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Die Abrüstungskonferenz in Genf: Schwerter zu Pflugscharen? 5. Wer schützt die nuklearen Habenichtse vor Atomwaffen?

Von Wolfgang Kötter

Die Nichtkernwaffenstaaten erwarten zuverlässige Sicherheitsgarantien

Das Thema der Sicherheitsgarantien steht schon lange auf der Tagesordnung der Genfer Abrüstungskonferenz. Verständlicherweise verlangen die Nichtkernwaffenstaaten für ihren Verzicht auf eigene Atomwaffen eine verbindliche Schutzzusage von den Nuklearmächten. In den Verhandlungen zum Atomwaffensperrvertrag in den 1960er Jahren fand dies allerdings keinen Eingang in den Vertragstext. Doch die Forderung nach einer völkerrechtlichen Verpflichtung bleibt ungebrochen. Diese könnte möglicherweise in Form eines Zusatzprotokolls oder in einem selbständigen Vertrag gegeben werden. Dazu sind die Atommächte bisher jedoch nicht bereit. Um dennoch den Beitritt der nuklearen Habenichtse zum Sperrvertrag zu erreichen, versprachen die USA, die Sowjetunion und Großbritannien im UNO-Sicherheitsrat damals zumindest ihren Beistand im Falle eines nuklearen Angriffs auf ein Vertragsmitglied. Über diese sogenannte positive Sicherheitsgarantie hinaus forderten die Nichtkernwaffenstaaten aber auch negative Sicherheitsgarantien, d.h. die Verpflichtung der Nuklearmächte, selbst keine Atomwaffen gegen Nichtkernwaffenstaaten anzuwenden. Erstmalig war es bereits im Jahre 1967 im Zusatzprotokoll 2 zum Vertrag von Tlatelolco über eine kernwaffenfreie Zone in Lateinamerika gelungen, rechtsverbindliche negative Sicherheitsgarantien der Kernwaffenmächte gegenüber den Zonenstaaten zu vereinbaren.

Auf der 1. UN-Sondertagung über Abrüstung im Jahre 1978 gaben die Nuklearstaaten dann einseitige Erklärungen ab. Die weitestgehende kam von China, das erklärte, es werde "niemals und unter keinen Umständen" als erster Kernwaffen anwenden. Frankreich erklärte sich bereit, solche Garantien gegenüber Mitgliedern von kernwaffenfreien Zonen auszuhandeln, nannte als Ausnahme jedoch den Fall einer Aggression gemeinsam mit einer Kernwaffenmacht gegen Frankreich bzw. seine Bündnispartner. Noch weiter gehende Einschränkungen erhoben Großbritannien und die USA, deren Garantieerklärungen lediglich Mitglieder des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages bzw. einer ähnlichen Rechtsverpflichtung einschloss. Sie sollte darüber hinaus nicht gelten im Falle eines Angriffs auf das eigene Territorium, die Streitkräfte, oder die Verbündeten, durch einen Staat, der mit einer Nuklearmacht verbündet bzw. verbunden sei. Die Sowjetunion ihrerseits gewährte Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten mit der Einschränkung, dass auch keine Atomwaffen auf deren Territorium stationiert sein dürften. Russland modifizierte diese Erklärung später und glich sie bis in den Wortlaut an die britisch-amerikanische an. Mehr als diese individuellen, durch viele Vorbehalte relativierten Deklarationen, konnte lange nicht erreicht werden.

