Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Immer schärfer zeigt sich der Katastrophenkapitalismus auch im Norden

Von Thomas Gebauer - Kommentar

Langsam zeigen sich die Konturen der Krise. So oft von ihr in den zurückliegenden Jahren die Rede war, bekommen wir doch erst jetzt eine Ahnung dessen, was sie bedeuten könnte. Wir, das sind die Bewohner des privilegierten globalen Nordens, wo sich das Unheil bislang meist noch von der angenehmeren Seite gezeigt hat. Nun aber wird klar, dass sich die negativen Seiten des Katastrophenkapitalismus nicht mehr einfach nur exportieren lassen. Das destruktive Potential der herrschenden Wirtschaftsordnung, das bereits großen Teilen der Bevölkerung im globalen Süden die Lebensgrundlagen geraubt hat, bleibt nicht länger auf die anderen begrenzt. Die Katastrophe kehrt heim.

So erfahren die Folgen eines entfesselten Raubbaus an der Umwelt heute auch die Bewohner der Küsten Floridas. Wie gemeingefährlich der Slogan "Drill, drill, drill" (Bohren, was das Zeug hält) war, mit dem die Regierung von George W. Bush der heimischen Industrie größtmögliche Profite sichern wollte, zeigt sich in einer nicht enden wollenden Katastrophe, für die am Ende keiner mehr gerade stehen will. Katastrophenstimmung auch in Deutschland. Bürgschaften in astronomischer Höhe werden notwendig, um den drohenden Staatsbankrott eines Mitgliedslandes der Europäischen Union abzuwenden. Waren es anfangs vor allem die Menschen im globalen Süden, die die Finanzmarktkrise zu spüren bekamen, hat diese nun auch den gesamten europäischen Wirtschaftsraum erfasst. Infolge der rigorosen Sparpolitik, die Deutschland Europa aufdrückt, drohen Deflation und Massenarbeitslosigkeit auf breiter Front. Aber auch Inflation und gar das Ende der Euro schließt die Finanzpresse nicht aus. So widersprüchlich die Prognosen, so verunsichert die Leute. Dennoch hat sich die schwarz-gelbe Regierung festgelegt: um Vermögende und Besserverdienende ja nicht höher, also angemessen zu besteuern, nimmt sie lieber die weitere Zerrüttung des gesamten Staatswesens in Kauf.

Es könne nun mal kein Freibier für alle geben, tönt der Außenminister - und findet nichts Unmoralisches daran, großzügige Vergünstigungen für Millionäre durchzusetzen. Dabei müsste er um die fatalen Auswirkungen einer rapide voranschreitenden sozialen Spaltung wissen, die ihm auf seinen Auslandsreisen begegnen. Zumal die "failed states" längst nicht mehr auf die südliche Hemisphäre beschränkt bleiben. Gleich um die Ecke, in Belgien, kann heute beobachtet werden, wie soziale Erosion zunächst die Angst vor Deklassierung und dann ethnische Überhöhungen schürt. Vieles deutet darauf hin, dass Maggie Thatchers Postulat: "there is no such a thing society", ausgerechnet in dem Augenblick, da es ideologisch widerlegt ist, zur vollen Geltung kommt. Wo es aber keine Gesellschaft mehr gibt, gedeihen extremistische Identitätspolitik sowie in ihren Schatten Korruption und organisierte Kriminalität. Die Katastrophe kehrt heim, und wie zu Zeiten Klaus Störtebekers wird heute in Hamburg wieder Piraten der Prozess gemacht: somalischen Fischern, die sich nicht mehr anders zu helfen wussten, als Schiffe zu kapern, nachdem ihnen die europäischen Trawler die Fanggründe leer gefischt hatten. Ob das Kapern von Schiffen im Mittelmeer ein ähnliches Nachspiel haben wird, darf bezweifelt werden. Deutlich aber wird in der israelischen Militäraktion gegen die Friedens-Flottille, wie fatal sich die jahrzehntelange Verschleppung von Konflikten auswirkt. Politiker, die einen solch großen Imageschaden in Kauf nehmen wie die derzeitige israelische Regierung, hätten längst kapituliert, kommentierten selbst konservative israelische Journalisten. Und es sind trügerische Freunde, die Israel zur Seite stehen. Wäre ihnen wirklich an den Interessen Israels gelegen, hätten die USA und Europa viel stärker darauf drängen müssen, die skandalöse Blockade des Gaza-Streifens aufzuheben - eine Blockade, die bekanntlich die Hamas nur noch gestärkt hat. Es liegt auch in der Verantwortung der Regierungen in Washington, London und Berlin, wenn sich Israel nun weiter isoliert hat.

