Lebenshaus widerspricht Versuch der KriminalisierungIn der ansonsten recht beschaulichen Kleinstadt Gammertingen auf der Schwäbischen Alb gibt es derzeit großen Wirbel wegen eines fingierten Briefes, der den Eindruck einer amtlichen Aufforderung zur Musterung für den Afghanistan-Kriegseinsatz erweckt. Soweit der Presse zu entnehmen ist, wird offensichtlich in dem als "Bekanntmachung an alle Bürger" aufgemachten Brief an die bestehende Patenschaft der Stadt Gammertingen mit einer Bundeswehreinheit aus Sigmaringen angeknüpft. Es wird dabei unter anderem behauptet, dass in den letzten Tagen angeblich viele der in Afghanistan eingesetzten Soldaten aus der "Patenkompanie" ums Leben gekommen seien. Dem Schreiben zufolge sollen sich Gammertinger Bürger im Rathaus der Stadt zur Musterung einfinden, um diese Einheit personell zu unterstützen: "Die 11 Tauglichsten der Gemusterten werden unverzüglich zu einer Schnellausbildung in die Sigmaringer Kaserne einberufen und Anfang des Jahres 2011 nach Afghanistan aufbrechen." Der Brief endet mit der Androhung "polizeilicher Maßnahmen", sofern man "dieser Anordnung innerhalb von 14 Tagen nicht unaufgefordert nachkommt." In einer öffentlichen Erklärung schreibt Bürgermeister Holger Jerg, die Aktion mit dem "gefälschten Rathaus-Brief" sei "an Geschmacklosigkeit und krimineller Absicht nicht zu übertreffen"! Er erstattete Strafanzeige und bietet 500 Euro Belohnung aus dem Stadtsäckel für "sachdienliche Hinweise zu den Urhebern und den in der Nacht zum Donnerstag tätigen Austrägern dieser Schreiben". Der Gammertinger Bürgermeister stimmt die Öffentlichkeit zunächst also auf den besonders "kriminellen" Charakter dieser Aktion ein. Und in diesen Zusammenhang stellt er dann den von Lebenshaus Schwäbische Alb initiierten Protest gegen die "Bundeswehrpatenschaft" und der damit verbundenen Unterstützung des Afghanistan-Krieges. Indem dies als Pressemitteilung (siehe: Gefälschter „Rathaus“-Brief im Umlauf - Bundeswehrpatenschaft im Verruf ) hinausging, berichten mittlerweile zahlreiche Medien Baden-Württembergs über diesen Vorgang, wie eine kleine Auswahl zeigt:
Lebenshaus lässt sich nicht kriminalisierenIn diesen Medienberichten finden sich entsprechend der Vorlage von Bürgermeister Jerg verschiedene Formulierungen, mit denen die Aktivitäten unseres Vereins in die Nähe krimineller Handlungen gerückt werden. Deshalb hat der Vorstand von Lebenshaus Schwäbische Alb am 9. August 2010 eine Pressemitteilung herausgegeben, in der solchen und ähnlichen Vermutungen klar und deutlich widersprochen wird. In unserer Pressemitteilung heißt es unter anderem: Als Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. haben wir aus der Presse von einem in Gammertingen verteilten Brief erfahren, der offensichtlich den Eindruck eines amtlichen Schreibens von Herrn Bürgermeister Jerg erwecken möchte. Da unser Verein wegen seines Protestes gegen die Bundeswehrpatenschaft im Zusammenhang mit diesem Schreiben genannt wird, beziehen wir als Vorstand des Vereins Lebenshaus Schwäbische Alb dazu Stellung. Aufgrund einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung Gammertingen wurden mittlerweile in verschiedenen Medien Baden-Württembergs Berichte zu dem obengenannten Vorgang veröffentlicht. Dabei fällt unangenehm auf, dass in verschiedenen Formulierungen die Aktivitäten unseres Vereins in die Nähe krimineller Handlungen gerückt werden. Auf der Internet-Seite des Schwarzwälder Boten vom 07.08.2010 beispielsweise wird formuliert, dass der Bürgermeister dahinter die Gammertinger Friedensgruppe "Lebenshaus Schwäbische Alb e.V." vermutet (siehe: Gefälschte Briefe rufen zur Musterung auf ). Solchen oder ähnlichen Vermutungen widersprechen wir als Vorstand von Lebenshaus Schwäbische Alb klar und deutlich. Wir sehen darin vielmehr den Versuch, unsere Aktivitäten gegen die Patenschaft der Stadt Gammertingen mit einer