Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Fragen und Antworten zum Protest gegen “Patenschaft” mit Bundeswehreinheit

Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. hat eine Protestaktion gegen eine "Patenschaft" der Stadt Gammertingen mit einer Bundeswehreinheit begonnen (siehe:  "Offener Brief" an Bürgermeister wegen Unterstützung des Afghanistan-Krieges ). Dabei werden verschiedene Fragen aufgeworfen. Auf ein paar geben wir an dieser Stelle nach und nach Antworten.


Ist es nicht übertrieben, von einer Militarisierung unserer Gesellschaft zu reden?

Unsere Welt steht vor riesigen Problemen: Klima, Armut, Ernährungsunsicherheit, Energiewende, Wasserversorgung, Bändigung des Wildwuchses des Finanzkapitalismus und Veränderung der ökonomischen Systeme, da ein ewiges Wachstum nicht möglich sein wird. Durch Krieg können diese Probleme nicht gelöst werden. Die Konsequenz: Statt Aufrüstung und Krieg brauchen wir Kooperation und Friedenspolitik. Doch die politischen Eliten haben dies zum großen Teil noch nicht begriffen. Sie setzen nach wie vor auf die militärische Schiene.

Die Bundeswehr kämpft seit 2001 in Afghanistan. Angeblich, um die Sicherheit und Freiheit Deutschlands am Hindukusch zu verteidigen. Anfangs hieß der Einsatz - in der Orwell’schen Sprache herrschender Politik - "Aufbaueinsatz". Inzwischen wird der Krieg auch Krieg genannt.

Nun geraten aber angesichts des Krieges in Afghanistan sowohl die Bundeswehr wie die sie bestimmende Politik immer stärker in Rechtfertigungsnöte. Denn eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung - etwa zwei Drittel - will diesen Krieg nicht. Dieser allgemeinen Kriegsunwilligkeit versuchen Bundesregierung und Bundeswehr mit Propagandainitiativen im öffentlichen Raum entgegen zu wirken.

Mit Militär- und Waffenschauen, öffentlichen Gelöbnissen, Zapfenstreichen und Verabschiedungsappellen in den Kriegseinsatz soll Akzeptanz geschaffen werden. 2009 fanden über 180 öffentliche Gelöbnisse und 12 große Zapfenstreiche statt. 1.346 mal trat das Bundeswehr-Musikkorps auf. 98 andere militärische Zeremonien wurden inszeniert. Weil die Bundeswehr nicht mehr genug Berufs- und längerdienende Soldaten rekrutieren kann, sucht sie diese Lücken mit Werbeoffensiven zu füllen. Sie nimmt dabei die Einrichtungen ins Visier, an denen Jugendliche lernen, ausgebildet werden und eine berufliche Perspektive suchen. So kommen geschulte Jugendoffiziere an Schulen und Universitäten zum Einsatz, um junge Menschen über die Landesverteidigung hinaus für weltweite Kriegseinsätze zu gewinnen, die natürlich als unumgängliche "friedenssichernde Maßnahmen" dargestellt werden. Werbeauftritte der Bundeswehr auf Festen, bei Messen, in Schulen, Betrieben und Arbeitsagenturen sind an der Tagesordnung und werden durch offizielle Kooperationsabkommen institutionalisiert. Auch "Patenschaften" zwischen rund 700 Gemeinden, Städten und einem Landkreis mit Bundeswehreinheiten eignen sich gut für Militärpropaganda im kommunalen Bereich.

Der "Kampf um die Herzen und Köpfe" an der Heimatfront kann sich kriegsentscheidend auswirken - dieser Kampf wurde während des Vietnam-Kriegs innerhalb der USA verloren und somit auch der Krieg. Der Vietnam-Krieg zeigt, dass Staaten einen internen Feind haben: Wenn die Bevölkerung gegen die staatliche Politik ist, muss sie unter Kontrolle gebracht werden. Demokratische Gesellschaften stützen sich nicht auf direkte Gewalt, sondern auf Propaganda. "Die Bundeswehr greift in Deutschland an" (Titel einer Broschüre des Komitee für Grundrechte und Demokratie) - dies bringt gut auf den Begriff, was derzeit in unserem Land in dieser Hinsicht geschieht und was zu einer Militarisierung unserer Gesellschaft beiträgt. Militär soll zum Alltag gehören, zum Normalen werden. Das Normale ruft kaum Widerstand hervor.

