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AKW-Start im Iran: Rückschlag für erneuerbare Energien

Von Klaus Schramm

Das iranische AKW-Projekt in Buschehr geht noch auf Pläne des früheren Diktators aus US-Gnaden Schah Reza Pahlewi zurück. Jetzt wurde es mit russischer Hilfe fertiggestellt. Dies zeigt beispielhaft, daß sich das gegenwärtige Regime des Mahmud Ahmadinedschad von dem 1979 gestürzten Vorgänger-Regime in patriarchalischer Machtanbetung und Größenwahn zum Verwechseln ähnelt.

Wenn nun allerdings die israelische Regierung mit dem Finger warnend auf den Iran weist, zeigen zugleich drei Finger auf ein Land, das im Nahen Osten mit dem Bau eines Atomkraftwerks und von Atombomben die Eskalation des Irrsinns begann. Nach wie vor ist nicht bewiesen, daß das iranische Regime den Bau einer Atombombe vorantreibt. Doch die historische Erfahrung zeigt, daß jeder Staat, der mit der "friedlichen" Nutzung der Atomenergie begann, auch Pläne zum Bau der Atombombe verfolgte. Noch besteht die Chance, daß sich in Israel die Vernunft durchsetzt und mit einem Angebot zum Verzicht auf Atomenergie der Iran unter moralischen Druck gesetzt würde. Flankiert werden könnte dies mit Angeboten, den Ausbau der erneuerbaren Energien im Iran mit finanziellen Mitteln und Know-how zu unterstützen.

Als Hintertreppenwitz der Weltgeschichte stellt es sich dar, daß die Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) gezwungen ist, den Start des iranischen AKW in Buschehr zu legitimieren. Ihre schizophrene Aufgabe besteht seit ihrer Gründung darin, weltweit zugleich die "friedliche" Nutzung der Atomenergie zu fördern und mit Kontrollen die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Die vom russischen Atom-Konzern Rosatom gelieferten Brennstäbe müssen von der IAEA entsiegelt werden - danach besteht ihre Aufgabe darin, zu kontrollieren, daß kein für den Bau einer Atombombe geeignetes Material abgezweigt wird. Wie widersprüchlich die Politik des Westens ist, zeigt sich zudem darin, daß die russische Unterstützung für den Bau des AKW Buschehr von den Sanktionen ausgenommen worden war, die der Weltsicherheitsrat im Juni gegen Teheran verschärft hatte. Zugleich hatte US-Außenministerin Hillary Clinton gefordert, der Bau des AKW Buschehr dürfe nicht fortgesetzt werden, solange "Teheran Garantien dafür schuldig bleibe, daß es unter dem Vorwand der Stromgewinnung nicht heimlich nach Atomwaffen strebe".

Selbstverständlich ist es grober Unsinn, wenn von einigen westlichen Mainstream-Medien nun gemeldet wird, der Druckwasser-Reaktor mit einer Leistung von 1.000 Megawatt könne direkt dazu missbraucht werden, "angereichertes Uran, das auch zum Bau von Atomwaffen verwendet wird", abzuzweigen. Das für die Brennstäbe eines Druckwasserreaktors wie dem des AKW Buschehr benötigte Uran ist von einem erheblich geringeren Anreicherungsgrad als dies für eine Atombombe nötigt ist.

Durch die seit Jahren betriebene Ausrichtung der Wissenschaften auf die technische Beherrschung der Atomenergie ist der Iran jedoch längst in der Lage, Uran aus eigenem Abbau mit Hilfe von Hochleistungszentrifugen auf jeden beliebigen Grad anzureichern. Die Verbindung zwischen der "friedlichen" Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung und dem Bau der Atombombe besteht eben nicht - wie naiver Weise angenommen werden könnte - aus einer möglichen Verquickung von Materialströmen, sondern in der zugrundeliegenden Ausrichtung der Forschung und der damit unausweichlich verknüpften Konzentration auf eine lebensfeindliche Technologie.

