Kernwaffenfreie Zone - ein Schritt zur atomaren Abrüstung in Nahost?In New York laufen intensive Verhandlungen hinter den Kulissen
Von Wolfgang Kötter Das Projekt einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten könnte mitentscheidend sein für Erfolg oder Scheitern der zurzeit am UNO-Hauptsitz tagenden Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag. Gleich zu Beginn forderte Ägyptens Außenminister Ahmed Aboul-Gheit, die Konferenz müsse ein Vorbereitungskomitee einsetzen, damit konkrete Verhandlungen im kommenden Jahr beginnen können. Die Chefin des US State Departments Hillary Clinton versicherte, Washington würde "praktische Maßnahmen unterstützen", um dieses Ziel zu erreichen. Auch EU-Außenministerin Catherine Ashton sprach sich für eine solche Zone aus. Hinter den Kulissen verhandeln die Diplomaten nun intensiv über eine allgemein annehmbare Formulierung Angesichts des bisher weitgehend tolerierten Atomwaffenbesitzes Israels besitzt das Vorhaben vor allem für die arabischen Staaten überlebenswichtige Bedeutung und nicht zu Unrecht werfen sie dem Westen "Doppelmoral" vor. Darum hatten sie - als im Jahre 1995 über die unbefristete Verlängerung des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages zu entscheiden war - ihre Zustimmung von der Verabschiedung einer speziellen Resolution zur Schaffung einer kernwaffenfreien Zone in Nahost abhängig gemacht. Aber obwohl die Idee schon lange existiert, ist bisher wenig zu ihrer Verwirklichung geschehen. Die Zonenidee stammt ursprünglich vom Iran. Ägyptens Präsident Mubarak weitete das Konzept später auf die Beseitigung aller ABC-Massenvernichtungswaffen in der Region aus. Obwohl Israel inzwischen seinen anfänglichen Widerstand aufgab, herrscht weiterhin Uneinigkeit über den Weg zu diesem Ziel. Die arabischen Staaten fordern bereits als Ausgangspunkt Israels Verzicht auf Atomwaffen. Jerusalem hingegen sieht eine massenvernichtungswaffenfreie Zone erst am Ende eines Friedensprozesses. Notwendig sei zunächst die Schaffung von Vertrauen, die Regelung der territorialen Streitfragen und der Aufbau kooperativer Beziehungen. Regionale Sicherheitslage beachtenWie realistisch sind die Chancen und was ist als Nächstes zu tun? Erfolgreich können die Bemühungen nur sein, wenn sie den sicherheitspolitischen Gesamtkontext der Region berücksichtigen. Seit der Staatsgründung vor über 60 Jahren herrscht in Israel die Bedrohungsangst, es würde mit seiner Bevölkerung von 6 Millionen den über 200 Millionen Arabern und Moslems in der Region unterliegen. Aus israelischer Sicht ist die nukleare Abschreckung wegen der fehlenden strategischen Tiefe des Landes und seiner geringen Bevölkerungszahl die einzige Möglichkeit, die eigene Existenz dauerhaft zu sichern. Das demographische und territoriale Ungleichgewicht sollte mit eigenen Atomwaffen kompensiert werden. Die Regierung in Jerusalem verfolgte lange eine Strategie der atomaren "Undurchsichtigkeit" und hat den Besitz von Kernwaffen weder zugegeben noch abgestritten. "Israel wird nicht als erstes Land Atomwaffen in der Region einführen … Wir können es uns aber auch nicht leisten, die Zweiten zu sein", lautete jahrzehntelang die salomonische Formulierung. Allerdings nannte der damalige Premier Ehud Olmert während eines Deutschland-Besuchs im Dezember 2006 in einem Fernsehinterview Israel in einem Atemzug mit den Atommächten USA, Frankreich und Russland und bestätige so indirekt einen Kernwaffenbesitz. Das Land soll nach internationalen Schätzungen bis zu 300 nukleare Sprengköpfe besitzen und keine der israelischen Nuklearanlagen unterstehen dem Kontrollsystem der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Einen