Bundeswehreinheit zu kriminalisieren. Lebenshaus Schwäbische Alb hat mit der Verteilung von imitierten "Musterungsbescheiden" nichts zu tun. Eine solche Aktion, bei dem die Akteure anonym bleiben, entspricht nicht unserem Grundverständnis von Gewaltfreiheit, zu dem unter anderem gehört, dass wir offen zu unseren Handlungen stehen. Zudem verweisen wir darauf, dass die Frage, ob und inwieweit hier nicht zu übertreffende "kriminelle Absichten" vorliegen (Aussage von Herrn Bürgermeister Jerg), von den dafür zuständigen Stellen bei Polizei und Staatsanwaltschaft zu klären ist. Nach den in der Presse zitierten Sätzen des Faltblattes dürfte ohne weiteres für Jedermann erkennbar sein, dass es sich um kein amtliches Schreiben handeln kann, sondern um eine provokative, politische Aktion. Es ist daher falsch und die Öffentlichkeit irreführend, den Verein Lebenshaus Schwäbische Alb in Zusammenhang zu bringen mit Aktivitäten, die als kriminell bezeichnet werden. Bürgermeister hauptverantwortlich für Protest gegen BundeswehrpatenschaftRichtig ist allerdings, dass unser Verein seit einiger Zeit gegen die Patenschaft der Stadt Gammertingen mit einer Bundeswehreinheit und der damit verbundenen Unterstützung des Afghanistan-Krieges protestiert. Wir machen das unter anderem mit einem "Offenen Brief" an den Gammertinger Bürgermeister, den inzwischen über 380 protestierende Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet haben. Nach unserer Auffassung liegt die Hauptverantwortung für die derzeitigen Proteste gegen die Gammertinger Bundeswehrpatenschaft bei Herrn Bürgermeister Jerg, indem er überhaupt diese Patenschaft eingegangen ist, und dann noch demonstrativ die Verabschiedung von Soldatinnen und Soldaten in den Afghanistan-Kriegseinsatz im Gammertinger Amtsblatt zur Schau gestellt hat. Wer derartig provokativ Militärpropaganda betreibt und einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg unterstützt, darf sich über Kritik und Protest nicht wundern und auch nicht beschweren. Soweit den veröffentlichten Zitaten aus dem jetzt in Gammertingen verteilten Brief zu entnehmen ist, geht es dabei im Kern darum, daran zu erinnern, dass Soldatinnen und Soldaten zum Töten ausgebildet und zum Beispiel in den Krieg nach Afghanistan geschickt werden. Dies entspricht dem Anliegen von Lebenshaus Schwäbische Alb, gegen die Fortsetzung und Unterstützung eines Krieges mit steigender Zahl getöteter und verwundeter deutscher Soldaten sowie einer ungeheuer großen Zahl Toter und Verwundeter in der afghanischen Zivilbevölkerung hinzuweisen. Wir sind der Ansicht, den Soldatinnen und Soldaten sowie ihren Familien und uns allen wäre am besten gedient, wenn die Bundeswehr sofort aus Afghanistan abziehen würde. Wir freuen uns über ein erstaunlich großes Interesse an der Aktion von Lebenshaus Schwäbische Alb für eine wirkliche kommunale Friedenspolitik und Friedensarbeit. Das zeigt sich neben der großen und ständig steigenden Zahl an Unterschriften auch an zahlreichen Zuschriften, die sowohl an den Verein gerichtet sind, als auch direkt an Herrn Bürgermeister Jerg. Die vollständige Pressemitteilung vom 09.08.2010 findet sich unter: Gustav Heinemann: Unruhe ist die erste Bürgerpflicht! - Bitte um Unterstützung unserer AktionStatt sich auf sachliche Weise mit unserem Anliegen auseinanderzusetzen, bekämpft Bürgermeister Jerg unseren Protest gegen die "Bundeswehrpatenschaft" mit heftigen Angriffen. Außer dem jüngsten Kriminalisierungsversuch gehört zu seinen Mitteln, unser Anliegen durch Überspitzungen und Verdrehungen als absurd erscheinen zu lassen und ins Lächerliche zu ziehen. Indem er dabei immer wieder die Öffentlichkeit sucht, hat er allerdings unserer Aktion zu einem enormen öffentlichen Interesse mit verholfen. Andererseits hat sich Bürgermeister Jerg uns direkt gegenüber offensichtlich aufs Schweigen verlegt. An einem Gespräch mit uns scheint