Wie sehr sich Politik verrennt, wenn sie statt auf globalen Ausgleich auf die Stabilisierung des herrschenden Status quo drängt, zeigt nicht zuletzt die Entwicklung in Afghanistan. Enttäuscht wenden sich die Menschen dort heute von den Interventionskräften ab, denen sie anfangs noch voller Hoffnung zugewinkt hatten. Aus einem Krieg, der keiner sein sollte, ist ein blutiger Krieg geworden, aus dem die Bundeswehr lieber heute als morgen raus will. Weil der Bundestag bei seinen alljährlichen Mandatsverlängerungen aber immer wieder dem eigenen Rechtfertigungsdiskurs auf den Leim gegangen ist, macht sich erst jetzt, womöglich viel zu spät, die Erkenntnis breit, dass es in Afghanistan gar nicht oder nur nachgelagert um die Rechte der dortigen Bevölkerung ging. Hinter vorgehaltener Hand räumen Politik und Militärs längst ihre Fehler ein. Rutscht einem Bundespräsidenten aber solche Wahrheit einmal heraus, geht noch immer kein Ruck durch das Land, sondern folgt sein Rücktritt.

Und das ist das wirklich Erschreckende an der Krise: die Mutlosigkeit einer Politik, die sich mit einem pragmatischen, von kurzfristigen Opportunitätserwägungen geprägten Durchwursteln begnügt. Eine andere Welt sei möglich, heißt es, und tatsächlich mangelt es nicht an Ressourcen, Wissen und Ideen. Veränderung aber verlangt zunächst eines: die Klarheit darüber, dass der katastrophale Gang der Geschichte nicht alternativlos ist. Wer noch immer behauptet, zur Militarisierung von Außenpolitik und zu all den Sparpaketen, die der immer größeren werden Zahl von Ärmsten und Armen, ob in Afrika, Griechenland oder nun erneut in Deutschland aufgenötigt werden, gebe es keine Alternative, setzt nicht auf Aufklärung, sondern auf Irreführung. Es sind Interessen, die in solchen Vorschlägen zum Ausdruck kommen. Interessen, die nicht die Interessen derjenigen sind, die auf sozialen Ausgleich und die Verwirklichung globaler sozialer Rechte drängen.

Quelle: medico international - medico-rundschreiben 2/2010.

Bundeswehr-Sparpaket als Mogelpackung!

Entgegen aller vollmundiger Erklärungen in der Presse, die Bundeswehr werde Milliardenbeträge einsparen - hierbei handelt es sich um Vorschläge und bestenfalls Absichtserklärungen - scheint es sich hierbei lediglich um Lippenbekenntniss zu handeln. Beträge, die durch Reduzierung des Bestellumfangs (z.B. weniger Eurofighter) voraussichtlich tatsächlich eingespart werden, führen nicht zu Kürzungen im Militäretat, sondern werden umgeschichtet in Richtung verbesserte Interventionsfähigkeit (=Kriegsführungsfähigkeit) der Bundeswehr.

Beläuft sich der Rüstungshaushalt im Jahr 2010 auf 31,1 Mrd. Euro, so sind im gestern vorgestellten Kabinettsentwurf für den Militäretat (Einzelplan 14) 31,546 Mrd. eingeplant. Das ist eine Steigerung um 1,4%, während gleichzeitig der Sozialetat um 7,9% gekürzt werden soll. Damit hat die Bundesregierung deutlich gezeigt, wo ihre Prioritäten beim Sparen liegen.

(Claudia Haydt - IMI-Standpunkt 2010/025 )

Veröffentlicht am

09. Juli 2010

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