Bilder gegen den Krieg. Momentaufnahmen aus dem Iran (Teil 27): 23. Teheraner Internationale BuchmesseVon Afsane Bahar, 01.06.2010
Albert Einstein Die vorliegende Artikelreihe wurde im September 2009 mit der folgenden Vorstellung eingeleitet: "Das Zauberwort heißt "Dämonisieren" bzw. "Entmenschlichen". So fängt jeder Krieg an, längst bevor die Waffen sprechen. In diesem Sinne ist der Krieg gegen den Iran voll im Gange. Die iranischen Demagogen und Hetzer an den Machthebeln sitzend tun auch ihr Bestes dazu, Futter für diese Propagandaschlacht zu liefern. Wenn Menschenleben nicht auf dem Plan stünden, könnte man sagen, es ist ein trauriges Spiel, was da getrieben wird. Da jedoch die Bevölkerung den Preis mit allen erdenklichen Mitteln zahlen wird, ist das Adjektiv makaber besser angebracht. Ich denke darüber nach, ob ich es dem deutschen Leser vermitteln kann, dass im Iran Menschen leben mit ähnlichen Sorgen, Wünschen und Beschäftigungen. Die Informationen in deutschen Medien erzeugen oft nur ein verzerrtes Bild von den wahren Gegebenheiten im Iran. Hat man jedoch einmal begriffen, dass bei der Berichterstattung über Kriege hinter den Fernsehbildern Menschenleben stecken, so wird man hoffentlich einmal mehr über den Sinn und Unsinn von Waffeneinsätzen nachdenken." Der Monat Mai 2010 lieferte erneut den Beweis, dass in der weitgehend gleich geschalteten deutschen Massenmedien Gegebenheiten ignoriert und verschwiegen werden, die nicht existieren dürfen, da ansonsten bestimmte aufgebauschte Feindbilder hinterfragt werden könnten. In der Zeit vom 5. bis 15. Mai 2010 fand die 23. Teheraner Internationale Buchmesse (Tehran International Book Fair, abgekürzt als TIBF) statt und wurde von Millionen Menschen besucht. Die im Iran angegebene offizielle Besucherzahl lautete 5,5 Millionen (2009: rund 5 Millionen BesucherInnen). http://www.buecher.at/show_content.php?sid=126&detail_id=2670 . TIBF gilt in Bezug auf die Besucherzahl als die größte Buchmesse weltweit und kommt bezogen auf die Ausstellungsfläche auf Platz zwei. Sowohl bei der linken als auch der rechten deutschen Presse ergab eine Internet-Recherche vom 23.5.2010 bezüglich dieses Ereignisses das folgende entlarvende, ernüchternde, beschämende Ergebnis: "keinen Treffer gefunden".Unter Verwendung der Suchbefehle "Buchmesse Teheran", "Internationale Buchmesse Teheran" und "Buchmesse Iran" wurden die folgenden Internetseiten bei der Recherche berücksichtigt: Paperball (Suchmaschine für die deutschsprachige Presse), Bild.de, Zeit Online, FR-online.de, FAZ.NET, Spiegel Online, Welt Online, taz.de, junge Welt, heise online. Zu dem Bild der verrückten, in die Steinzeit zurück katapultierten Iraner passt eine so gut besuchte Buchmesse schlicht und einfach nicht. Es sollte bei diesem Verschweigen berücksichtigt werden, dass deutsche Verlage in Teheran vertreten waren. In einer Mitteilung der Deutschen Botschaft in Teheran heißt es hierzu: "Auch in diesem Jahr wird Deutschland mit einem Gemeinschaftsstand auf der Internationalen Teheraner Buchmesse vom 05. bis 15. Mai 2010 vertreten sein. An diesem Stand, der von der Frankfurter Buchmesse organisiert und vom Auswärtigen Amt und der Botschaft unterstützt wird, werden insgesamt 623 Titel aus 215 Verlagen präsentiert. Schwerpunktthemen sind in diesem Jahr: • Literarische Neuerscheinungen 2009 • Herta Müller - Literaturnobelpreis 2009 • Land in Sicht - Leichte Lesetexte für Deutschlernende • Auf Humboldts Spuren - Forschungsabenteuer in anderen Welten • Mögliche Welten - Facetten utopischen Denkens • Iranistik / Nah- und Mittelost • Neue Kinder- und Jugendbücher 2010 Der deutsche Gemeinschaftsstand befindet sich in der 2. Etage der Shabestan Halle. Interessierte Besucher sind jederzeit willkommen! Anlässlich der Buchmesse wird auch der schweizerische Autor Perikles Monioudis nach Teheran reisen und Lesungen an Teheraner Universitäten sowie im Haus der Iranischen Künstler abhalten. Die genauen Termine werden rechtzeitig auf der Homepage der Botschaft bekanntgegeben."