Was spricht denn gegen eine "Patenschaft" der Stadt Gammertingen mit einer Bundeswehreinheit?

Die konkrete Ausgestaltung der "Patenschaft" zwischen der Stadt Gammertingen und der 4. Kompanie des Führungsunterstützungsbataillons 291 hat sich bisher z.B. so dargestellt, dass die Soldaten der "Patenschaftskompanie" bei den Vor- und Nachbereitungen zum City-Fest ebenso mitgewirkt haben wie als Beteiligte beim Fest. Auch am Volkstrauertag und beim Stadtlauf gab es gemeinsame Aktivitäten. Am Weihnachtsmarkt beteiligten sich die Soldaten ebenso wie an einer Landschaftspflegeaktion des Schwäbischen Albvereins. Die "Patenschaft" wird auch genutzt, um Kinder bereits früh an die Bundeswehr heranzuführen. So hat sich in jüngster Zeit zum Beispiel die Bundeswehr mit einem Informationsstand am Schulfest der Grund-, Haupt- und Werkrealschule mit Förderschule beteiligt. Und am Ende ihrer Kindergartenzeit besuchten 49 Kinder eine Kaserne, bestaunten dort u.a. "ein Düsenflugzeug vom Typ Tornado, in dem man sich als Pilot oder Copilot fühlen durfte." (Amtsblatt der Stadt Gammertingen vom 19.08.2010). Und es nimmt sogar so "seltsame Blüten" an, dass nicht nur aktive Soldaten, sondern selbst Kinder unter der Bezeichnung "FüUstgsBtl 291", also der "Patenschaftskompanie" der Stadt Gammertingen am 24.07.2010 am Stadtlauf teilgenommen haben! (siehe:  "Bundeswehrpatenschaft" und Kinder )

Vieles wirkt auf den ersten Blick noch recht harmlos und wird von den Verantwortlichen auch entsprechend dargestellt. Hier tritt der Soldat also als der hilfsbereite nette junge Mann in Erscheinung und entspricht der Eigenwerbung der Bundeswehr, die den Soldaten nach wie vor als Aufbau- bzw. Katastrophenhelfer, als Staatsbürger oder gar "Weltbürger in Uniform" darstellt und ein kriegsfernes Berufsbild suggeriert.

Doch den eigentlichen Sinn und Zweck von "Bundeswehrpatenschaften" beschreibt die Bundesregierung folgendermaßen:

"Patenschaften von Einheiten und Verbänden der Bundeswehr mit Städten und Gemeinden sollen das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger für die Bundeswehr als Instrument einer wehrhaften Demokratie zur Friedenssicherung fördern." (Antwort der Bundesregierung, BT- Drucksache 17/2688 vom 30. Juli 2010) siehe: Sinn, Zweck, Umfang und Kosten von Patenschaften von Städten, Gemeinden und Landkreisen mit Einheiten der Bundeswehr - PDF-Datei, 2.007 KB)

Mit einem Begriff wie "Friedenssicherung" werden in der Gegenwart lediglich Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr verschleiert. Und so sind die "Patenschaften" ein Instrument, mit dem das Verständnis und die Akzeptanz für eine "Armee im Einsatz" gefördert werden soll. Letztlich ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit für Kriegseinsätze wie in Afghanistan.

Dies ist gewollt. Das zeigt u.a. auch die Teilnahme des Gammertinger Bürgermeisters Jerg und verschiedener seiner Bürgermeisterkollegen beim "Verabschiedungsappell" der im Mai 2010 in Sigmaringen.

