivilen Mitteln gelöst werden

In deutschen und internationalen Medien häufen sich die Meldungen über Manöver des israelischen Militärs zur Vorbereitung militärischer Angriffe gegen Iran und seine Nuklearanlagen. Laut Times vom 16. Juli handelt es sich um "ernsthafte Vorbereitungen". Dazu gehört die Verlegung von Israels raketenbestückten, aus Deutschland gelieferten U-Booten in das Rote Meer und Angriffsübungen auf den US-Stützpunkten in Nevada und Washington. Israels Regierung überrascht die Weltöffentlichkeit fast wöchentlich mit Meldungen über neue iranische Bedrohungen.

Verbreitet wird immer noch die Falschmeldung, US-Vizepräsident Joe Biden habe Israel grünes Licht für einen Angriff gegen Irans Nuklearanlagen erteilt. Inzwischen hat sich Präsident Obama deutlich gegen "grünes Licht" ausgesprochen. Dennoch bestand Israels Verteidigungsminister Ehud Barak im Gespräch mit US-Verteidigungsminister Robert Gates am 26. Juli über den Atomkonflikt mit Iran eindringlich darauf, die militärische Option offen zu halten.

Auch von iranischer Seite wird der Konflikt immer wieder durch Drohungen gegen Israel als Besatzungsmacht im Westjordanland aufgeheizt. Es entsteht eine Vorkriegsstimmung. Das ist höchst gefährlich. Von Nahost bis Mittelost darf nicht gezündelt werden!

Es stellt sich die Frage, ob Israels rechtsgerichtete Regierung Netanjahu-Liebermann für ihre Bedrohungseskalation gegen den Iran auch andere handfeste Motive hat. Diese Regierung steht angesichts der Forderung von US-Präsident Obama, den Nahost-Konflikt im Sinne einer Zweistaaten-Lösung zu regeln, vor einer äußerst schwierigen Situation. Während die US-Regierung aktuell auf einem Stopp des Siedlungsbaus auf palästinensischem Boden besteht, hält Israels Regierung hartnäckig am Bau weiterer Siedlungen fest, wie gerade jetzt auch in Ostjerusalem. Sie ist offensichtlich nicht bereit, eine Zweistaaten-Lösung ernsthaft anzusteuern. Soll etwa die Bedrohungseskalation gegenüber dem Iran Israels rechter Regierung eine Atempause gegenüber dem US-Druck verschaffen? Oder wird hier gar eine langfristige Legitimation für einen tatsächlichen Militärangriff aufgebaut? Israels Geschichte ist voll von Angriffskriegen: 1981 zerstörten israelische Kampfflugzeuge den irakischen Atommeiler Osirak, der mit französischer Hilfe gebaut wurde; die jüngsten verheerenden Angriffe auf den Libanon 2006 und auf Gaza 2008/2009 sind noch gut in Erinnerung, ebenso der israelische Angriff auf eine vermutete Nuklearanlage in Syrien im Jahre 2007. Ein Krieg Israels gegen den Iran beruhte wesentlich auf dem Einsatz der aus Deutschland gelieferten U-Boote der Delphin-Klasse und deren Raketenreichweite. Damit wäre Deutschland indirekte Partei.

Wir warnen vor den katastrophalen Folgen eines israelischen Angriffs auf Iran:

  • Er könnte zu einem Flächenbrand in der ganzen Region werden.
  • Er würde nationalistische und fundamentalistische Kräfte auf allen Seiten stärken, der neuen Welle der Demokratisierung im Iran ein Ende setzen und die theokratische Diktatur festigen.
  • Die Folgen für den gesamten Mittleren und Nahen Osten wären unabsehbar: Staatszerfall, Bürgerkrieg, Vertiefung der Feindschaft und Kulturkampf zwischen der islamischen Welt und dem Westen.
  • Er würde nicht zuletzt auch ein Scheitern von Obamas Politik des Dialogs gegenüber dem Iran und eine Rückkehr zur gefährlichen Politik der Neokonservativen heraufbeschwören. Daran kann niemandem - auch in Deutschland nicht - gelegen sein.

