Ein denkwürdiger DonnerstagVon Otfried Nassauer Eigentlich wollte der Bundestag am Donnerstag nur über die Verlängerung der Auslandseinsätze der Bundeswehr debattieren. Über UNIFIL, OEF und ISAF. Über die richtige Afghanistan-Strategie für die Zukunft. Doch dann kam alles ganz anders. Die Debatte begann mit einem Paukenschlag: Verteidigungsminister zu Guttenberg teilte mit, Generalinspekteur Schneiderhan trete auf eigenen Wunsch zurück. Auch Staatssekretär Peter Wichert müsse zurücktreten. Beide übernähmen die Verantwortung für die fehlerhafte Informationspolitik des Ministeriums im Zusammenhang mit dem fatalen Luftangriff am 4. September nahe Kundus, bei dem bis zu 142 Menschen ums Leben kamen. Nicht zurücktreten wollte zunächst der politisch Hauptverantwortliche, Ex-Verteidigungsminister Jung. Er habe jederzeit gemäß seines aktuellen Kenntnisstandes die Wahrheit gesagt. Doch einen Tag später zog auch er die Konsequenzen. Jungs Rücktritt eröffnet der Bundesregierung eine Chance. Sie kann alle drei Rücktritte offensiv kommunizieren: "Wenn die Bundeswehr einen Fehler macht, dann kommt es letztlich ans Licht. In einer Demokratie werden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Ohne Rücksicht auf Rang und Namen." Selbst dann, wenn es sich - wie im Fall des Generalinspekteurs - um einen Kollateralschaden handelt, weil die militärische Führung für den mangelnden Aufklärungswillen der politischen mithaftet. Viel zu wenig Beachtung fanden angesichts dieser Vorgänge die Vorlagen der Regierung zur Verlängerung des Afghanistan-Mandates. Es wird unverändert um ein Jahr verlängert. Unter Vorbehalten. In der kommenden Woche will US-Präsident Barack Obama seine Entscheidung über die Zukunft des Afghanistan-Einsatzes kundtun. Da ist mit viel "soll" zu rechnen: Die US-Truppen sollen deutlich aufgestockt werden, die Verbündeten mithelfen. Eine erneute Afghanistan-Konferenz soll die künftige Strategie festlegen. Die Truppenaufstockung soll eine kaum legitimierte Regierung absichern, die ihrerseits Besserung und gute Regierungsführung geloben soll. Die Ausbildung nationaler Sicherheitskräfte soll massiv voran- und die Aufständischen sollen zumindest aus den Bevölkerungszentren zurückgetrieben werden. Übergabe der Verantwortung sei das Ziel. In einer "ressortübergreifenden Entscheidungsgrundlage" hat die Bundesregierung diese Absichten am 16. November gebilligt. Aufrüsten um abzurüsten, aufstocken, um abziehen zu können, so lautet der Gedanke. Doch eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Weder dafür, dass die Regierung Karzai sich bessert, noch dafür, dass mehr Truppen mehr Sicherheit schaffen. Und auch nicht dafür, dass den internationalen Militärs in wenigen Jahren ein Abzug ohne Gesichtsverlust möglich wird. Garantiert ist nur, dass mehr Truppen und mehr Geld eingesetzt werden. Der Bundestag wird sich schon bald erneut mit dem Thema Afghanistan befassen. Im Lichte der Ergebnisse der Afghanistan-Konferenz will die Bundesregierung das Bundestagsmandat überprüfen und anpassen. Das kann nur eines heißen: Der deutsche Beitrag wird aufgestockt. Mehr Geld wird schon jetzt eingeplant. 820 Millionen Euro sieht das Mandat vor, ein Plus von mehr als 200 Millionen im Vergleich zum Vorjahr. Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS Quelle: BITS - 28.11.2009. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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