Dort wurden auch Soldatinnen und Soldaten aus der "Patenschaftskompanie" der Stadt Gammertingen in den Kriegseinsatz nach Afghanistan verabschiedet. Unter anderem wurde diesen von Bürgermeister Jerg eine Ortstafel der Stadt Gammertingen in den Afghanistan-Einsatz mitgegeben. Einem Bericht über diesen "Verabschiedungsappell" im "Amtsblatt der Stadt Gammertingen" ist zu entnehmen, dass die enge Verbundenheit zwischen der Stadt Gammertingen und der Bundeswehr unterstrichen und betont worden sei, wie wichtig für die Bundeswehr die breite Unterstützung und Anerkennung ihrer Auslandseinsätze ist.

Indem hier eine breite Unterstützung und Anerkennung der Einsätze der Bundeswehr suggeriert wird, ist spätestens das Maß des Erträglichen überschritten worden. Denn der Krieg in Afghanistan geschieht nicht in unserem Namen! Bundeswehrsoldaten sind nicht in unserem Namen am Hindukusch! Wir protestieren gegen die Unterstützung dieses Kriegseinsatzes im Namen der Stadt Gammertingen. Und weil mit dem Instrument "Patenschaft" die Akzeptanz für Kriegseinsätze erhöht werden soll, fordern wir, dass der "Pate" wieder Abstand nimmt von diesem zweifelhaften Instrument der Kriegsförderung.

Aber Gammertingen ist doch nicht die einzige Stadt mit einer "Bundeswehrpatenschaft"?

Angestoßen durch unsere Aktion hat die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Aufgrund der Antwort der Bundesregierung wissen wir, dass es rund 700 solcher "Patenschaften" gibt (siehe: Sinn, Zweck, Umfang und Kosten von Patenschaften von Städten, Gemeinden und Landkreisen mit Einheiten der Bundeswehr (im Anhang befindet sich Liste mit bestehenden "Patenschaften") - Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler u.a. vom 14.07.2010 (Drucksache 17/2581) und Antwort der Bundesregierung vom 30.07.2010 (Drucksache 17/2688 - PDF-Datei, 2.007 KBObwohl die Auflistung bestehender "Patenschaften" aktuell von der Bundesregierung kommt, ist diese nicht vollständig. So fehlen z.B. in der Liste die "Patenschaften" der Gemeinden Gammertingen, Scheer, Inzigkofen und Bingen mit dem Führungsunterstützungsbataillon 291 in Sigmaringen.).

So gesehen, mag es den Verantwortlichen der Stadt Gammertingen ungerecht erscheinen, dass nun ausgerechnet sie in den Fokus massiven Protests geraten sind. Doch wurde diese "Patenschaft" neu in einer Phase eingegangen, in der die Akzeptanz für den Afghanistan-Krieg in der Bevölkerung immer mehr schwindet, teilweise sogar in der Bundeswehr selber. Deshalb hat es eine besondere Bedeutung, wenn sich eine Gemeindevertretung genau zu diesem Zeitpunkt für eine "Patenschaft" und die damit verbundene Unterstützung von Kriegseinsätzen entscheidet.

Unsere Aktion mit dem "Offenen Brief" an den Gammertinger Bürgermeister steht zugleich exemplarisch für rund 700 andere Orte, in denen in ähnlicher Weise versucht wird, die Unterstützung der Bevölkerung für den Krieg in Afghanistan (und anderswo) zu steigern. Potentiell lebt fast jede und jeder von uns in einer Gemeinde mit einer solchen "Patenschaft" oder hat eine solche in seiner Umgebung (eine Auflistung bestehender "Patenschaften" befindet sich im Anhang der Antwort der Bundesregierung vom 30.07.2010 auf die kleine Anfrage von Kathrin Vogler). Ein reichhaltiges Betätigungsfeld also! Jedenfalls ein Thema, das nicht nur uns in Gammertingen interessieren sollte. Deshalb hoffen wir, dass unsere Aktion sogar Anregung und Ermutigung für andere unmittelbar Betroffene ist. Jedenfalls machen wir bereits die Erfahrung, dass sich aufgrund unserer Aktion zunehmend Menschen fragen, ob auch ihre Gemeinde eine solche "Patenschaft" eingegangen ist oder dies plant.