http://www.teheran.diplo.de/Vertretung/teheran/de/newsletter_simple/Newsletter_Apr10,variant
. [Weitere Informationen unterhttp://www.ibna.ir/vdci5zaq.t1a3y2lict.html. Aus dem deutschsprachigen Raum war auch Österreich vertreten. Die offizielle österreichische Mitteilung lautete: "Gemeinsam mit der österreichischen Botschaft und dem Kulturforum in Teheran wurden österreichische Verlage eingeladen, sich am Gemeinschaftsauftritt auf der Tehran International Book Fair (TIBF) zu beteiligen. Ähnlich wie bei der Jerusalemer Buchmesse wurde den Verlegern eine kostengünstige Beteiligung per Titelpreis ermöglicht. (…) Da sich die deutsche Sprache im Iran zunehmender Beliebtheit erfreut, war das Interesse des Messepublikums an deutschsprachigen Büchern groß. Daneben waren die Anfragen der StandbesucherInnen sehr vielfältig und reichten von Informationen zu Kultur und Leben in Österreich über konkrete Fragen zu Studienmöglichkeiten und Sprachkursen in Teheran, die dank der Zusammenarbeit mit dem österreichischen Kulturforum ebenfalls gut bedient werden konnten. Darüber hinaus besuchten auch immer wieder AutorInnen, ÜbersetzerInnen und VerlegerInnen den österreichischen Stand, um Informationen und Kontakte zu österreichischen Verlagen zu erhalten. Abseits des Messegeschehens konnten auch gute erste Kontakte zum iranischen Verlegerverband und wichtigen VertreterInnen der Branche geknüpft werden. Da der Iran dem internationalen Copyright-Abkommen nicht beigetreten ist, ergeben sich oft Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit, denen allerdings mit der Unterstützung des Verlegerverbands, der sich gegen Piraterie und für den Rechtehandel einsetzt, entgegengewirkt werden kann. So ergaben sich spannende Gespräche, Einblicke in den iranischen Buchmarkt und auch die öffentlich zugänglichen Vorträge an den Österreich-Tagen zum Thema Copyright und Verlagssuche wurden sehr gut angenommen. (…)" http://www.buecher.at/show_content.php?sid=126&detail_id=2670 . "Österreich ist auf der 23. Internationalen Buchmesse Teheran, die vom 6. bis 15. Mai 2010 stattfindet, mit einem eigenen Stand vertreten. Am Österreichtag (12. Mai) präsentieren Milena Michiko Flašar und Robert Quitta ihre Werke und werden Kafka und Schnitzler in Farsi und Deutsch gelesen. Weiters werden Paneldiskussionen zu Fragen der Literaturübersetzung, von Copyright sowie der Bewerbung von Büchern durch AutorInnen bei Verlagen angeboten. Die Internationale Buchmesse Teheran ist mit über 4 Millionen BesucherInnen die größte der Welt und verfügt über die weltweit zweitgrößte Ausstellungsfläche im Zentrum Teherans. Heuer nehmen 3000 Verlage - darunter fast 1000 ausländische aus 80 Ländern - mit 200.000 Büchern daran teil, allein über 200 Verlage im Bereich der Kinder- und Jugendlichenliteratur. Die österreichische Jungautorin Milena Michiko Flašar liest beim Österreichtag aus ihren Werken ‘[Ich bin]’ und ‘Meine unbekannte Mutter’. Der arrivierte Wiener Theaterschriftsteller und -regisseur Robert Quitta stellt seine Theaterstücke sowie die Video-Dokumentation seines Stücks ‘Celan im Schwarzwald’ vor. Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels zeichnet für den Österreich-Stand verantwortlich und bietet beim Österreich-Tag am 12. Mai Vorträge zu Copyright-Fragen sowie der Bewerbung von Büchern durch AutorInnen bei Verlagen. Weiters finden Lesungen in Farsi und Deutsch von Werken Franz Kafkas und Arthur Schnitzlers statt und diskutiert ein Panel mit dem Publikum über Schwierigkeiten bei Literaturübersetzungen." http://www.bmeia.gv.at/botschaft/teheran/aktuelles/2010.html . Die diesjährige TIBF fand in der Teheraner "Mosalla" statt. Diese Einrichtung wurde ursprünglich als Ort der Freitagsgebete im Teheraner Viertel Abbasabad hergerichtet und sollte eine Alternative zu dem Gelände der Teheraner Universität darstellen. Der