Als aber nach Fünfundzwanzig Jahren die Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages anstand, änderte sich das Bild. Plötzlich waren die Kernwaffenmächte - aus durchsichtigen Gründen an einer unbegrenzten Lebensdauer des Abkommens interessiert - äußerst entgegenkommend. Für seine unbefristete Verlängerung gaben sie im Jahre 1995 erstmals eine gemeinsame Garantieerklärung zum Schutz der Nichtkernwaffenstaaten ab. Alle fünf votierten im Sicherheitsrat für eine Resolution über positive und negative Sicherheitsgarantien. Darin verpflichten sie sich, im Falle einer Anwendung oder Androhung von Kernwaffen gegen ein nichtnukleares Mitglied des Kernwaffensperrvertrages unverzüglich Beistand zu leisten. Sie sichern außerdem technische, medizinische, wissenschaftliche und humanitäre Hilfe zu. Ein etwaiger Aggressor würde zur Rechenschaft gezogen und zur Kompensation der verursachten Schäden verpflichtet werden. Indem nun alle fünf Kernwaffenmächte in eine gemeinsame Erklärung zu positiven und negativen Sicherheitsgarantien eingebunden sind und ihre Verpflichtung auch auf Hilfeleistungen ausgeweitet wird, stellt sie durchaus einen Fortschritt da. Allerdings bedeutet die Resolution in der Substanz nach wie vor einseitige, wenn auch kollektive, Selbstverpflichtungen, und bildet keinen völkerrechtlich einklagbaren Vertrag. Außerdem wird die Hilfe nicht exakt definiert. Das entscheidende Manko aber besteht darin, dass in einer vorstellbaren Situation mit großer Wahrscheinlichkeit eines der ständigen Sicherheitsratsmitglieder, identisch mit den offiziellen Kernwaffenmächten, gleichzeitig auch der Aggressor wäre. Durch sein Vetorecht aber könnte er jede Handlung des Rates blockieren.

Darum hoffen die nichtkernwaffenbesitzenden Staaten seither auf die Weiterentwicklung zu einer internationalen rechtsverbindlichen Konvention über Sicherheitsgarantien. Jedoch konnten in der Genfer Abrüstungskonferenz in den vergangenen Jahren keinerlei Fortschritte erreicht werden.

Immerhin stehen die Atomwaffenstaaten unter dem Druck eines Rechtsgutachtens vom Internationalen Strafgerichtshof. Bereits 1996 hatten die Richter in Den Haag unmissverständlich festgestellt, dass auch Nuklearwaffen nicht außerhalb des Völkerrechts stehen und ihre Anwendung "generell völkerrechtswidrig" ist. Der Richterspruch schränkt die Anwendungsoptionen für Nuklearwaffen juristisch bedeutend ein und erhöht deren politische Kosten. In der Konsequenz wäre jeder präventive Einsatz, wie auch ein nuklearer Erstschlag und die Anwendung in der übergroßen Mehrzahl aller vorstellbaren Situationen einer militärischen Auseinandersetzung widerrechtlich. Daraus folgt, dass eine Anwendung von Nuklearwaffen zur Vorbeugung wie auch als Antwort auf Terrorangriffe ein Bruch des Völkerrechts wäre. Der weitere Verhandlungsverlauf in Genf wird zeigen, ob die atomaren Großmächte gegenüber der übergroßen Mehrheit von Staaten, die auf Atomwaffen verzichten, zumindest zu einer Geste des guten Willens bereit sein werden. Das Mandat der im vergangenen Mai eingesetzten Arbeitsgruppe sieht jedenfalls auch ausdrücklich ein "rechtlich bindendes Instrument" der Sicherheitsgarantien vor.

"… dass die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen generell gegen diejenigen Regeln des Völkerrechts verstoßen würden, die für bewaffnete Konflikte gelten, insbesondere gegen die Prinzipien und Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts. Allerdings kann der Gerichtshof angesichts der gegenwärtigen Lage des Völkerrechts und angesichts des ihm zur Verfügung stehenden Faktenmaterials nicht definitiv die Frage entscheiden, ob die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen in einer extremen Selbstverteidigungssituation, in der die Existenz eines Staates auf dem Spiel stünde, rechtmäßig oder rechtswidrig wäre."

Aus dem Rechtsgutachten des IGH vom 08.07.1996

 Serie "Die Abrüstungskonferenz in Genf: Schwerter zu Pflugscharen?":

Veröffentlicht am

07. August 2009

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