Übrigens hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von Kathrin Vogler u.a. bestätigt, dass diese Patenschaften "jederzeit aufgelöst werden können".  

Mit der Forderung nach Aufhebung dieser "Patenschaft" wird doch den Soldaten in den Rücken gefallen und ihnen die Solidarität verweigert?

Wir gehen davon aus, dass kaum einer der Soldaten gerne im Kriegseinsatz ist und bald wieder gesund zuhause sein möchte. Deshalb hoffen und wünschen wir jedem Soldaten und jeder Soldatin, dass er und sie keinen Schaden nehmen wird und wieder gesund nach Hause kommt (was aber immer schwieriger wird, denn außer getöteten und körperlich verletzten Soldaten kehren immer mehr Soldaten traumatisiert in ihre Heimat zurück).

Nun handelt es sich bei den Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im Afghanistan-Einsatz um Zeit- oder Berufssoldaten oder längerdienende Wehrpflichtige. Alle unterschreiben (inzwischen), dass sie mit dieser Verpflichtung Verwendungen im Auslandseinsatz zustimmen. Insofern könnten die Soldatinnen und Soldaten wissen, dass sie im Ausland, im Krieg eingesetzt werden können. Ihnen müsste auch der Wandel von einer Verteidigungsarmee zu einer "Armee im Einsatz" bewusst sein. So lautet z.B. in der neuen, 2008 erlassenen "Zentralen Dienstvorschrift" ZDv 10/1 die klare Aussage zum Handeln des Soldaten: "der militärische Auftrag erfordert in letzter Konsequenz, im Kampf zu töten und dabei das eigene Leben und das Leben von Kameraden einzusetzen". (ZDv 10/1, Innere Führung, Selbstverständnis und Führungskultur der Bundeswehr, BMVg 2008, S. 18f.)

Klar ist, dass Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bereit sein müssen zu töten. Und sie tun dies auch in zunehmendem Maße. Deshalb gehört unsere Solidarität und Trauer zunächst vor allem den unbewaffneten Opfern dieser bewaffneten und zum Töten ausgebildeten Soldaten.

Uns ist aber ebenfalls bewusst, dass sich die Bundeswehr die immer schlechteren Aussichten junger Menschen auf einen Arbeitsplatz zunutze macht, um sich als "Armee im Einsatz" als verheißungsvoller Arbeitgeber zu profilieren. Überproportional viele neue Rekruten und Freiwillige kommen aus strukturschwachen Regionen, besonders aus dem Osten Deutschlands. Mangels anderer Perspektiven sind sie unter Umständen bereit, in Kriegen ihr Leben zu riskieren. Diese Art von „Freiwilligkeit“ ist tragisch und es bedarf dringend alternativer Arbeitsplätze im zivilen Bereich.

Jedenfalls können aber Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten von uns, die wir diese Kriegseinsätze und deren Vorbereitung grundsätzlich für falsch halten und ablehnen, keine Solidarität für diese Einsätze erwarten. Wir engagieren uns ja gerade dafür, dass sie nicht in solche Einsätze geschickt werden.

Davon abgesehen hat jede Soldatin und jeder Soldat das Recht zur Kriegsdienstverweigerung, die auch nachträglich noch immer möglich ist, mit allen Nachteilen für Zeit- und Berufssoldaten. Getreu dem Slogan: "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin." Soldatinnen und Soldaten die von ihrem Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch machen, können mit unserer Solidarität rechnen.

Sollten Soldatinnen und Soldaten den Einsatz in Afghanistan kritisieren und ihnen dabei unsere Solidarität wichtig sein, würden wir sie dabei ebenfalls unterstützen.

Im Übrigen erweisen wir mit unserer Forderung, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen, die größte Solidarität gegenüber den Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten: Wir wollen, dass sie von diesem Kriegsschauplatz abgezogen, nicht mehr in diesen lebensgefährlichen Kriegseinsatz geschickt und nicht mehr in die Situation gebracht werden, töten zu müssen (siehe hierzu auch den eindrücklichen Artikel:  "Stolz" auf tote Soldaten? ).

