Sacharow-Preis: Ehrung für russische MenschrechtlerVon Karl Grobe Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial erhält in diesem Jahr den Sacharow-Preis für Geistesfreiheit des Europaparlaments. Ihr Vorsitzender Oleg Orlow sowie die führenden Mitglieder Ludmilla Alexejewna und Sergej Kowaljow werden stellvertretend für alle russischen Menschenrechtler ausgezeichnet, sagte Jerzy Buzek, der Präsident des Europaparlaments am Donnerstag in Straßburg. Mit der Preisverleihung ehrt das Europa-Parlament die angesehenste Bürgerorganisation Russlands. Memorial wurde Anfang 1989 gegründet. Der Dissident und Friedens-Nobelpreisträger Andrej Sacharow war gemeinsam mit dem jetzt geehrten Oleg Orlow eines der Gründungsmitglieder. Memorial widmet sich dem Kampf gegen Totalitarismus, sowie dem Aufbau der Bürgergesellschaft und des Rechtsstaates. Die Auseinandersetzung mit dem stalinistischen Regime ist eine weitere Aufgabe der Organisation. Sie hat die bisher umfassendste Dokumentation des Straflager-Systems und der Repressionsopfer des Stalin-Regimes erarbeitet. Wegen dieser Aktivitäten sind die Staatsorgane mehrfach gegen Memorial vorgegangen. So wurde das Büro in Sankt Petersburg gestürmt, die Unterlagen über die stalinistische Repression, Computer und Datenträger wurden zeitweilig konfisziert. Entführt und mit dem Tode bedrohtMemorial-Mitarbeiter sind unter, wie es heißt, ungeklärten Umständen zu Tode gekommen. Eine Vertreterin der Organisation in Tschetschenien, Natalia Estemirowa, wurde im Juli dieses Jahres brutal ermordet. Oleg Orlow, der Memorial-Vorsitzende, kommentierte damals, Drahtzieher des Mordes sei der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow. Ein Moskauer Gericht verbot ihm daraufhin im Oktober, "Ehre und Würde Kadyrows" anzugreifen. Im November 2007 war Orlow selber in Inguschetien entführt und mit dem Tode bedroht worden. Ludmilla Alexejewna hat 1976 gemeinsam mit Andrej Sacharow die Moskauer Helsinki-Gruppe gegründet, welche als erste die Einhaltung der Menschenrechte in der Sowjetunion forderte. Sie setzt sich für die Menschenrechte im Nordkaukasus ein. Sergej Kowaljow war bis 1996 Vorsitzender der russischen Menschenrechtskommission, trat von dieser Position aber aus Protest gegen die autoritären Tendenzen unter Boris Jelzin - und vor allem später unter Wladimir Putin - zurück. Sein Versuch, die Sprengstoffanschläge auf Wohnblocks in Moskau 1999 zu untersuchen, schlug wegen der Ermordung mehrerer seiner Mitarbeiter fehl. Zu den Trägern des 1988 gestifteten Preises, der nach Andrej Sacharow benannt ist, gehört unter anderem Nelson Mandela. Sacharows Witwe Jelena Bonner meinte am Donnerstag, die kritische Journalistin Anna Politkowskaja hätte ihn ebenfalls verdient gehabt. Politkowskaja wurde vor drei Jahren in Moskau ermordet. Quelle: Frankfurter Rundschau vom 23.10.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.
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