Bilder gegen den Krieg. Momentaufnahmen aus dem Iran (Teil 16): Solidarität mit Atefeh Nabavi, Demonstrantin, verurteiltVon Afsane Bahar; 28.11.2009 Die 16. Folge der vorliegenden Artikelreihe sollte ursprünglich der iranischen Dichterin Simin Behbahani gewidmet werden. Aus aktuellem Anlass habe ich jedoch diese Reihenfolge ändern müssen und bitte dringend um Unterstützung und Solidarität wegen der 27-jährigen, politisch aktiven Studentin Atefeh Nabavi, die als erste iranische Frau am 24.11.2009 im Zusammenhang mit den Demonstrationen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Sommer zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Dieses Urteil wurde von der 12. Abteilung des Revolutionsgerichtes (‚dadgahe enqelab’) ausgesprochen, die eigentlich als Dezernat für Schmuggel und Rauschgift funktioniert. Eine der ursprünglichen Anschuldigung, "Verbindung zu den Volksmojahedin", wurde fallen gelassen. Die aktuelle Verurteilung wurde durch "Versammlung und stillschweigende Vereinbarung gegen das System [der Islamischen Republik Iran] durch Beteiligung an nicht zugelassenen Demonstrationen" sowie durch "Störung der öffentlichen Ordnung" begründet. Atefeh Nabavi hatte wie schätzungsweise weitere drei Millionen Demonstranten an den Protestkundgebungen am 25.3.1388 (15.6.2009) teilgenommen. Sie wurde an demselben Tag zusammen mit sieben Verwandten und Bekannten in ihrer Wohnung verhaftet und sitzt seitdem im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran. Der Prozess fand am 12.11.2009 stattDas Komitee der Reporter der Menschenrechte (‘komite-ye gozareshgaran-e hoqouq-e bashar’) veröffentlichte nach der Gerichtsverhandlung vom 12.11.2009: Bitte schicken Sie Ihre Solidaritätsbekundung auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Persisch an die folgenden E-Mail-Anschriften:
Solidaritätskampagne mit der studentischen Aktivistin Atefeh Nabavi: "man atefeh’am" = "Ich bin Atefeh"Im Sommer 2009 fanden in der Islamischen Republik Iran Präsidentschaftswahlen statt, an denen nur vier Kandidaten teilnehmen durften, die der von Ayatollah Khamenei dirigierte Wächterrat für geeignet hielt. Die iranische Bevölkerung hatte bei diesen "Wahlen" keine echte Alternative. Es war nur möglich, bei der Stimmabgabe gegen den Favoriten von Ayatollah Khamenei, Ahmadinedschad, zu protestieren. Ich gehörte persönlich - wie unter anderem auch Simin Behbahani - zu dem Teil der iranischen Bevölkerung, der sich aus Protest gegen die fehlende Demokratie sowie wegen der massiv eingeschränkten politischen Freiheiten an diesen "Wahlen" nicht beteiligte. Tatsache bleibt jedoch, dass viele Iraner an der umstrittenen Präsidentschaftswahl teilnahmen und als Zeichen ihres Protestes gegen das Regime Mir Hossein Mousavi wählten. Mousavi bezog ausdrücklich seine Wahlversprechungen auf die Rückbesinnung auf "Imam Khomeini" und Beachtung der Gesetze der Islamischen Republik Iran. Zur Legitimation seiner Person veröffentlichte er einen Brief von Ayatollah Khomeini, in dem seine Einsätze für die Islamische Republik Iran als Premierminister zwischen 1981 und 1989 gewürdigt werden. In dieser Zeit wurden Tausende Gegner des Regimes und Andersdenkende hingerichtet. Auch die von Mousavi favorisierte grüne Farbe hatte mit europäischen ökologischen Wertvorstellungen nichts zu tun. Während einer seiner Wahlveranstaltungen 2009 wurde ihm ein grüner Schal geschenkt, mit dem Hinweis, dass Grün immer die Farbe des Propheten Muhammad und seiner Nachfahren