Für diese Forderung erhalten wir auch Unterstützung aus der Bundeswehr heraus. Oberfähnrich Christian Neumann, ein im elften Jahr aktiver Soldat der Bundeswehr, unterstützt unseren Protest gegen die "Patenschaft" mit seiner Unterschrift unter den "Offenen Brief". In einem Schreiben an den Gammertinger Bürgermeister betonte er, es gäbe auch viele Soldaten, die nicht wollten, dass "die Bundeswehr mit ihrem klaren Verteidigungsauftrag an Interventionskriegen der NATO mitwirkt!" Es gäbe einige hundert Offiziere und Unteroffiziere in der Bundeswehr, die seit Jahren berechtigte Bedenken äußerten. "Die Angehörigen der Bundeswehr sind auch Menschen Ihrer Gemeinde, die protestieren", schreibt er weiter. "Der gesellschaftliche Querschnitt spiegelt sich im Personal der Bundeswehr wieder. Das sind keine anderen Menschen und schon gar keine, die vom Krieg überzeugter sind als andere." (siehe "Christian Neumann: Bundeswehrsoldat ruft Herrn Bürgermeister Holger Jerg zum Dialog auf" unter www.lebenshaus-alb.de/magazin/006443.html )

Würden Bürgermeister Jerg und seine Bürgermeisterkollegen die "Patenschaft" so verstehen, dass sie die Soldaten möglichst schnell heim holen und den entsetzlichen Einsatz möglichst bald beendet sehen möchten, dann könnten wir ihnen darin zustimmen.

Ist diese Auseinandersetzung nicht Sache von Gammertinger Bürgerinnen und Bürgern? Warum wird auch um Unterschriften von Menschen außerhalb dieser Gemeinde geworben?

Wie wir schon oben geschrieben haben, ist nicht nur die Stadt Gammertingen eine solchen "Patenschaft" mit einer Bundeswehreinheit eingegangen, sondern es gibt zahlreiche solche und ähnliche "Patenschaften". Und es gibt weitere Maßnahmen, um in der Bevölkerung die Stimmung für Kriegseinsätze positiv zu beeinflussen. Sowie um neue Bundeswehrsoldaten zu werben.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Vorgängen in Gammertingen um keine rein lokale Angelegenheit. Unser Aktion mit dem "Offenen Brief" an den Gammertinger Bürgermeister sehen wir als beispielhaft für einen Protest gegen "Patenschaften" auch an anderen Orten.

Deshalb bitten wir alle Menschen um Unterstützung für unseren "Offenen Brief", die gemeinsam mit uns gegen diese Militarisierung unserer Gesellschaft und die Beteiligung an Kriegen protestieren. Dabei wünschen wir, dass möglichst viele Menschen aus Gammertingen mitmachen. Zudem verstärken aber die Unterschriften "von außerhalb" die Aufmerksamkeit für unsere Anliegen und zudem den Druck auf die Adressaten enorm.

Und schließlich sind wir gerade in einer Region, in welcher die Bundeswehr fest verankert ist, auf Solidarität bei unserem Protest angewiesen.

Über Bundeswehreinsätze wird ja nicht auf der Gemeindeebene entschieden. Warum wird dann gegenüber einem Bürgermeister wegen dem Afghanistan-Krieg protestiert?

Uns ist bewusst, dass Kommunalpolitiker nicht unmittelbar über die Beteiligung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen und an einem Krieg entscheiden. Für diese Entscheidungen sind Bundesregierung und Bundestag verantwortlich. Deshalb protestieren wir auch ihnen gegenüber gegen den Afghanistan-Krieg (siehe z.B. die aktuelle Unterschriftenaktion an Bundesregierung und Bundestag: Den Krieg in Afghanistan beenden - zivil helfen ). Die Kommunalpolitik aber kann friedensfördernd wirken und den Widerstand der Bürgerinnen und Bürger gegen die Kriegseinsätze stärken. Oder eben das Gegenteil machen. In einer Patenschaft einer Gemeinde mit einer Bundeswehreinheit sehen wir letztlich eine Unterstützung der Bundeswehr im Gesamten und der dahinterstehenden Politik. Und dazu gehören Kriegseinsätze. Unterstrichen wird dies ja auch durch die Teilnahme an einem "Verabschiedungsappell" der Patenschaftskompanie in einen Kriegseinsatz.

