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Kämpfer im Zwielicht

Von Karl Grobe

Am Denkmal der Freiheitskämpfer hat ein Veteranenverband einen Kranz niedergelegt. Das ist so selbstverständlich, dass man es nicht erwähnen muss. Es handelt sich um Bürger der Ukraine, die entweder der Aufstandsarmee UPA angehört haben oder sich zu deren Tradition bekennen.

Der Veteranenverband hat Zwielichtiges an sich. Zwielichtiges in deutscher Sicht. Jenen anderen Traditionalisten, die sich aufs sowjetische Erbe beziehen, erscheint er als das politisch Böse schlechthin. Die UPA ist als bewaffneter Arm der Ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung entstanden; die Bewegung selber ist in Galizien und Wolhynien aus dem Widerstand gegen die polnische Sprach- und Kulturpolitik zwischen den Weltkriegen entstanden. Damals gehörte diese Region, die heutige West-Ukraine, zum polnischen Staat, und der schob beiseite, was an habsburgischer Liberalität überliefert war: Gut ein Jahrhundert lang bis 1919 war dies österreichisches Kronland gewesen, bewohnt von ukrainischen Bauern, jüdischen Städtern, polnischen Landbesitzern (und Großstädtern) und deutschen Siedlern. Nur hier konnte die ukrainische Sprache gelehrt und die ukrainische Literatur gedruckt werden; im Russland der Zaren nicht.

Die UPA - überspringen wir ein paar Jahrzehnte - verbündete sich mit der Wehrmacht und der SS. UPA-Angehörige richteten im Sommer 1941 Massaker unter der jüdischen Bevölkerung an. Doch den eigenen Staat schenkte ihnen die Nazi-Diktatur nicht; auch Ukrainer waren für sie ja Menschen minderen Ranges.

So gesellten sich UPA-Kämpfer zu den Partisanen, die unter sowjetischer Flagge gegen die deutschen Besatzer kämpften. Die "Roten" kämpften für die Sowjetunion, die UPA für die Ukraine. Die aber wurde sowjetisch; in den vorgeschobenen Grenzen zwar, die Stalin sich 1939 von Hitler hatte schenken lassen, aber unter dem System der Kollektivierung, deren zwangsweise Durchsetzung um 1932 Millionen ukrainische Bauern das Leben gekostet hatte. Fortan kämpfte die UPA gegen die Sowjetunion - im ukrainischen Westen, in Galizien und den Karpaten. Bis 1954 wurde der blutige Konflikt ohne Erbarmen ausgefochten.

Die UPA-Traditionalisten sehen diese Vorgänge als eine tragische, gleichwohl heroische Episode in dem historischen Prozess, die zwar auf westliche Teile der Ukraine begrenzt war, die aber schließlich zur Unabhängigkeit geführt hat. Sowjet-Traditionalisten können nichts anderes als Bandenwesen erkennen. Die schweigende Mehrheit nimmt die Geschichte der UPA in den Kanon des Nationalismus auf; der Gewalt hat sie längst abgeschworen.

Jüngere Intellektuelle stehen nicht an, auf westeuropäische Parallelen zu verweisen: IRA, ETA, die weiland Südtiroler Bombenwerfer. Dass die UPA-Veteranen heute keine sonderliche Bedeutung mehr haben, ist für sie ausgemachte Sache. Straßen nach ihnen zu nennen und Denkmäler für sie zu errichten, geht dennoch überall dort als Selbstverständlichkeit durch, wo die Ablösung von der Sowjetunion als Abwerfen russischer Herrschaft begriffen wird.

Das Zwielichtige liegt in unserer westlichen Sicht in dem zeitweiligen Bündnis der UPA mit den Nazis. Verurteilen sollte aber nur, wer sich widersetzt hat, als beim Aufbau unserer bundesdeutschen Demokratie die Herrschenden sich verzeihend auf allzu viele "unentbehrliche Fachleute" mit tiefbrauner Biografie gestützt haben.

Karl Grobe ist freier Autor.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 03.11.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

04. November 2009

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