Europaweit stoppen Gerichte Ãœberstellungen nach GriechenlandBundesregierung will weiter abschieben - Verfassungsgericht verhandelt am 28. OktoberAngesichts der dramatischen Situation von Schutzsuchenden in Griechenland fordert PRO ASYL, Abschiebungen aus Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten nach Griechenland zu stoppen. Der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, der UN- Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, appellierten in den letzten Tagen an die europäischen Staaten, Überstellungen von Asylsuchenden nach Griechenland einzustellen. Der geographische Zufall: Flüchtlinge müssen über Griechenland einreisenGriechenland ist für viele Flüchtlinge das zentrale Tor nach Europa. Menschen aus Afghanistan, dem Irak, Iran und Somalia, die Schutz in Europa suchen, müssen die Fluchtroute über die Türkei nach Griechenland nehmen. Reisen sie weiter in ein anderes europäisches Land, um dort Schutz und eine menschenwürdige Aufnahme zu finden, droht ihnen auf Grund der europäischen Asylzuständigkeitsregelung - der sogenannten Dublin II-Verordnung - die Rücküberstellung nach Griechenland. Asylsystem kollabiertDas Asylsystem in Griechenland ist völlig kollabiert. Griechenland gewährt kein faires Asylverfahren, bereits der Zugang zu diesem ist nicht sichergestellt. Schutzsuchenden droht die erneute Inhaftierung und die Abschiebung, ohne dass ihr Schutzgesuch gehört würde. Die Asylanerkennungsquote in der ersten Instanz liegt seit Jahren nur wenig über null Prozent, ein Aufnahmesystem für Schutzsuchende ist nicht vorhanden. Die zweite Instanz wurde im Sommer 2009 abgeschafft. Aktuell existiert ein Rückstand von fast 50.000 anhängigen Asylverfahren. Die Folgen für die in Griechenland gestrandeten Schutzsuchenden: Rechtlosigkeit, Gefahr der willkürlichen Inhaftierung, Obdachlosigkeit und Hunger. Gerichte stoppen europaweit AbschiebungenIn allen wichtigen europäischen Asylländern werden aktuell Abschiebungen nach Griechenland durch nationalstaatliche Gerichte, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und im Zuge sogenannter Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gestoppt. Die Niederlande haben am 6. Oktober 2010, Belgien am 10. Oktober 2010, Norwegen am 12. Oktober 2010, England bereits am 17. September 2010 Abschiebungen nach Griechenland auf der Grundlage der Dublin II-Verordnung eingestellt. In Dänemark wurden seit Sommer 2010 über 200 Abschiebungen nach Interventionen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestoppt. Der Gerichtshof teilte am 30. September mit, dass er bis zu einer Entscheidung in einem anhängigen Verfahren (M.S.S. gegen Belgien und Griechenland) auch bei allen zukünftigen Verfahren, Überstellungen nach Griechenland stoppen werde. Bundesverfassungsgericht trifft GrundsatzentscheidungIn Deutschland verhinderten die Verwaltungsgerichte in über 300 Fällen Überstellungen nach Griechenland. Das Bundesverfassungsgericht hat seit dem 8. September 2009 mittlerweile 13 Abschiebungen nach Athen im Eilverfahren gestoppt. Am 28. Oktober 2010 findet die "Mündliche Verhandlung in Sachen ‚Dublin II Verordnung’" vor dem Bundesverfassungsgericht statt. Erwartet wird eine Grundsatzentscheidung u.a. zur Frage des effektiven Rechtsschutzes bei drohenden Dublin-Überstellungen in andere EU-Staaten. Darf Deutschland blindlings abschieben, ohne zu prüfen, ohne eine Klagemöglichkeit mit aufschiebender Wirkung? Darf man Schutzsuchende überstellen, wenn das Asylsystem in dem betreffenden Mitgliedstaat zusammengebrochen ist? Deutschland und andere Mitgliedsländer wollen weiter abschieben2009 stellten die anderen Dublin-Staaten 10.083 Rückübernahmegesuche an Griechenland - 1.211 Asylsuchende wurden tatsächlich überstellt. Über acht Prozent aller Asylsuchenden in Deutschland sollen nach Auffassung des Bundesinnenministeriums ihr Verfahren in Griechenland absolvieren. Die Übernahmeersuchen aus Deutschland stiegen von 512 im Jahr 2007 auf 2.288 im Jahr 2009. Im 1. Halbjahr 2010 stellte Deutschland bereits 1.252 Übernahmeersuchen. Humanitäre Krise nicht nur hausgemachtDie dramatische Zuspitzung der Situation für Schutzsuchende in Griechenland ist nicht nur hausgemacht, sondern vor allem auch ein Resultat fehlender Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme innerhalb der Europäischen Union. Es ist zynisch, die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz Griechenland zuzuschieben. Die humanitäre Krise in Griechenland ist der dramatische Ausdruck eines ungerechten und dysfunktionalen Dublin II-Systems. PRO ASYL fordert:
Hinweis: Einen ausführlichen Bericht über die aktuellen Entwicklungen in Griechenland findet sich hier:
Situation in Griechenland
Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.. - Pressemitteilung vom 23.10.2010. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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