Wir erwarten von der Stadt Gammertingen - wie wir diese Erwartung natürlich ebenso an alle anderen Kommunen haben -, dass sie alle ihre gebotenen Möglichkeiten nutzt, um Frieden mit friedlichen Mitteln fördern zu helfen. Beispiele dazu haben wir in unserem "Offenen Brief" aufgeführt.

Wird der Stadt Gammertingen Kriegstreiberei vorgeworfen?

Am 23. Juni 2010 titelte die Schwäbische Zeitung in ihrer Lokalausgabe: "Verein wirft Stadt Kriegstreiberei vor". Die inhaltliche Aussage dieser Schlagzeile geht offensichtlich auf Bürgermeister Jerg zurück, der in der Gemeinderatssitzung am 15. Juni 2010 darstellte, der "’Friedensverein’ würde der Stadt Kriegstreiberei und die Förderung des Militarismus vorwerfen" ( Schwäbische Zeitung, 23.06.2010 ).

Wir haben den Begriff "Kriegstreiberei" für unsere Kritik an der Stadt Gammertingen in Sachen "Bundeswehrpatenschaft" etc. nicht verwendet. Denn aus unserer Sicht trifft das die Sache nicht. Jedenfalls nicht, wenn unter Kriegstreiber jemand verstanden wird, der die Politik in den Krieg treibt. Ein Kriegshetzer sozusagen. Eine solche Scharfmacherei unterstellen wir weder Herrn Jerg noch der Stadt Gammertingen.

Dagegen üben wir - wie mehrfach betont - Kritik an Bundeswehrpatenschaften, die so ausgestaltet werden, dass die Gewöhnung an Kriege und die Kriegsteilnahme von Soldaten der "Patenschaftskompanie" als Normalität erscheinen.

Wie reagiert Bürgermeister Jerg auf die Kritik an der "Patenschaft"?

Bisher scheint es keinerlei Bereitschaft zu einer sachlichen inhaltlichen Auseinandersetzung mit unseren Anliegen zu geben. Stattdessen scheint es Herrn Jerg darum zu gehen, Stimmung gegen Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. zu machen und dessen Möglichkeiten, für seine Aktion zu werben, möglichst zu beschneiden.

Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls durch den Bericht der Schwäbischen Zeitung über die Gemeinderatssitzung vom 15. Juni 2010 auf. Und er verstärkt sich durch eine Stellungnahme von Bürgermeister Jerg im "Amtsblatt der Stadt Gammertingen - Nr. 25 vom 24. Juni 2010", in der er u.a. mitteilt, dass sich der Gemeinderat der Stadt Gammertingen in seiner jüngsten öffentlichen Gemeinderatssitzung mit "diesen aktuellen zum Teil diffamierenden und ungeheuerlichen Vorwürfen des Vereins befasst" und einstimmig beschlossen habe, "die positiv begonnene Patenschaft mit den Soldatinnen und Soldaten der 4. Kompanie des Führungsunterstützungsbataillons 291 unverändert fortzuführen."

Gleichzeitig teilt Bürgermeister Jerg mit, dass unser Hinweis auf die Aktion unter "Vereinsnachrichten" nicht veröffentlicht würde. Auch dieser Vorgehensweise sei vom Gemeinderat einstimmig zugestimmt worden. Dem Verein Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. werde es auch in Zukunft nicht mehr möglich sein, auf seine friedenspolitischen Aktivitäten "innerhalb der redaktionellen Veröffentlichungen der Vereinsnachrichten im kommunalen Amtsblatt" hinzuweisen. Während also Bürgermeister Jerg das "Amtsblatt" ausgiebig für seine Stellungnahmen pro Bundeswehr und gegen Lebenshaus nutzt, wird uns das bisherige Recht zu kurzen Hinweisen unter "Vereinsnachrichten" vollends genommen. Bisher durften wir zumindest knapp von unserer Arbeit berichten, wurden aber stets darauf verwiesen, dass dies "nicht politisch" sein dürfe. Entsprechend wurden immer wieder Berichte zensiert, in denen Kritik an Kriegen oder anderem geäußert wurde. Jetzt soll uns also auch diese Möglichkeit genommen werden. Das hat zur Folge, dass wir im "Amtsblatt" nur noch durch kostenpflichtige Anzeigen oder ebenfalls zu bezahlende Beilagen auf unsere Friedensarbeit hinweisen dürfen.

