Zwei Jahrzehnte ElendVon Karl Grobe - Leitartikel Der Verdacht richtet sich sofort auf "die Schwarzen"Siehe hierzu von Karl Grobe: Schwarze Witwen ., die Kaukasier, besonders die Tschetschenen. Die russischen Sicherheitsbehörden haben ihn umgehend nach den beiden schändlichen Terrorakten in der Moskauer U-Bahn geäußert. Die Tatorte und die mutmaßlichen Selbstmord-Attentäterinnen passen ja dazu. Kürzlich erst hat Doku Abu Usman, der vor seiner Selbst-Ernennung zum Emir des Kaukasus Doku Umarow hieß, einschlägig gedroht: In diesem Jahr werde die Märtyrerbrigade Riyad-us-Salihin "die Zone der Militäroperationen auf Russland ausdehnen". Abu Usman-Umarow bekennt sich zu fast jedem Anschlag. Bewiesen ist damit noch gar nichts. Der Emir muss seiner Gefolgschaft Erfolge vorweisen. Der Mann, der zum radikalen Islamisten wurde, nachdem die russischen Sicherheitsbehörden in Tschetschenien seine Brüder in Geiselhaft haben verschwinden lassen, ist zu einem unschönen Symbol eines verwerflichen Kriegs geworden. Einer der beiden Moskauer Tatorte vom Montagmorgen ist ebenfalls Symbol. Am Lubjanka-Platz residiert der Inlands-Geheimdienst FSB. Dessen Rolle beim Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs ist mindestens zwielichtig. Sprengstoffattentate, die dem damaligen Regierungschef Wladimir Putin starke Argumente für seinen kaukasischen Feldzug geliefert haben, können durchaus vom FSB (und nicht von Tschetschenen) verübt worden sein; die Vermutung hält sich nicht nur unter Verschwörungstheoretikern und ins Exil Verbannten, sondern auch in durchaus seriösen Kreisen intellektueller Oppositioneller. Das mag reine Vermutung sein. Sicher ist, dass Putin als Präsident seinen tschetschenischen Krieg nach zwei Jahren dem FSB zur Erledigung übertragen hat. Aber dieser Krieg ist nicht erledigt. Erstens: Das Maß an regionaler Autonomie, das Moskaus Handlanger im tschetschenischen Präsidentenamt, Ramsan Kadyrow, mit staatsterroristischen Mitteln gegen den inneren Widerstand und zunehmend auch gegen Moskauer Wünsche durchgesetzt hat, konnte Putin auch gewaltfrei haben. Er hätte bloß den gewählten Präsidenten Maschadow anerkennen müssen, den Putin nicht akzeptieren wollte und den der FSB 2005 zur Strecke gebracht hat. Zweitens: Putins Krieg hat die autonomistische Bewegung im Nordkaukasus gespalten. Einige haben sich zum Kreml bekannt, und sei es auf die Art Kadyrows. Andere sind umso radikaler und gewalttätiger geworden, in der Art Umarows. Mangels anderer Orientierungspunkte haben sie sich zu einer Ideologie bekannt, die sie selber als islamisch bezeichnen, die aber weder mit der Verkündung Mohammeds noch mit den sufischen Traditionen der jüngeren kaukasischen Geschichte vereinbar ist. Diese sind ebenso wie die frühere Staatsideologie diskreditiert in einer jungen Generation, die fast zwei Jahrzehnte nichts gekannt hat als Perspektivlosigkeit und Arbeitslosigkeit und nicht viel hat lernen können als den Umgang mit Kalaschnikows und Sprengstoff. Und viele Witwen jener, die "in die Berge gegangen" oder im Konflikt gefallen sind, wurden selber zu Täterinnen. Drittens: Der Krieg hat sich über Tschetschenien hinaus zu einer nordkaukasischen Guerilla entwickelt. Sie dauert an und weitet sich aus, je länger wirtschaftliche, soziale und kulturelle Fortschritte ausbleiben; sie macht aber eben diese Fortschritte schwieriger bis unmöglich. Moskau kann deswegen diesen Krieg nicht mehr aufgeben - wie auch die Regierung Barack Obama den vom Vorgänger geerbten "Krieg gegen Terror" nicht aufgeben kann. Und beide Kriege haben dies gemeinsam: Sie verändern die Gesellschaften, in deren Namen sie geführt werden, in Richtung auf Kontroll- und Polizeistaaten. Wenn der Terrorismus aber die Zivilgesellschaft auszuhöhlen beginnt, haben die Terroristen den Tag gewonnen. Sie zu besiegen, das Phänomen Terrorismus zu überwinden - dafür sind die militärischen Apparate nicht geeignet. Die Stärke des terroristischen Gegners bemisst sich nicht in Megatonnen oder Feuerkraft und kaum in Mannschaftsstärken. Terroristen beziehen ihre Ziele und ihr Reservoir aus dem Zustand von Gesellschaften. Die zu sanieren, die Lebensumstände der Menschen erträglich zu gestalten - das sind politische Aufgaben. An denen ist Russland im Kaukasus gescheitert. Die USA und ihre Verbündeten haben sie in Afghanistan ebenso wenig gelöst. Sie haben geholfen, neuen Terror wachsen zu lassen. Quelle: Frankfurter Rundschau vom 29.03.2010. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe. FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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