Das chinesisch-russische TandemVon Karl Grobe Wahrscheinlich ist der internationale Nachrichtenmarkt daran schuld: Der Besuch Wladimir Putins in China hat weniger Informationswellen geschlagen als er verdient hätte. Wenn kein Amerikaner in der Nähe ist, fallen die Informationen eben dürftiger aus. Das Geschenk, das der russische Regierungschef für die renovierte Liebfrauenkriche auf dem Gelände der Botschaft seines Landes in Peking mitgebracht hat, hätte auch nicht viel mehr als eine kurze Notiz verdient. Es ist ja schon Routine, dass der Premier sich mit der Orthodoxen Kirche ebenso gut steht wie mit der nicht religiös, aber politisch sehr orthodoxen Partei, die immerzu Wahlen gewinnt. Doch einiges andere hat Aufmerksamkeit verdient, diesseits und jenseits der Ozeane: Putin hat eine Energiezusammenarbeit mit China besiegelt. Putin hat die Schanghai-Organisation mit seinem Besuch beehrt. Putin hat mit den Spitzen des chinesischen Staates über alles Mögliche aus der großen Politik konferiert. Das Energiegeschäft war schon lange in der Pipeline (es geht um Öl und Gas). Es hat aber seine Besonderheiten. Russland lässt China in Sibirien Betriebe bauen, in denen Chinesen arbeiten werden und nicht Russen; es liefert China in den nächsten zehn Jahren - sobald die Rohrleitungen verlegt sind - Rohöl und Erdgas zur Verarbeitung in China; es übernimmt deutlicher als vorher die Rolle des Rohstoff-Lieferanten für einen Abnehmerstaat, der das Rohmaterial besser verarbeiten kann. Da mag einerseits der eine oder andere Interessent, der sibirische Energierohstoffe gern selbst kaufen würde, in die Röhre gucken und sich vorstellen, wie ihm am anderen Ende Mr. Gazprom eine lange Nase dreht; andererseits kann der chinesische Partner vor industrieller Kraft kaum laufen, und Russland hastet schwer atmend hinterher. In der Ökonomie hapert es eben; das hat Präsident Medwedew kürzlich sehr laut gesagt, zum Ärger seines Premiers. In dem Bereich, den man Große Politik nennt, drehen die Moskauer ein größeres Rad. Die Schanghai-Organisation (SCO), zu der auch die meisten zentralasiatischen Staaten gehören und der der Iran gern beitreten möchte, nimmt an politischem und strategischem Gewicht zu. Sie boxt zwar noch in einer anderen Größenklasse als die Nato, hat aber ihre Ansprüche und Interessen im Fall einer Krise auf der koreanischen Halbinsel und damit in der Regionalpolitik deutlich gemacht, und ihre zentralasiatischen Mitglieder mühen sich, engeren Anschluss an das sino-russische Tandem zu halten als an den amerikanischen Schrittmacher in Sachen Afghanistan. Putin, der keinen Zweifel an seiner Führungsposition aufkommen lässt, und sein chinesischer Kollege Wen Jiabao sowie Hu Jintao, dessen Vorgesetzter in Staats-, Militär- und Parteisachen, sind die entscheidenden Figuren der SCO. Wobei Russland, so wie es heute ist, nicht mehr sein kann als der Juniorchef; die Bosse aus Usbekistan, Kasachstan usw. sind leitende Angestellte, Leiter von Filialen. Ob sie nach Moskau linsen oder lieber nach Peking schielen (das könnte lukrativer sein), ist nun wirklich nicht unwichtig. Zur Erinnerung: Gerade in den zentralasiatischen Filialen der SCO wird das Gas und das Öl gefördert, auf das die Kunden in Europa hoffen. Auf diesen Feldern wird China wahrscheinlich gewinnen. Und alle anderen, die nicht zur SCO gehören, müssen aufpassen, dass sie nicht sehr hoch verlieren. Karl Grobe ist freier Autor. Quelle: Frankfurter Rundschau vom 19.10.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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