gewesen sei. Er ließ sich von dem Geschenk inspirieren und benutze diese symbolträchtige Farbe in seinem weiteren Wahlkampf. Trotz all dieser Gegebenheiten bleibt es jedoch eine Tatsache, dass sich massive Massenproteste wegen Wahlfälschungen ereigneten. Bei diesen Demonstrationen änderten sich im weiteren Verlauf die Parolen: die anfänglichen Slogans "Wo bleibt meine Stimme?" und "Gib mir meine Stimme zurück!" verschärften sich zu der Parole "Nieder mit dem Diktator", später zu "Nieder mit der totalitären Herrschaft" und schließlich an einigen Orten auch zu "Nieder mit Khamenei". Einer der drei Gegenkandidaten, Reza’i, gab bald nach und fügte sich Ayatollah Khamenei. Als Außenstehender gewann man den Eindruck, dass die Massen die beiden zögernden Gegenkandidaten, Mousavi und Karroubi, denen die Rolle der Führung der Proteste zugefallen war, hinter sich zogen und mit ihren Demonstrationen sie zu Reaktionen zwangen: die Führer hinkten den Massen nach. Ayatollah Khamenei und seine Anhänger reagierten auf die Forderung nach Neuzählung der Stimmen und Revision der Präsidentschaftswahlen zunächst mit unverbrämten Drohungen und anschließend mit brutaler Gewalt. Es kam zu Ermordungen, ausgedehnten Verhaftungen und Schauprozessen, wovon auch führende, bekannte Politiker und frühere Amtsinhaber betroffen waren. Nach der Verhaftung der Studentin Atefeh Nabavi wurde eine Kampagne zu ihrer Unterstützung und Freilassung ins Leben gerufen. Die Initiatoren der Kampagne ‚man atefeham’ (Ich bin Atefeh) forderten die Teilnehmer an den Demonstrationen vom 25.6.2009 auf, ihre Beteiligung an den Protesten schriftlich zu bezeugen (Hier fällt mir spontan eine Schlüsselszene aus dem Film ‚Spartakus’ ein: als nach Spartakus gefragt wird, um ihn zu verhaften und zu bestrafen, stehen viele der Niedergeschlagenen auf und behaupten: "Ich bin Spartakus"). Atefeh Nabavi soll offensichtlich stellvertretend für die Millionen Demonstranten vom 15. Juni 2009 bestraft werdenDie Erklärung der Initiatoren der Kampagne ist auf Persisch zu lesen unter: http://www.ir-women.com/spip.php?article8102 .. Zahlreiche Menschen haben sich bereits mit Atefeh Nabavi solidarisch erklärt http://manatefeham.blogspot.com/2009/11/blog-post.html .. Die Proteste der Angehörigen der politischen Gefangenen im Iran zur Freilassung ihrer Geliebten wurden trotz aller Einschränkungen und Einschüchterungen auch in diesem Monat fortgesetzt. Die beiden Aufnahmen zeigen eine Versammlung vor dem alten Parlamentsgebäude in Teheran am 2.11.2009. NachwortAm 21. und 22.11.2009 fand der diesjährige Kongress der Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI) in Tübingen unter dem Titel "Krisenmanagement!, ‘Sicherheitsarchitektur’ im globalen Ausnahmezustand" statt. Ein erster Überblick über dieses Zusammentreffen kann im NetzSiehe hierzu: http://www.imi-online.de//2002.php?id=2052, http://www.imi-online.de//2002.php?id=2047 . gelesen werden. Eine Sammlung der Vorträge soll noch erscheinen und kann bei IMI bestellt werdenInformationsstelle Militarisierung e.V.; Hechinger Str. 203; 72072 Tübingen; Telefon: 07071/49154; E-Mail: imi@imi-online.de.. Erschreckend für mich ist die Tatsache, mit welcher Offenheit die Herrschenden über ihre Zielsetzungen für die nächsten Jahre und ihre Pläne zur Verwirklichung dieser Vorhaben sprechen können. Wahrscheinlich sind die beiden praktizierten Methoden, "Brot und Spiele" bzw. "Knappheit und Einschränkungen", so wirksam, dass sie sich diesen