Ausruf der Entrüstung: Ein Überfall auf die Gemeinschaftsweide-Fläche durch eine richterliche AmtspersonUm das Weidegebiet von Areia Grande in der Gemeinde Casa Nova, im Hinterland von Bahia (Brasilien) gibt es seit längerer Zeit einen massiven Konflikt. Die Gemeinschaft der Ziegenbauern leistet Widerstand gegen die Versuche, sie zu vertreiben, um dort Anbau für Ölpflanzen zur Produktion von Biodiesel Platz zu machen. Investoren versuchen, sich durch illegalen Landhandel die Weideflächen anzueignen. Im vergangenen Jahr war der Kleinbauer José Campos Braga, eine Symbolfigur des Widerstandes im Kampf um die Landrechte der traditionellen Kleinbauern-Gemeinschaften, ermordet worden. Jetzt gab es einen erneuten Zwischenfall, wie einem Bericht verschiedener Organisationen aus Brasilien zu entnehmen ist.
"Ich scheiße und verzichte auf die Internationale Konvention" Dr. Eduardo Padilha, Richter in Casa Nova, Bahia
Der Überfall löste bei den Familien der betroffenen Gemeinden von Salina da Brrinca, Jurema, Melancia und Riacho Grande Angst und Unsicherheit aus. Die Familien zeigten diesen Vorfall bei der Polizeidienststelle in Casa Nova an. Die Vereinigung der Rechtsanwälte der ländlichen ArbeiterInnen (Associação de Advogados/as de Trabalhadores Rurais - AATR), die Landpastoral (CPT) in Juazeiro und die Gewerkschaft der Arbeiter in landwirtschaftlichen Großunternehmen (SINTAGRO) der Landkreise Juazeiro, Curacá, Casa Nova, Sobradinho, Sento Sé und Vertreter der BauernInnenvereinigungen des Fundo de Pasto suchten den Richter, Herrn Dr. Eduardo Padilha, im Amtsgericht in Casa Nova auf, um ihn über die Ereignisse zu informieren und um Vorkehrungen zu bitten, da diese Situation große Spannungen verursachte. Überraschenderweise wurde den Anwesenden im Gespräch mit dem Richter bewusst, dass es sich um eine Aktion handelt, die von ihm selbst beauftragt und begleitet wurde, zusammen mit dem Staatsanwalt des Amtsgerichtes Dr. Sebastiäo Coelho, mit Beamten der Militärpolizei, dem Gerichtsdiener, Herrn Alberto Rocha, bekannt unter dem Namen Feijao und von Gileno de Andrade Almeida, der vom Richter als persönliche Sicherheitsperson bezeichnet wurde. Es ist jedoch anzumerken, dass Gileno sich selbst als Vertreter und Teilhaber der Großgrundbesitzer bezeichnet. Als Motiv des gewaltsamen Eindringens gab der Richter eine erneute richterliche Inspektion der Fläche an. Hierbei ist zu bemerken, dass eine richterliche Inspektion der Fläche durch den Richter bereits am 19.02.2010 durchgeführt worden war, dies im Beisein eines Vertreters der Coordenação de Desenvolvimento Agrário (CDA = Zentrale Kommission der Agrarentwicklung des Bundesstaates Bahias) von AATR, CPT, SINTAGRO, sowie der VertreterInnen der BauernInnenvereinigungen des Fundo de Pasto (Gemeinschaftsweideflächen). Aber es war noch nicht genug damit, gewaltsam auf die Fläche eingedrungen zu sein und den einen vorbereitenden Prozessakt durchgeführt zu haben, ohne darüber den Bundesstaat Bahia zu informieren, denn dieser ist Urheber und der Beauftragende der Vermessung der Landflächen zur Feststellung der Besitzverhältnisse. Der Richter schloss die Vertreter der CPT, SINTAGRO und BauernInnenvereinigungen aus und debattierte mit den beiden Rechtsanwältinnen der AATR weiter, wobei er seinen Standpunkt über die Nutzung der traditionellen Fläche deutlich machte. Laut seiner Stellungnahme war die erste Inspektion eine "Täuschung, ein Betrug, ein Schminken" und "ein gestellter Zirkus". Er behauptete, dass auf der Fläche keine Menschen leben und dass er weniger als 50 Ziegen auf der Fläche gesehen hat, und somit es nicht gerechtfertigt ist, dass die Familien diese Fläche erhalten. Der Richter bezweifelte auch die Arbeit der staatlichen CDA, die Landraub von öffentlichem Land bestätigt und dass de facto die Fläche von den Familien bewohnt wird. Er beschuldigte die CDA im Abkommen mit den BauernInnenvereinigungen diese "Täuschung" begangen zu haben. Im Gegensatz dazu argumentierten die Rechtsanwältinnen der AATR, dass die Bevölkerung der Fläche unter dem System des Fundo de Pasto keine ständige Anwesenheit der Familien voraussetzt und dass die Tiere frei gehalten werden. Außerdem machten sie darauf aufmerksam, dass eine Internationale Konvention, ratifiziert vom Parlament, den Schutz dieser traditionellen Form der Nutzung und Bevölkerung sicherstellt. In diesem Moment verachtete der Magistrat dieses legale Instrument und sagte: "Ich scheiße und verzichte auf die Internationale Konvention". Angesichts der Argumentationen seitens der Vertreterinnen der AATR, gab der Richter zu, dass er das System des Fundo de Pasto nicht kennt, weil er auch nie auf dem Land gewohnt hat, aber trotzdem hält er seine Stellungnahme und Interpretation über die Angelegenheit aufrecht. Wir missbilligen den Vorfall dieser richterlichen Inspektion, die den rechtsgültigen Prozess nicht respektiert und im Widerspruch einer umfassenden Verteidigung steht, die Verachtung des Magistrat in Bezug auf die Prozessregeln, die soziale Rechte in Bezug auf die Bevölkerung, die jahrzehntelang dort lebt, und die die Nutzung der Gemeinden des Fundo de Pasto voll unterstützt. Wir bitten um Unterstützung bei der Verbreitung dieser Stellungnahme und für den Kampf der traditionellen Landgemeinden, damit diese weiterhin auf ihrem Land verbleiben können.
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