Wünschen würden wir uns mehr Sachlichkeit in der politischen Auseinandersetzung. Und die Einsicht, dass Meinungsverschiedenheiten selbstverständlich sind und ein fairer Meinungsstreit zu den Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft gehören.

Ergänzung zu einem aktuellen Vorgang:

Betreibt Lebenshaus mit seiner Aktion eine Diffamierungskampagne gegen die Stadt Gammertingen?

Bürgermeister Jerg bestreitet in verschiedenen Schreiben unverständlicherweise heftig, dass es irgendeinen Zusammenhang zwischen der "Bundeswehrpatenschaft" und Auslands- und Kriegseinsätzen der Bundeswehr überhaupt gibt. In einem Schreiben mit Betreff "Diffamierungskampagne gegen die Stadt Gammertingen" schreibt er am 24. Juni 2010 an Lebenshaus Schwäbische Alb unter anderem: "In unserer Patenschaft einen direkten oder gar indirekten Unterstützungsakt für kriegerische Handlung zu sehen, ist mehr als irreal. Mit Ihrer Aktion dienen Sie in keinster Weise Ihren durchaus nachvollziehbaren Friedensaktivitäten, sondern Sie diffamieren willentlich alle anderen Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gammertingen."

Tatsache ist aber, dass beispielsweise im Mai der "Verabschiedungsappell" in Sigmaringen mit Beteiligung von Bürgermeister Jerg stattgefunden hat. Dort wurden auch Soldatinnen und Soldaten aus der "Patenschaftskompanie" der Stadt Gammertingen in den Kriegseinsatz nach Afghanistan verabschiedet. Tatsache ist, dass Bürgermeister Jerg ihnen eine Ortstafel der Stadt Gammertingen in den Afghanistan-Einsatz mitgegeben hat. Und ebenfalls ist es Tatsache, dass in einem Bericht über diesen Verabschiedungsappell im "Amtsblatt der Stadt Gammertingen" die enge Verbundenheit zwischen der Stadt Gammertingen und der Bundeswehr unterstrichen und betont worden ist, wie wichtig für die Bundeswehr die breite Unterstützung und Anerkennung ihrer Auslandseinsätze ist. (Siehe "Amtsblatt der Stadt Gammertingen" Nr. 20 vom 20. Mai 2010, Titelseite ).

In dem ebenfalls im Amtsblatt veröffentlichten Schreiben von Haupt- und Kompaniefeldwebel Sven Walter an Bürgermeister Jerg wird ausdrücklich lobend erwähnt, wie sehr dieser mit seiner "Anwesenheit und Übergabe der Ortsschilder an unsere Einsatzsoldaten einen wesentlichen Beitrag zum gestrigen, gelungenen Verabschiedungsappell beigetragen" hat. "Die 11 Einsatzsoldaten (1x Kosovo KFOR und 10x Afghanistan ISAF) verlegen ab dem 17. Mai mit dem Gefühl in den Auslandseinsatz, dass unsere Patengemeinde zu uns und unserem Auftrag steht."

Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, warum der Bürgermeister seinen eigenen Beitrag zur Unterstützung der Bundeswehr bei deren Afghanistan-Einsatz so vehement bestreitet und stattdessen denjenigen "Diffamierung" vorwirft, die diese Zusammenhänge aufgreifen und problematisieren.

Dies macht Herr Jerg im Übrigen nicht nur in einem Schreiben an uns, sondern ebenfalls in Schreiben an Menschen, die sich mit Kritik wegen der "Patenschaft" an ihn gewandt haben.

 

Fußnoten

Veröffentlicht am

11. Juli 2010

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