offenen Angriff leisten können, ohne eine effektive Gegenwehr befürchten zu müssen. Der Verteidigungsminister spricht von "kriegsähnlichen Zuständen" in Afghanistan und der Außenminister rügt während seiner Nahost-Reise die Islamische Republik Iran bezüglich der angeblich angestrebten Atomwaffen und verschweigt dabei, die Atommächte Israel, Indien sowie Pakistan in der Region sowie die auch von der UNO vorgeschlagene Idee zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in dieser Region. Wohin geht die Reise? Sollen auch im Falle Irans Begriffe wie "failed states", "humanitäre Intervention", "Verteidigung der Demokratie und Menschenrechte" zur Sicherung des Rohstoff- und Warenverkehrs sowie zur militärischen Durchsetzung eigener Interessen auf Kosten der Bevölkerung anderer Länder begleitet von zunehmender Einschränkung der Rechte und Freiheiten im eigenen Lande benutzt werden? Ich möchte hier noch einmal betonen, dass die Menschen im Iran eine so reiche Kultur und eine so lange Tradition des Widerstandes haben, um alleine mit den Gewaltherrschern der Islamischen Republik fertig zu werden. Es ist einzig und allein die Aufgabe der iranischen Bevölkerung, Demokratie und Beachtung der Menschenrechte im Iran zu erzwingen (ja zu erzwingen, sie werden von den Herrschenden nirgendswo und keinem Volk freiwillig zugestanden). Diese Artikelreihe soll unter anderem zeigen, dass Menschen im Iran leben, die sich beharrlich, mutig und aufrichtig, der Botschaft der Aufklärung folgend für Freiheit, Gleichheit und Vernunft einsetzen. Würde es der deutschen Bevölkerung gelingen, die aggressiven Pläne des transatlantischen Bündnisses, der Europäischen Union und von NATO zu vereiteln, so wäre das die größte Unterstützung für das iranische Volk in seinen Anstrengungen für Freiheit, Demokratie und Menschentrechte. Die anders denkenden Menschen im Iran, die dem dortigen System auf unterschiedlichster Art Widerstand leisten, brauchen unsere moralische Unterstützung und Informationsarbeit, damit sie wissen, dass ihre Stimme gehört wird und damit der Herrschenden im Iran sehen, dass ihre Untaten in der heutigen, vernetzten Welt nicht unbemerkt bleiben und international eine Welle der Solidarität mit den Opfern herbeiführen. Liebeserklärung Du, Fee der Freiheit! Euch im Sinn Verrückt vor Leidenschaft Du, Fee der Freiheit! (Deutschland, 1. November 2009)
Ganz kurz möchte ich zu meiner Person etwas erwähnen. Seit Jahren lebe ich in Deutschland und bin ärztlich tätig. Meine Eltern, inzwischen 70 bzw. 80 Jahre alt, leben im Iran, und ich möchte sie weiterhin besuchen dürfen. "Afsane" bedeutet Fabel, Märchen oder Legende. Und "Bahar" ist der Frühling, die frohe Botschaft, dass die Wurzeln trotz des Verlustes der Blätter im Herbst und trotz der klirrenden Kälte im Winter intakt sind und das Leben weitergeht. So ist "Afsane Bahar" zustande gekommen. Erwarten Sie nicht, dass ich ein neutraler, unparteiischer Beobachter sein werde. Nein, ich habe so viele schmerzenden Narben im Gesicht, auf dem Rücken, auf den Fußsohlen und Händen und eine Vielzahl von noch hässlicheren inneren Wunden, die man nicht sehen kann, so dass Neutralität ein Fremdwort sein wird. Ich werde jedoch versuchen, fair zu bleiben. "Bilder gegen den Krieg. Momentaufnahmen aus dem Iran" von Afsane Bahar wird fortgesetzt. Die bisher veröffentlichten Teile finden sich unter: FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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