“Bundeswehrpatenschaft” und KinderDerzeit wird eine erneute Integration des Militärischen in die Öffentlichkeit in ganz unterschiedlichen Formen versucht (z.B. Militär- und Waffenschauen, öffentliche Gelöbnisse, Zapfenstreiche, "Verabschiedungsappelle", Bundeswehr in Schulen, Hochschulen und Arbeitsämtern, etc.). Auch "Patenschaften" zwischen rund 700 Gemeinden, Städten und einem Landkreis mit Bundeswehreinheiten eignen sich gut für Militärpropaganda im kommunalen Bereich. "Patenschaften von Einheiten und Verbänden der Bundeswehr mit Städten und Gemeinden sollen das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger für die Bundeswehr als Instrument einer wehrhaften Demokratie zur Friedenssicherung fördern", schreibt die Bundesregierung in einer Antwort vom 30. Juli 2010 auf eine kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler u.a. ( BT- Drucksache 17/2688 vom 31. Juli 2010 - PDF-Datei, 2.007 KB). "Friedenssicherung", das meint laut dem früheren Verteidigungsminister Struck unter anderem, dass die "die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt" werde. Somit sind solche "Patenschaften" von Bundeswehreinheiten mit Kommunen letztlich ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit auch für den Afghanistankrieg. Nicht zuletzt deshalb protestieren wir gegen eine solche Ende 2009 von den Gemeindevertretern der Stadt Gammertingen eingegangene "Patenschaft" mit der 4. Kompanie des Führungsunterstützungsbataillons 291 in Sigmaringen (siehe "Offener Brief" an Bürgermeister wegen Unterstützung des Afghanistan-Krieges ). Interessant ist die konkrete Ausgestaltung dieser "Patenschaft" der Stadt Gammertingen mit der Bundeswehreinheit in Sigmaringen. Jedenfalls gehört unter anderem dazu, dass Kinder bereits früh an die Bundeswehr herangeführt werden. So hat sich in jüngster Zeit zum Beispiel die Bundeswehr mit einem Informationsstand am Schulfest der Grund- und Werkrealschule und Förderschule beteiligt. Und am Ende ihrer Kindergartenzeit besuchten 49 Kinder eine Kaserne, bestaunten dort u.a. "ein Düsenflugzeug vom Typ Tornado, in dem man sich als Pilot oder Copilot fühlen durfte." (Amtsblatt der Stadt Gammertingen vom 19.08.2010) Und es nimmt selbst so "seltsame Blüten" an, dass nicht nur aktive Soldaten, sondern selbst Kinder unter der Bezeichnung "FüUstgsBtl 291", also der "Patenschaftskompanie" der Stadt Gammertingen am 24.07.2010 am Stadtlauf teilgenommen haben! In einem Brief an die entsprechende Bundeswehreinheit in Sigmaringen hat Lebenshaus-Geschäftsführer Michael Schmid verschiedene Fragen gestellt. Bereits kurz darauf ging aufgrund einer Erklärung von Bürgermeister Holger Jerg (Gammertingen) durch verschiedene Medien, dass das Lebenshaus "in einem Protestbrief an den Bataillonskommandeur das Mitwirken von Kindern eines Feldwebels am Stadtlauf im T-Shirt der Bundeswehreinheit als mögliche Verquickung ‚Bundeswehr und Kindersoldaten’ gebrandmarkt" habe. Stimmungsmache durch unwahre Unterstellungen! Ein paar Tage später erhielt Lebenshaus Schwäbische Alb ein Antwortschreiben des stellvertretenden Bataillonskommandeurs des Führungsunterstützungsbataillons 291, Major R. Britz. In einem weiteren Schreiben ist Michael Schmid darauf eingegangen. Nachfolgend dokumentieren wir den bisherigen Briefwechsel. Schreiben von Michael Schmid, Lebenshaus Schwäbische Alb, vom 28.07.2010Download als PDF-Datei (86 KB) An das 28.07.2010
Sehr geehrte Damen und Herren, mit großer Verwunderung haben wir der Ergebnisliste des Gammertinger Stadtlaufs vom 24.07.2010 entnommen, dass zwei Kinder (D. Walter - Jahrgang 1997 und A. Walter - Jahrgang 2001) unter dem Vereins- bzw. Organisationsnamen "FüUstgsBtl 291" mitgelaufen sind. Das wirft für uns eine Reihe von Fragen auf.