weiteren Atomwaffenstaat in der Region will Jerusalem um keinen Preis dulden. Bereits zwei Mal bombardierte die Luftwaffe deshalb Nuklearkomplexe im Irak bzw. in Syrien. Auch dem Iran droht Israel immer mal wieder mit einem Militärschlag auf die Atomanlagen in Natanz, Isfahan und Arak. Unter Hinweis auf die bedrohte Sicherheitslage ist Israel weder dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag noch dem Biowaffenabkommen beigetreten. Es hat die Chemiewaffenkonvention und den nuklearen Teststoppvertrag zwar unterzeichnet, aber beide bisher nicht ratifiziert. Damit aber verunsichert Jerusalem seine Nachbarn und könnte letztlich ein nukleares Wettrüsten in der Region mit unabsehbaren Folgen auslösen. Denn aus dem Kernwaffenbesitz Israels leiten arabische Nachbarstaaten offene oder verdeckte Bemühungen nach der eigenen atomaren bzw. biologischen oder chemischen Waffenoption ab. So gehören inzwischen zwar alle arabischen Staaten dem Kernwaffensperrvertrag an. Aber Ägypten, und Syrien blieben bisher dem Verbot der Chemiewaffen fern. Auch bei der Biowaffenkonvention fehlen Ägypten, Bahrein und Syrien. Noch kein Mitglied des nuklearen Teststoppvertrages sind Ägypten, Iran, Irak, Jemen, Kuwait, Saudi-Arabien und Syrien. Sicherheitskonferenz könnte Weg ebnenTrotz immer wieder eintretender Rückschläge gab es in den vergangenen Jahren aber auch ermutigende Tendenzen. So erklärte Libyen seinen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen und öffnete sich internationalen Abrüstungskontrollen. Gerade in diesen Tagen gibt es einen neuen Anlauf zum zunächst von US-Nahost-Vermittler George Mitchell geleiteten indirekten palästinensisch-israelischen Dialog, der auch von der Arabischen Liga unterstützt wird. Zumindest eine Zwischenlösung könnte in den internationalen Verhandlungen mit Teheran durch eine Vereinbarung über das zeitweilige Aussetzen oder die Auslagerung der Urananreicherung erreicht werden. Ein weiterer hilfreicher und vertrauensbildender Schritt wäre der Beitritt der bisher abseits gebliebenen Staaten der Region zu den Verträgen über das Verbot biologischer und chemischer Waffen. Der Verzicht auf die Erprobung von Kernsprengsätzen im Teststoppvertrag würde zusätzlich eine nicht auf Atomwaffen zielende Politik bestätigen, und eine Absichtserklärung über die Beschränkung der Reichweite von Raketen könnte gegenseitige Bedrohungsängste abbauen. Die jetzt laufende Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag bietet Israel eine Gelegenheit, seine prinzipielle Bereitschaft zur Mitgliedschaft zu bekunden und spezifische Sicherheitserwartungen dafür zu formulieren. Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China versicherten derweil in einer gemeinsamen Erklärung ihre Unterstützung für das Zonenprojekt und die Bereitschaft, auf der Konferenz alle Vorschläge zu diskutieren, um praktische Schritte in Richtung einer kernwaffenfreien Zone in Nahost zu ergreifen. Wenn es dann noch gelingt, Einigkeit über einen Sonderkoordinator und ein Verhandlungsgremium zu erzielen - möglicherweise eine regionale Sicherheits-Konferenz nach dem europäischen Vorbild der KSZE - könnte ein realer Schritt in Richtung einer kernwaffenfreien Zone in Nahost gegangen werden. Diese Aussicht scheint nicht völlig unrealistisch zu sein. Medienberichten zufolge haben bereits im vergangenen Herbst in Kairo inoffizielle Gespräche zu diesem Thema stattgefunden. Es sollen sowohl Abgesandte Israels und des Iran als auch Vertreter aus Ägypten, Jordanien, Tunesien, Marokko, Saudi-Arabien, den USA und der EU teilgenommen haben. Kernwaffenfreie Zonen
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