Israel: Gummigeschosse gegen Demonstranten - arabische Knesset-Abgeordnete in den Rücken geschossenZwei Knesset-Abgeordnete verletztVon Jonathan Cook, 31.10.2010 - CounterPunch (Nazareth). Zwei arabische Abgeordnete wurden gestern von der Polizei verletzt. Zu dem Vorfall kam es, als jüdische Rechtsextremisten durch die arabische Stadt Umm al-Fahm, im Norden Israels, marschierten und so gewaltsame Proteste auslösten. Eine der beiden Verletzten ist die Knesset-Abgeordnete Hanneen Zoubi. Sie ist in Israel derzeit eine nationale Hassfigur und hat Hunderte von Todesdrohungen erhalten, seit sie sich im Sommer an der Hilfsflotte für Gaza beteiligte. Laut Berichten wurde Frau Zoubi von Gummigeschossen in den Rücken und in den Nacken getroffen, als sie versuchte aus dem Gebiet zu fliehen, nachdem die (israelische) Polizei das Feuer eröffnet hatte. In einem Interview sagte sie, sie glaube, dass Heckenschützen der Polizei sie gezielt ausgeschaltet hätten, nachdem sie sie erkannt hätten. Die Polizei widerspricht Frau Zoubis Anschuldigungen und behauptet, man habe lediglich Tränengas und Schockgranaten eingesetzt. Laut Berichten standen gestern in Umm al-Fahm rund 1500 Polizisten einigen hundert Arabern bzw. jüdischen Demonstranten gegenüber. Schimon Koren, der für den nördlichen Abschnitt zuständige Polizeichef, gab zu, dass paramilitärische Sondereinsatzkräfte auf die arabischen Gegendemonstration angesetzt worden waren, zudem eine Undercover-Einheit, die normalerweise gegen palästinensische Protesten in der besetzten Westbank eingesetzt wird. Ein Polizeioffizier dieser so genannten "Mistarvim-Einheit", der sich als arabischer Demonstrant verkleidet hatte, ist unter den Verletzten. Offensichtlich hatte die Polizei versehentlich Schockgranaten auf ihren eigenen Mann abgefeuert. Frau Zoubi kritisiert den harten Polizeieinsatz vehement: "Die Polizei hat bewiesen, dass sie für mich und andere arabische Bürger/innen (Israels) eine weit größere Bedrohung darstellt als die Gruppe (jüdischer) Faschisten, die nach Umm al-Fahm gekommen ist". Der Marsch war von rechtsextremen (jüdischen) Siedlern organisiert worden, die sich mit der Kach-Bewegung verbündet haben. Die Kach fordert die Deportation aller Palästinenser aus Israel und den besetzten Gebieten. Die Kach-Partei wurde 1994 für illegal erklärt, existiert aber in einigen (jüdischen) Siedler-Gruppen offen weiter. Die Organisatoren sagten, sie hätten ein Verbot der ‘Islamischen Bewegung’ gefordert, deren Hauptquartier in Umm al-Fahm liegt. Deren Führer, Scheikh Raed Salah, hat sich mit den israelischen Behörden angelegt, indem er sich an die Spitze einer Kampagne in der Altstadt von Jerusalem gestellt hat. Mit dieser Kampagne, so der Sheikh, wolle man darauf aufmerksam machen, dass Israel versuche, das so genannte "Haram-al-Sharif-Gelände" zu übernehmen, auf dem auch die al-Aqsa-Moschee steht. Der Sheikh war an Bord des Schiffes ‘Mavi Marmara’. Es gehörte zu der Hilfsflotte, die im Mai diesen Jahres - auf dem Weg nach Gaza - von israelischen Kommandos angegriffen wurde. Der Sheikh behauptet, man habe damals versucht, ihn zu töten. 9 Passagiere der ‘Mavi Marmara’ wurden damals getötet - einige durch Kopfschüsse aus kurzer Distanz. Aufgrund seiner Beteiligung an Zusammenstößen mit israelischen Sicherheitskräften nahe der al-Aqsa-Moschee ist der Sheikh nun für drei Monate im Gefängnis. Michael Ben Ari - ein ehemaliges Mitglied der Kach-Partei und heutiger Knesset-Abgeordneter der rechtsextremen ‘Partei der Nationalen Einheit’ - beteiligte sich an dem Marsch in Umm al-Fahm. Er sagte, Israel dürfe keine "dumme Demokratie sein, (die) Leuten eine Stimme gibt, die uns vernichten wollen". Baruch Marzel war einer der Organisatoren des Marsches. Er sagte gegenüber ‘Israel Radio’: "Wenn man die Kach-Partei verbietet, dann gehört die ‘Islamische Bewegung’ tausendmal verboten". Als Marzel von Frau Zoubis Verletzungen hörte, fügte er an: "Es hat sich gelohnt, nach Umm al-Fahm zu gehen. Sie ist unsere Feindin". Der zweite Verletzte, Afu Aghbaria, ist ebenfalls Abgeordneter der Knesset. Er gehört der ‘Kommunistischen Partei’ an, die sowohl arabische als auch jüdische Mitglieder in ihren Reihen hat. Er ist Araber. Afu Aghbaria