Wir würden uns sehr über eine Antwort freuen. Mit freundlichen Grüßen Michael Schmid Schreiben von Major R. Britz, Führungsunterstützungsbataillon 291, vom 10.08.2010Download als PDF-Datei (83 KB) An 10.08.2010 Sehr geehrter Herr Schmid, Vielen Dank für Ihr Schreiben, das ich mit Interesse zur Kenntnis genommen habe. Am 24.07.2010 fand in Gammertingen ein Stadtlauf statt, bei dem offensichtlich auch die Kinder eines unserer Soldaten in ihrer Altersgruppe mit anderen Kindern teilnahmen. Ich denke wir stimmen miteinander darin überein, dass es lobenswert und für unsere Gesellschaft gut ist, wenn Kinder Sport treiben und dazu durch Veranstaltungen noch zusätzlich motiviert werden. Daher begrüße ich ausdrücklich, dass Herr Walter seine Kinder zum Lauf gemeldet hat. Ich freue mich, dass wir vollkommen übereinstimmen, dass die Rekrutierung und Ausbildung von Kindersoldaten verabscheuungswürdig und ungesetzlich ist. In solchen Staaten werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Auch zur Wahrung dieser konkreten deutschen Rechte und Gesetze tritt die Bundeswehr, wie Sie sicherlich wissen, seit über 50 Jahren erfolgreich ein. Dass die Kinder eines unserer Soldaten unter dem Vereins- bzw. Organisationsnamen unseres Bataillons zum Gammertinger Stadtlauf gemeldet wurden, ist sicherlich kein Indiz für eine Rekrutierung von Kindern, sondern wird wohl so geschehen sein, weil die Kinder keinem sonstigen Verein zugeordnet werden konnten. Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass durch die Zuordnung der Kinder zu einem anderen Vereins- bzw. Organisationsnamen solche abwegigen Vermutungen und falsche Interpretationen vermieden hätten werden können. Somit darf ich Ihnen versichern, dass die Bundeswehr und somit auch unser Bataillon nur die Bürger einstellt und ausbildet, die der Gesetzgeber vorsieht. Ich gehe aber ohnehin davon aus, dass Sie den Zusammenhang, den Sie zwischen der harmlosen Teilnahme von Kindern an einem Volkslauf und der Rekrutierung von Kindersoldaten äußerten, nicht wirklich ernst gemeint haben. Ohne zu fragen, welche Quelle Sie offensichtlich irregeführt hat, darf ich Ihnen ebenfalls bestätigen, dass kein Deutscher Staatsbürger im Auftrag der Bundeswehr in oder für Somalia Kindersoldaten ausbildet. Ich hoffe, Ihre doch ziemlich aus der Luft gegriffenen Sorgen und Bedenken hinsichtlich der Rekrutierung von Kindersoldaten durch die und in der Bundeswehr damit ausgeräumt zu haben. Mit freundlichen Grüßen R. BRITZ Schreiben von Michael Schmid, Lebenshaus Schwäbische Alb, vom 15.08.2010Download als PDF-Datei (210 KB) An 15.08.2010 Sehr geehrter Herr Britz, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 10.08.2010. Vollkommen einverstanden bin ich mit Ihren Ausführungen zu den positiven Wirkungen des Sports. Als jemand, der praktisch schon sein ganzes Leben lang Sport betreibt - und insbesondere selber seit rund 45 Jahren dem Laufsport mit großer Begeisterung nachgeht - weiß ich dessen positive Wirkungen sehr zu schätzen. Als früherer Übungsleiter und Leiter einer Leichtathletikabteilung und ebenso als ehemaliger Lehrer habe ich auch zum Sporttreiben von Kindern erheblich