Eintritt war kostenlos. Vor dem Eingang befanden sich Zelte, in denen Computer platziert waren. So konnten sich die Besucher anhand des Buchtitels, des Namen des Schriftstellers oder des Verlages oder unter Berücksichtigung der Publikationskategorien darüber informieren, ob und wenn ja wo ihr gesuchter Titel zu finden war. 980 ausländische und 2032 iranische Aussteller beteiligten sich an der 23. TIBF. Die Teheraner Buchmesse hat unter anderem einen hohen Stellenwert für das akademische Leben des ganzen Landes. Jeder Besucher hat die Möglichkeit, bis zu einer dem akademischen Grad nach festgelegten oberen Grenze Bücher zum reduzierten Preis zu kaufen. Nicht nur Einzelpersonen sondern auch Bibliotheken, Lehrkrankenhäuser und Universitäten machen von dieser Möglichkeit landesweit Gebrauch. Während der 23. Teheraner Internationalen Buchmesse wurden 44.000 akademische Bücher vorgestellt. http://www.ibna.ir/vdccxpqe.2bqos8y-a2.html . Bei 17.000 Titeln handelte es sich um Ersterscheinungen. http://www.ibna.ir/vdci55aq.t1a352lict.html . Allein die Nationalbibliothek Irans mit ihrem Sitz in Teheran kaufte für ca. 250.000 US-Dollar Bücher bei der TIBF. http://www.ibna.ir/vdcjx8ea.uqeyiz29fu.html . Zu den ausländischen akademischen Verlagen, die in Teheran anwesend waren, gehörte auch John Wiley & Sons. http://eu.wiley.com/WileyCDA/Section/index.html und http://www.ibna.ir/vdcgtw93.ak9yw4j5ra.html . Die Teheraner Buchmesse wird von verschiedenen öffentlichen Büchereien dazu benutzt für neue Mitglieder zu werben. In diesem Jahr konnten 4061 neue Mitgliedschaften abgeschlossen werden. http://www.ibna.ir/vdcba5bz.rhbgzpe4ur.html . Aufgrund der iranischen Gesetzgebung wurden bestimmte Publikationen auf der TIBF nicht zugelassen. Artikel 12 der Verfassung der Islamischen Republik Iran sieht eine Staatsreligion vor: "Die offizielle Religion des Iran ist der Islam und die dschafaritische Rechtsschule, die Schule der ZwöIfer-Schia. Eine Änderung dieses Artikels ist nicht zulässig. …". Im Artikel 4 wird festgehalten: "Alle zivilen, strafrechtlichen, finanziellen, ökonomischen, administrativen, kulturellen, militärischen und politischen sowie alle übrigen Gesetze und Vorschriften müssen im Einklang mit den islamischen Maßstäben stehen."Die Verfassung der Islamischen Republik Iran liefert den besten offiziellen Beweis dafür, dass die Menschenrechte im Iran systematisch verletzt werden. Nach offiziellen Angaben der zuständigen iranischen Stellen wurden die "irreführenden Sekten" als Aussteller von der Teilnahme an der Buchmesse ausgeschlossen. http://www.magiran.com/npview.asp?ID=2032862 . Damit sind die Bahais http://de.wikipedia.org/wiki/Bahai . und die Wahhabiten http://de.wikipedia.org/wiki/Wahhabiten . gemeint. Auch Bücher, die sich mit der "synkretistischen Mystik" befassen, durften nicht ausgestellt werden. Dieser Begriff bezieht sich auf eine Schrift des iranischen Autors Reza Madani, der zwischen einer echten islamischen und einer gegen den "islamischen Geist" gerichteten Mystik unterscheidet. Schriften gegen "religiöse Lehren" und speziell gegen die Schule der ZwöIfer-Schia konnten offiziell nicht auf der TIBF ausgestellt werden. Weitere Kriterien der Zensur waren die Gefährdung der "territorialen Integrität" und Beleidigung bzw. in Fragestellung des "heiligen Systems der Islamischen Republik Iran". Die Bücherausstellung wurde begleitet von einer Vielzahl von Lesungen, Informationsveranstaltungen und Programmen für verschiedene Altersgruppen. Im Anschluss an die Buchmesse in Teheran fanden kleinere Ausstellungen in einigen iranischen Städten statt.
"Bilder gegen den Krieg. Momentaufnahmen aus dem Iran" von Afsane Bahar wird fortgesetzt. Die bisher veröffentlichten Teile finden sich unter: FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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