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Sorge um die Armen in einem reichen Land

Wie Christinnen und Christen in einem reichen Land wie Deutschland mit der Sorge um die Armen umgehen, war eines der Themen auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag, der vom 12. bis 16. Mai in München stattfand.

 

Die Kirchen in Deutschland und Europa sind "eingebunden in unsere Gesellschaft, und so wie wir in unsere Gesellschaft eingebunden sind, sind wir auch Teil dieses internationalen Marktsystems," meint Präses Dr. Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Denn "unsere Leute, unsere Kirchenmitglieder, ob sie wollen oder nicht, arbeiten in Firmen, die in diesem System eingebunden sind. Und die Kirchensteuer die sie für uns zahlen entsteht auch aufgrund des Funktionierens dieses Systems. Wir sind Profiteure dieses Systems," so Schneider.

In diesem Zusammenhang sei die "eigentliche Frage, die wir diskutieren müssen," ob es eine Möglichkeit gebe "aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem [auszusteigen] und eine andere Alternative [zu] etablieren", oder ob dieses System in einer Weise ausgestaltet werden kann, "dass es fair wird und dass es das Interesse der Armen zulässt."

Diese Frage sei sehr schwer zu beantworten, räumte Schneider ein, der die Evangelische Kirche im Rheinland leitet. Er äußerte sich bei einer Podiumsdiskussion zum Thema: "Schrei aus dem Süden - reicht die Antwort unserer Kirchen?"

Sie fand statt auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag, der von evangelischen und katholischen Laienbewegungen in Deutschland organisiert wurde und rund 125,000 Besucher anzog.

Schneiders Beitrag folgte auf einleitende Bemerkungen von Dr. Rogate Mshana, einem Ökonomen aus Tansania, der Direktor des Programms Gerechtigkeit, Diakonie und Schöpfungsverantwortung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) ist.

Mshana betonte die Notwendigkeit, gegen die Ursachen der Armut und der aufreißenden Kluft zwischen Arm und Reich - innerhalb eines Landes und zwischen den Ländern - an der Wurzel anzugehen: "Diese Sichtweise ist ein markanter Beitrag, den die Kirchen im Süden leisten können."

Mit Blick auf die Ursachen gab Mshana dem vorherrschenden Paradigma der wirtschaftlichen Globalisierung die Schuld. Ihrer Logik entspreche es, dass "eine wenige Länder, die in der Gruppe der G20 zusammenkommen, für die ganze Welt sprechen und in Krisenzeiten enorme Ressourcen umlenken, um gescheiterte Banken zu retten anstelle von Kleinbauern".

Mshana erzählte von seinem Bruder, einem Landwirt, der in Tansania Zuckerrohr anbaut und einen Preiseinbruch erlebte aufgrund der Übersättigung des Marktes mit europäischem Zucker. "Mein Bruder sagte zu mir: ‘Ich will keine Hilfe, ich will Gerechtigkeit’," berichtete Mshana dem Publikum.

"Aus einer menschlichen und einer sozialen Perspektive ist die Ungerechtigkeit, die wir sehen, der größte Skandal überhaupt in der Welt heute," sagte der katholische Erzbischof von Bamberg, Dr. Ludwig Schick auf dem Podium. Wie Schneider bekannte auch Schick, dass die Kirchen im Norden der Welt Nutznießerinnen eines Systems sind, das unfair und reformbedürftig ist.

Schick sieht die Kirchen in reichen Ländern in dreierlei Hinsicht in der Pflicht: den Schrei der Armen zu hören und zu verstehen, mit Entwicklungshilfe zu antworten und sich zu ihrer Fürsprecherin zu machen: "Wir müssen immer wieder den Großen, die helfen können und müssen, auf die Füße treten und sagen: Hier geschieht Unrecht und hier muss etwas geschehen."

Schneider schlug eine Kapitalismuskritik auf Graswurzelebene, auch in den reichen Ländern, vor. Dies sei heutzutage möglich, weil die Unzulänglichkeiten des Marktes zunehmend im Leben der Menschen zu spüren sind.

"Der Norden wandert nach Süden," sagte Schneider. "Wir haben Verelendungsprozesse in unserem Land," in dem ein wachsender Abstand zwischen Arm und Reich zu beobachten sei. "Mittlerweile gibt es niemanden mehr in Deutschland und in unseren Familien, die nicht Familienangehörige kennen, die mit Arbeitslosigkeit zu tun haben oder in anderer Weise ganz große Probleme haben."

Auf einer anderen, praktischeren Ebene, empfahlen sowohl Schneider als auch Schick, dass Kirchenmitglieder und Gemeinden ihr Engagement für den fairen Handel vertiefen und ihre persönlichen Konsumgewohnheiten und ihren Lebensstil ändern sollten.

Beide Verantwortungsträger warnten, dass die Kirchen bescheiden sein müssten: "Wir können nicht alles tun", sagte Schick. "Wir müssen realistisch sein, um Frustrationen zu vermeiden", fügte Schneider hinzu.

Die wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit, die oft als Problem des Südens gilt, sei in Wirklichkeit "das Problem von uns allen", sagte Mshana. Er rief zu einer radikalen Neukonzeption der Marktwirtschaft und des globalen Finanzsystems auf.

"Reform reicht nicht", sagte er, "was wir brauchen ist eine Transformation."

Quelle: Ökumenischer Rat der Kirchen   - Pressemitteilung vom 16.05.2010.

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Veröffentlicht am

17. Mai 2010

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