er kein Interesse zu haben. Jedenfalls haben wir auf unsere am 1. Juli an ihn geäußerte Bitte nach Terminvorschlägen keine Antwort erhalten. Auch unser Nachhaken half bisher nicht. Wir vermuten, dass er hofft oder zumindest gehofft hat, mit der Taktik des Schweigens den Protest gegen die "Bundeswehrpatenschaft" zum Erliegen bringen zu können. Unruhe ist die erste Bürgerpflicht! Entsprechend diesem Motto von Gustav Heinemann hoffen wir, dass zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Sachen "Bundeswehrpatenschaft" und Kriegsunterstützung unruhig bleiben oder überhaupt erst werden. Und im Sinne einer gewaltfreien Strategie ginge es jetzt darum, den Druck auf den politischen Gegner zu erhöhen. Deshalb laden wir dazu ein, im Rahmen Ihrer/Eurer Möglichkeiten unser Anliegen weiter zu unterstützen. Für die Unterstützung unserer demokratischen und gewaltfreien Protestkampagne gibt es z.B. folgende Möglichkeiten:
Weitere Informationen zu "Bundeswehrpatenschaften":"Bundeswehrpatenschaft" nicht nur in GammertingenUnsere Aktion mit dem "Offenen Brief" an den Gammertinger Bürgermeister steht exemplarisch für andere Orte mit "Bundeswehrpatenschaften", in denen in ähnlicher Weise versucht wird, die Unterstützung der Bevölkerung für den Krieg in Afghanistan (und anderswo) zu steigern. Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler, Unterstützerin unserer Aktion, hat aufgrund unserer Initiative eine "Kleine Anfrage" im Bundestag zu Sinn und Zweck der "Bundeswehrpatenschaften" eingereicht. Laut Antwort der Bundesregierung bestehen derzeit immerhin 700 "Patenschaften" zwischen Einheiten und Verbänden der Bundeswehr und Städten und Gemeinden. Es gäbe also mehr als genug zu tun! Doch selbst Friedensaktivisten scheinen sich noch wenig mit dieser Form der Militarisierung beschäftigt zu haben. Protest gibt es noch fast keinen (abgesehen von Hannover! Siehe: Friedensbüro Hannover ). Deshalb kann unsere Aktion vielleicht Anregung und Ermutigung für andere unmittelbar Betroffene sein. Die Kleine Anfrage von Kathrin Vogler u.a. sowie die Antwort der Bundesregierung kann hier heruntergeladen werden: Sinn, Zweck, Umfang und Kosten von Patenschaften von Städten, Gemeinden und Landkreisen mit Einheiten der Bundeswehr (im Anhang befindet sich Liste mit bestehenden "Patenschaften") - Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler u.a. vom 14.07.2010 (Drucksache 17/2581) und Antwort der Bundesregierung vom 30.07.2010 (Drucksache 17/2688 - PDF-Datei, 2.007 KB).Obwohl die Auflistung bestehender "Patenschaften" aktuell von der Bundesregierung kommt, ist diese nicht vollständig. So fehlen z.B. in der Liste die "Patenschaften" der Gemeinden Gammertingen, Scheer, Inzigkofen und Bingen mit dem Führungsunterstützungsbataillon 291 in Sigmaringen. "Bundeswehrpatenschaft" und Kinder"Zur Ausgestaltung einer Patenschaft gibt es vielfältige Möglichkeiten, die zwischen den Beteiligten unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen abgestimmt werden", heißt es in der Antwort der Bundesregierung zu Sinn und Zweck der "Bundeswehrpatenschaften". Zu dieser Ausgestaltung hat dann in Gammertingen in jüngster Zeit zum Beispiel die Beteiligung der Bundeswehr mit einem Informationsstand am Schulfest gehört. Und es nimmt selbst so "seltsame Blüten" an, dass nicht nur aktive Soldaten, sondern selbst Kinder unter der Bezeichnung jener Bundeswehreinheit am Gammertinger Stadtlauf teilgenommen haben, zu der unsere Stadt eine "Patenschaft" unterhält! In einem Brief an die entsprechende Bundeswehreinheit in Sigmaringen hat Lebenshaus-Geschäftsführer Michael Schmid verschiedene Fragen gestellt. Dieser Brief kann hier heruntergeladen werden: Kinder unter Bezeichnung "FüUstgsBtl 291" beim Stadtlauf in Gammertingen (PDF-Datei, 86 KB) Auswahl an Links zur Aktion gegen Bundeswehrpatenschaft:
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