Die Behauptung, der Iran beabsichtige die Vernichtung Israels, entbehrt jeglicher rationalen Grundlage. Ein iranischer Angriff auf Israel mit Nuklearbomben würde die eigene Vernichtung nach sich ziehen. Nach Auffassung von Friedensforschungsinstituten und westlichen Geheimdiensten benötigt Iran noch Jahre, um Atombomben herstellen und transportieren zu können. Dieses nach wie vor geöffnete Zeitfenster kann für eine zivile Verhandlungslösung genutzt werden. Wir teilen jedoch uneingeschränkt die Sorge, dass Irans Nuklearprogramm dem allgemeinen nuklearen Wettrüsten im Mittleren und Nahen Osten neuen Auftrieb gibt. Dieses Wettrüsten ist allerdings durch die umfangreiche Nuklearrüstung Israels sowie die nukleare Aufrüstung Indiens und Pakistans, die mit US-amerikanischer Zustimmung erfolgte, schon längst im Gange.

Dieser weitreichenden Gefahr gilt es zu begegnen. Deshalb müssen alle Anstrengungen auf eine friedliche, zivile Lösung des aktuellen Konflikts ohne Drohungen mit der Militärkeule gerichtet sein. Dazu kann auch eine Demokratisierung der Verhältnisse im Iran einen wichtigen Beitrag leisten.

Wir treten dafür ein, in künftigen Verhandlungen mit dem Iran die Perspektive der Sicherheit für alle Staaten im Mittleren und Nahen Osten, einschließlich der Sicherheit Israels und Irans, zur Grundlage zu machen. Unter einer Perspektive, in der nicht länger die gegenseitige Bedrohung, sondern der Wille dominiert, sich gegenseitig zu respektieren und zu kooperieren, kann der Konflikt deeskaliert werden. Ein wichtiges Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, könnte die Bildung einer dauerhaften ‘Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten’ sein. In ihre Konsultationen wäre auch der Israel/Palästina-Konflikt einzubeziehen. Es ist an der Zeit, eine solche Perspektive für diese Region endlich auf die Tagesordnung zu setzen.

Zur Deeskalation des aktuellen Bedrohungsszenariums fordern wir die Regierungen in Israel, den USA und im Iran auf, alle verbalen und militärischen Drohgebärden zu unterlassen und ihre Bereitschaft für eine zivile Bearbeitung des Konflikts zu unterstreichen. Die Formel "alle Optionen bleiben offen", die nach wie vor einen Krieg einschließt, lehnen wir entschieden ab.

Wir fordern von der Bundesregierung, die geplante Lieferung weiterer U-Boote an Israel und alle Waffenexporte in das Spannungsgebiet Mittlerer und Naher Osten unverzüglich zu stoppen. Des Weiteren erwarten wir von der Bundesregierung, alle ihre Möglichkeiten für eine Deeskalation des Konflikts zwischen Israel und Iran zu nutzen.

03. August 2009

Andreas Buro (Friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie), Reiner Braun (Geschäftsführer der Deutschen Sektion von IALANA), Angelika Claussen (Vorsitzende der Deutschen Sektion von IPPNW), Hans-Peter Dürr (Schirmherr der Internationalen Münchner Friedenskonferenzen), Heiko Kauffmann (Träger des Aachener Friedenspreises), Mohssen Massarrat (Friedens- und Konfliktforscher),Wiltrud Rösch-Metzler (Pax Christi Nahostkommission, deutsche Sektion), Clemens Ronnefeldt (Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes),Otmar Steinbicker (Vorsitzender des Aachener Friedenspreis e.V., Sprecher der Kooperation für den Frieden), Mani Stenner (Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative), Peter Strutynski (Sprecher Bundesausschuss Friedensratschlag)

Presserechtlich verantwortlich: Prof. Dr. Mohssen Massarrat, Hofbreede 64, 49078 Osnabrück

Veröffentlicht am

04. August 2009

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