beigetragen. Insofern begrüße ich es ausdrücklich, dass Herr Walter seine Kinder zum Sporttreiben motiviert, und dass diese beim Gammertinger Stadtlauf teilgenommen haben. Allerdings weiß ich aus eigener Kenntnis und Erfahrung, dass für die Teilnahme an Volksläufen gerade keine Zugehörigkeit zu einem Verein erforderlich ist. Deshalb gab es eben gerade keine formale Notwendigkeit, dass Herr Walter seine Kinder unter dem Namen des Führungsunterstützungsbataillons 291 beim Gammertinger Stadtlauf mitmachen ließ. Bei fehlender Vereinszugehörigkeit hätte die einfache Nennung des Wohnorts genügt. Deshalb fehlt die logische Grundlage für Ihre Anmerkung, dass "die Kinder eines unserer Soldaten unter dem Vereins- bzw. Organisationsnamen unseres Bataillons zum Gammertinger Stadtlauf gemeldet wurden … wird wohl so geschehen sein, weil die Kinder keinem sonstigen Verein zugeordnet werden konnten." So muss ich weiter davon ausgehen, dass hier eine andere Absicht verfolgt wurde, auf die Sie leider nicht eingehen. Was eine mögliche Ausbildung von Kindersoldaten in Somalia anbelangt, stellt sich die Problematik nicht so einfach dar, wie Sie den Eindruck zu erwecken versuchen. Sie hätten ruhig nach Quellen für meine diesbezügliche Anmerkung fragen dürfen. Denn leider muss ich annehmen, dass Ihnen die Meldungen entgangen sind, die am und um den 22. Juli 2010 herum durch unzählige Medien gingen. Über eine Eingabe von Begriffen wie z.B. "Somalia, Kindersoldaten, Bundeswehr" in eine Internet-Suchmaschine könnten Sie sich ohne Weiteres davon überzeugen. Laut diesen Meldungen konnte die Bundesregierung nicht ausschließen, dass Deutschland in Afrika auch Minderjährige zu Soldaten für Somalia ausbildet. Immerhin hat Verteidigungsminister Guttenberg eine "harte und deutliche" Überprüfung gefordert. Vielleicht kennen Sie ja bereits das Überprüfungsergebnis, wenn Sie mir schreiben: "… darf ich Ihnen ebenfalls bestätigen, dass kein Deutscher Staatsbürger im Auftrag der Bundeswehr in oder für Somalia Kindersoldaten ausbildet." Da ich noch nichts über das Ergebnis dieser Überprüfungen herausfinden konnte, hätte ich großes Interesse, sollte Ihnen dieses bereits vorliegen. Doch um die Problematik "Kindersoldaten" ging es mir in meinem Schreiben nicht. Und schon gleich gar nicht habe ich behauptet oder die Vermutung geäußert, solche gebe es bei der Bundeswehr. Im Gegenteil, habe ich klar und deutlich geschrieben: "Dennoch gehen wir davon aus, dass es bei der Bundeswehr selber keine Kindersoldaten gibt." Deshalb finde ich es unseriös, wenn Sie unterstellen, ich hätte einen Zusammenhang zwischen der Volkslaufteilnahme von Kindern und "der Rekrutierung von Kindersoldaten" geäußert. Nein, meine Frage ging und geht dahin, wie es - eben weil es keine Kindersoldaten in der Bundeswehr gibt - sein kann, "dass Kinder unter der Bezeichnung ‚FüUstgsBtl 291’ laufen?" Solche Verdrehungen eignen sich offenkundig gut zur Stimmungsmache. Insbesondere bei Herrn Bürgermeister Jerg (Gammertingen) heißt es dann in einer kürzlich veröffentlichten und von verschiedenen Medien aufgegriffenen öffentlichen Stellungnahme: Auch die Teilnahme von Soldaten der