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Versprochene Lockerung der Gaza-Blockade kommt Palästinensern kaum zugute, lautet die Bilanz von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen

Die Importe von Baumaterialien liegen konstant bei nur elf Prozent des Niveaus vor der Blockade 2007. Israel hat bisher weniger als sieben Prozent der für das Wiederaufbauprogramm der Vereinten Nationen erforderlichen Importe genehmigt.

Die von Israel aufgrund des massiven internationalen Drucks ergriffenen Maßnahmen zur Lockerung der illegalen Blockade Gazas haben die Notlage der Zivilbevölkerung dort nur wenig verändert, so lautet die Einschätzung eines Berichts, der am 30.11.2010 von einer europäischen Koalition aus 23 Entwicklungs-, Menschenrechts- und Friedensorganisationen veröffentlicht wurde. Die Organisationen rufen zum internationalen Handeln auf, um Israel zu einer sofortigen, bedingungslosen und vollständigen Aufhebung der Blockade zu bewegen.

Seit der israelischen Ankündigung von Mitte Juni, die Blockade zu lockern, hat der Druck von Seiten der internationalen Gemeinschaft auf Israel nachgelassen, obwohl die Einschränkungen im täglichen Leben der 1,5 Millionen Palästinenser in Gaza - die Hälfte von ihnen Kinder - sich nicht spürbar verringert haben, so der Bericht Zerschlagene Hoffnungen: Fortsetzung der Gaza-Blockade (Dashed Hopes: Continuation of the Gaza Blockade). Dem Bericht zufolge hat Israel mit den getroffenen Maßnahmen nicht nur die wesentlichen Elemente der Gaza-Blockade nicht aufgehoben, wie z.B. das Verbot von Exporten aus dem Gazastreifen, es hat zudem seine wichtigsten Versprechungen nicht eingehalten.

Israel hatte zugesagt, die Einfuhr von dringend benötigten Baumaterialien für UN- und andere internationale Projekte zu steigern und zu erleichtern, um somit den Wiederaufbau u.a. von Schulen, Gesundheitszentren, Häusern und Kläranlagen zu ermöglichen, die während der Militäroperation "Gegossenes Blei" von Dezember 2008 bis Januar 2009 zu einem großen Teil beschädigt oder zerstört wurden. Tatsächlich aber, so die Organisationen, habe es bisher nur langsame und geringe Fortschritte bei der Umsetzung der Versprechen gegeben. Bislang hat Israel lediglich Materialimporte für 25 Bauvorhaben von Schulen und Kliniken des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA genehmigt.United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East. Dies sind nur sieben Prozent des gesamten UN Wiederaufbauplans für Gaza. Und selbst bei diesen genehmigten Projekten wurden nur für einen Bruchteil der benötigten Baumaterialien tatsächlich Einfuhrgenehmigungen nach Gaza erteilt.

Nach Schätzungen der UN benötigt Gaza allein für den Wiederaufbau der Häuser rund 670.000 LKW-Ladungen an Baumaterial, so der Bericht. Doch seit der Ankündigung, die Blockade lockern zu wollen, sind monatlich im Durchschnitt nur 715 LKW-Ladungen an Baumaterial im Gazastreifen eingetroffen. In diesem Tempo würde der Wiederaufbau der benötigten Häuser Jahrzehnte dauern. Angesichts der Tatsache, dass die UN das notwendige Baumaterial für den Bau neuer Schulen bisher nicht einführen konnte, konnten zu Beginn des neuen Schuljahres 40.000 Kinder im schulfähigen Alter nicht in der Schule angemeldet werden.

"Aufgrund der Blockade ist nur ein Bruchteil der benötigten Hilfe bei der Bevölkerung in Gaza angekommen", sagt Paul Bendix, Geschäftsführer von Oxfam Deutschland. "Es mangelt nach wie vor an sauberem Wasser, Elektrizität und Arbeitsplätzen. Da Israel seinen Zusagen nicht nachkommt und der internationale Druck für die Aufhebung der Blockade nachgelassen hat, bleibt für die Menschen in Gaza eine friedliche Zukunft in weiter Ferne."

Zudem hat die sogenannte Lockerung keine Auswirkungen auf die Exporte aus dem Gazastreifen, die fast vollständig verboten bleiben. In Gaza sind daher zwei Drittel der Industriebetriebe geschlossen, während die übrigen nur mit halber Kapazität arbeiten. Zugleich wird der Markt von Importprodukten überschwemmt, so die Organisationen.

Tsafrir Cohen, Referent für den Nahen Osten der Organisation medico international, meint: "Die internationale Gemeinschaft hat immer wieder die Wichtigkeit ökonomischer Entwicklung für den Friedensprozess betont - doch angesichts des andauernden Exportverbots ist Gaza ökonomisch gelähmt - wo ist da die politische Logik? Die psychologischen Auswirkungen, die aus der Abhängigkeit von Lebensmittelkarten resultierten, haben die Gesellschaft in Gaza schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Menschen möchten Arbeitsplätze, um sich ein würdiges Leben zu ermöglichen, und keine Almosen."

Wenig Verbesserung gibt es auch im Personenverkehr. Entgegen der Zusage der israelischen Regierung, die Ein- und Ausreise von humanitären Helfern zu verbessern, zeigt der Bericht, dass seit den israelischen Ankündigungen im Gegenteil die Genehmigungen für Ein- und Ausreisen von humanitärem Personal der lokalen UN-Organisationen sogar abgenommen haben. Unterdessen bleibt die Bevölkerung Gazas eingeschlossen. Den Menschen wird weiterhin verweigert sich frei zu bewegen, außerhalb Gazas zu arbeiten, zu studieren oder die Familie und Freunde zu besuchen. Trotz eines begrüßenswerten Anstiegs der Reiseerlaubnisse für Geschäftsleute aus und nach Gaza ist die Gesamtzahl der israelischen Ausreisebewilligungen für die palästinensischen Bürgerinnen und Bürger nicht gestiegen. Die Anzahl der Bewilligungen liegt konstant bei weniger als einem Prozent der Zahlen vor der Intifada im Jahr 2000.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte jüngst in einem Kommentar: "Wir denken, dass die Entwicklungen in Gaza unbefriedigend sind und Israel seinen Zusagen zur Aufhebung der Gazablockade nicht nachgekommen ist."EU’s Ashton: Israel failed to ease Gaza blockade, Haaretz, November 22, 2010, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/eu-s-ashton-israel-failed-to-ease-gaza-blockade-1.326149 .

Cohen meint: "Die sogenannte ‘Lockerung’ der Gaza-Blockade hat nichts an der Tatsache verändert, dass noch immer eine erbarmungslose und illegale Blockade existiert, die einer kollektive Bestrafung der gesamten Zivilbevölkerung gleicht. Die einzige echte Lockerung stellt der nachlassende Druck auf die israelischen Behörden dar, die grausame und illegale Praxis zu beenden."

Quelle: medico international - Pressemitteilung vom 30.11.2010.

Fußnoten

Veröffentlicht am

01. Dezember 2010

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