Mit der dabei in vielen Ländern der Erde zu beobachtenden Ausrichtung von Wissenschaft und Technik auf die Atomenergie ist die Bindung von ungeheuren Forschungskapazitäten und finanziellen Mitteln verbunden, die damit der Erforschung und Weiterentwicklung erneuerbarer Energien entzogen werden. Zugleich blockiert die Einspeisung von Atomstrom ins Netz auf zweierlei Weise den Ausbau der erneuerbaren Energie. Zum einen wird ein großer Teil des Strombedarfs gesättigt und damit die Nachfrage nach anderen Arten der Stromerzeugung verringert. Zum anderen wird - wie das Beispiel Großbritannien zeigt - der Ausbau der erneuerbaren Energien blockiert, wenn weiterhin auf Atomenergie gesetzt wird. Denn beide Formen der Stromerzeugung sind nicht kompatibel. Bestätigt wird dies durch Aussagen der beiden deutschen Strom-Konzerne E.on und RWE, die noch von der Labour-Regierung die Genehmigung erhalten hatten, neue Atomkraftwerke in Großbritannien zu errichten. Diese haben nun versucht, Druck auf die neue britische Regierung auszuüben, um zu erreichen, daß die Stromproduktion der erneuerbaren Energien gedeckelt wird. Dabei gaben sie offen zu, daß sich für sie ansonsten der Bau von Atomkraftwerken nicht lohnt.

Im Iran besteht nun - nicht nur in der einfachen Bevölkerung um die Atomanlage herum -, sondern auch beim inneren Kreis des Mullah-Regimes, die Furcht vor einem israelischen "Präventivschlag". Die US- Regierung würde dies sicherlich dulden. Deshalb hat der formal oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, sowohl die israelische als auch die US-amerikanische Regierung vor "Dummheiten" gewarnt. Er drohte, daß Rache-Aktion "nicht nur auf unsere Region (den Persischen Golf) beschränkt sein wird, sondern sehr viel weiter reichen würde." Dies illustriert die Tatsache, daß auf beiden Seiten des Konflikts Irre am Werke sind, die auf einem Pulverfass sitzen und zugleich zündeln.

Traurig ist, daß sich auch Teile der internationalen Friedensbewegung einseitig auf die Seite des Irans als des vermeintlichen Opfers geschlagen haben und damit argumentieren, es gäbe ein "Recht" von Staaten zur friedlichen Nutzung der Atomenergie. Dies ist eine rein formale Betrachtungsweise internationalen Rechts, die nicht nur außer Acht lässt, daß sich dahinter immer das "Recht des Stärkeren" verbarg. Noch schlimmer: Diese Argumentation hat zur unabweisbaren Konsequenz, daß damit auch das "Recht" von Staaten zur Aufstellung von Armeen und zur Kriegsführung (bekanntlich immer zur Verteidigung) gebilligt werden muss.

Zur Geschichte von Buschehr

Während der Zeit der Diktatur des Schah Reza Pahlewi wurde der Bau AKW Buschehr mit dem Segen der US-Regierung zunächst in den 1970er Jahren von der deutschen Kraftwerk Union AG (Siemens in Kooperation mit AEG-Telefunken) begonnen. Nach dem Sturz Pahlewis 1979 und der kurze Zeit darauf erfolgten Machtübernahme des Mullah-Regimes unter Ajatollah Ruhollah Khomeini zog sich der deutsche Konzern auf Grund US-amerikanischen Drucks zurück. Während des irakisch-iranischen Kriegs zwischen 1980 und 1988 wurde das Projekt nicht weiterverfolgt.

1994 einigte sich der Iran mit dem russischen Atomkonzern Rosatom den Bau des Werks fortzusetzen. Im Januar 1995 - nach 18-monatigen Verhandlungen - unterzeichneten das iranische Regime mit der russischen Konzern Rosatom einen Vertrag über rund eine Milliarde US- Dollar über die Fertigstellung des AKW Buschehr.

Traurig ist, daß insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energien mit ihrem enormem Potential in einem sonnenreichen Land wie dem Iran um Jahre zurückgeworfen wird.

Quelle: Netzwerk Regenbogen vom 22.08.2010.

Veröffentlicht am

23. August 2010

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