Patenkompanie, deren Familienangehörigen und Kindern an gemeindlichen Veranstaltungen, beispielsweise beim Gammertinger Stadtlauf, stehen in der Kritik durch das Lebenshaus; so wurde beispielsweise in einem Protestbrief an den Bataillonskommandeur das Mitwirken von Kindern eines Feldwebels am Stadtlauf im T-Shirt der Bundeswehreinheit als mögliche Verquickung "Bundeswehr und Kindersoldaten" gebrandmarkt. ( http://www.gammertingen.de/stadtinfos/nachrichten.360.html ) Wer die Sachverhalte so wahrheitswidrig wiedergibt, hat offensichtlich kein Interesse an einer sachlichen inhaltlichen Auseinandersetzung mit unserer Kritik an der Gammertinger "Bundeswehrpatenschaft". Unser Anliegen soll als absurd und lächerlich erscheinen und es soll Stimmung gegen uns gemacht werden. Das zeitigt Wirkung. Wie mir zu Ohren gekommen ist, soll es beim TSV Gammertingen bereits ziemlich rumoren. Leider sind Sie auf die Fragen 1. sowie 3. bis 7. meines Schreibens nicht eingegangen. So bin ich und sind andere, die diese Laufteilnahme der Kinder unter Bundeswehrbezeichnung ebenfalls abwegig empfinden, weiter auf Mutmaßungen angewiesen. Ich vermute also weiterhin, dass etwas dran sein wird an meinen in den Fragestellungen geäußerten Bedenken. Um dies ebenfalls zu betonen: Mir ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass Ihr Bataillon an einem guten Kontakt zur Bevölkerung der Garnison und des Umkreises interessiert ist. Solange es noch eine Bundeswehr gibt, sollen Soldaten und ihre Familien auch mit Freude an Sport- und ähnlichen Veranstaltungen teilnehmen. Aber warum muss das in Uniform geschehen oder mit der Bezeichnung der Bundeswehr-Einheit? Eine Reintegration des Militärischen in die Öffentlichkeit, wie sie derzeit in unterschiedlichen Formen versucht wird (z.B. Militär- und Waffenschauen, öffentliche Gelöbnisse, Zapfenstreiche, "Verabschiedungsappelle" und "Patenschaften", Bundeswehr in Schulen, Hochschulen und Arbeitsämtern, etc.), erfährt jedenfalls unsere klare und eindeutige Absage. Und wo es uns sinnvoll und notwendig erscheint, werden wir weiter unseren Protest dagegen zum Ausdruck bringen. Sehr geehrter Herr Britz, sollten Sie an einem Dialog interessiert sein, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Da der TSV Gammertingen bereits "alarmiert" zu sein scheint, lasse ich dem Vorstand dieses Vereins unseren Briefwechsel zur Kenntnis zukommen. Und da bereits in der Öffentlichkeit Stimmung gegen uns gemacht wurde mit der wirklich aus der Luft gegriffenen Behauptung, wir würden einen Zusammenhang zwischen Gammertinger Stadtlauf, Bundeswehr und Kindersoldaten herstellen, möchte ich unseren Briefwechsel ebenfalls in unserer Internetseite veröffentlichen, damit die Möglichkeit zur eigenen Meinungsbildung besteht. Unser erstes Schreiben an Ihr Bataillon wurde dort ja bereits veröffentlicht. Ich gehe davon aus, dass Sie nichts dagegen einzuwenden haben. Zusagen kann ich Ihnen auch die Veröffentlichung eines erneuten Antwortschreibens, sollte es ein solches von Ihnen geben (es sei denn, Sie hätten Einwände dagegen). Mit freundlichen Grüßen Siehe ebenfalls:
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