sagt, er sei am Bein verletzt worden. Führende Mitglieder der arabischen Gemeinde behaupten, die Zusammenstöße seien von Undercover-Polizisten ausgelöst worden. Diese hätten - aus der Gruppe der arabischen Demonstranten heraus - die ersten Steine geworfen. Ihre Taktik wurde von der Spezialeinheit schon einmal mitgefilmt; damals setzten sie sie bei Protesten in der Westbank ein. Mohammed Zeidan ist der Vorsitzende des ‘Higher Follow-Up Committees’. Dieses Komitee ist das wichtigste politische Gremium der arabischen Staatsbürger/innen in Israel. Sie stellen ein Fünftel der israelischen Bevölkerung. Zeidan verurteilt die Polizeiaktionen. "Rassismus steht mittlerweile nicht nur auf dem Papier und ist nicht mehr nur eine Sache der Randgruppen - siehe Marzel. Er (der Rassismus) ist nun auch ein Phänomen unter Entscheidungsträgern und wird vor Ort praktiziert. Was heute in Umm al-Fahm passiert ist, stellt eine bedrohliche Eskalation dar". Das Komitee fordert, der Staat Israel solle "gegen diese exzessive Gewalt" der Polizei Ermittlungen einleiten. Mittlerweile teilt die Polizei mit, sie habe 9 arabische Demonstranten, als Steinewerfer, festgenommen. Vier Polizisten seien leicht verletzt worden. Die rechtsextremen Marschierer wurden von der Polizei eskortiert. Sie hatten keine Verletzten zu beklagen. Frau Zoubi ist zum ersten Mal Mitglied der Knesset. Sie wurde mit einem Schlag berühmt, weil sie unter den ersten Passagieren der ‘Mavi Marmara’ war, die (nach dem brutalen Entermanöver der israelischen Marine) wieder freigelassen wurden. Frau Zoubi hatte der israelischen Version widersprochen, nach der die 9 getöteten Passagiere von israelischen Kommandos in Notwehr erschossen worden seien. Sie beschuldigte die Marine, das Feuer eröffnet zu haben, bevor die ersten Kommandos an Bord kamen. Sie behauptet zudem, man habe einige der Verletzten verbluten lassen. Nach einer Flut von Todesdrohungen und üblen Beschimpfungen aus der Knesset generell bekam Frau Zoubi einige Wochen lang einen Bodyguard zugeteilt. Bereits in der Vergangenheit wurde die israelische Polizei kritisiert: Sie lüge, wenn es um die brutalen Methoden gehe, mit denen sie gegen die arabischen Staatsbürger/innen Israels vorgehe, um deren Protest zu unterdrücken. So kam 2003 eine staatliche (israelische) Untersuchungskommission zu dem Schluss, die Polizei habe scharfe Munition und Gummigeschosse eingesetzt (ein Verstoß gegen die eigenen Regeln) um eine Solidaritätskundgebung in Israel zu unterdrücken. Der Vorfall fand zu Beginn der Zweiten Intifada statt. Im Jahr 2000 wurden bei Zusammenstößen - innerhalb weniger Tage - 13 arabische Israelis getötet und Hunderte verletzt. Auch damals hatte die Polizei gelogen und behauptet, die Opfer seien von "freundlichem Feuer" (friendly fire) der Mitdemonstranten getroffen worden. Ein aktueller Knesset-Bericht hat ergeben, dass von den 21 000 israelischen Polizisten (national police force) lediglich 382 Muslime sind. Das sind nicht einmal 2 Prozent. Menschenrechtsgruppen waren empört, als 2009 enthüllt wurde, dass eine Undercover-Einheit gegründet wurde ("Mistarvim"-Unit - siehe oben), um gegen die arabische Bevölkerung des Landes vorzugehen. Der Marsch der rechtsextremen Juden durch Umm al-Fahm wurde mit Absicht auf den zwanzigsten Jahrestag (Woche) der Ermordung von Rabbi Meir Kahane, dem Gründer der Kach, gelegt. Am Dienstag fand in Jerusalem eine Gedenkveranstaltung für ihn statt. Auf dieser sprach Rabbi Yisrael Ariel vor Hunderten Versammelten. Er sagte, die Regierung lasse es zu, dass die Palästinenser "einen Ismaeliten-Staat in Israel gründen". Jonathan Cook ist der einzige westliche Journalist, der in Nazareth lebt, der Hauptstadt der palästinensischen Minderheit in Israel. Er war zuvor Mitarbeiter bei den Zeitungen The Guardian und Observer und hat über den israelisch-palästinensischen Konflikt auch für die Times, Le Monde diplomatique, die International Herald Tribune, Al-Ahram Weekly, Counterpunch und Aljazeera.net geschrieben.
Quelle: ZNet Deutschland vom 01.11.2010. Originalartikel: Protest Met With Rubber Bullets . Übersetzt von: Andrea Noll. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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