Entschließung zur Friedensethik in der Schule anlässlich der Kooperationsvereinbarung vom 4.12.2009Von Konvent der Friedensbeauftragten und Beistände für KDV der Evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Baden Der Konvent der Friedensbeauftragten und Beistandspfarrer für KDV in den Evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Baden hat sich auf seinem Studientag im November 2010 in Stuttgart mit der Frage der Friedensethik an Schulen befasst. Anlass ist die Kooperationsvereinbarung von Kultusministerium in Baden-Württemberg und Wehrbereichskommando Süd vom 4. Dezember 2009. Seit 1958 haben Jugendoffiziere der Bundeswehr Zugang zu Schulen. In der neuen Kooperationsvereinbarung vom 4.12.2009 wird dieser Zugang ausgeweitet u.a. auf die Referendarsausbildung. Hier sind Bereiche der Friedensethik berührt, die auch Glaubens- und Gewissensfragen einschließen. Das Verständnis der Bundeswehr von Frieden und Sicherheit unterscheidet sich vom ökumenischen Verständnis von menschlicher Sicherheit und gerechtem Frieden. Christen und Kirchen sind geleitet durch Verheißung und Gebot des Evangeliums "Selig sind die Friedensstifter", Matthäus 5,9, und "Liebet eure Feinde", Matthäus 5,44. Sie orientieren sich an der biblischen Vision: "Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen" Jesaja 2,4. Die christlichen Kirchen haben auf weltweiter wie regionaler Ebene erklärt, darauf hinzuarbeiten, den Krieg als Institution zu überwinden (u.a. Europäische ökumenische Versammlung Basel 1989, Weltkonvokation für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, Seoul 1990). Bei allen Konflikten treten Christen und Kirchen für die vorrangige Option der Gewaltfreiheit ein. Krisenprävention und zivile gewaltfreie und konstruktive Konfliktbearbeitung müssen gegenüber militärischen Einsätzen Priorität erhalten ("prima ratio"). Das hat auch für gesellschaftlich zur Verfügung gestellte Ressourcen Konsequenzen. Die Kooperationsvereinbarung ermöglicht den Jugendoffizieren der Bundeswehr gegenüber Schülern und Schülerinnen wie angehenden Lehrern und Lehrerinnen regierungsoffizielle, jedoch von den Grundüberzeugungen vieler Christen aus nicht mittragbare und in der Bevölkerung umstrittene sicherheitspolitische Konzepte zu vermitteln, die der Bundeswehr wesentliche Aufgaben in der Außenpolitik zubilligen. Im Beispiel zeichnet das Simulationsspiel "POL&IS" ein Bild der politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Wirklichkeit, das den spielenden Schülern und Lehrern Militäreinsätze zur Konfliktbearbeitung als "normal" und nützlich erscheinen lässt. Der Einsatz der Jugendoffiziere entspricht in seinem Vollzug nicht bildungspolitischen Erfordernissen. Der 1976 für die politische Bildung an Schulen vereinbarte "Beutelsbacher Konsens" mit seinem Überwältigungsverbot, wonach Schüler nicht im Sinne erwünschter Meinungen überrumpelt oder an der Bildung eines selbständigen Urteils gehindert werden dürfen, sowie das Ausgewogenheitsgebot, wonach auch im Unterricht kontrovers sein muss, was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, wird durch die Kooperationsvereinbarung unterlaufen. Für ein demokratisches Bildungsverständnis ist es unerlässlich, dass im Unterricht die Bandbreite der unterschiedlichen Positionen im Originalton zu Wort kommt. Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit erhalten, eine reflektierte, eigenständige Position zu entwickeln. Notwendig sind eine plurale Meinungsbildung in Verantwortung der Schule durch unabhängige Lehrerinnen und Lehrer, die Schärfung der Gewissen der Jugendlichen und die Orientierung am Friedensgebot des Grundgesetzes. Die Schulen müssen deshalb personell und von den Sachmitteln her in die Lage versetzt werden, eine umfassende Information und Meinungsbildung zu friedens- und sicherheitspolitischen Themen zu gewährleisten. Wir halten es für erforderlich, dass die institutionell verankerte Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr aufgekündigt wird. Schulen soll es selbst anheimgestellt werden, Referenten der Bundeswehr und der Kirchen oder Friedensorganisationen bzw. Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit auf freiwilliger Basis und ausgewogene Weise in den Unterricht einzuladen. Stuttgart, 20.11.2010 Kontakt: Konvent der Friedensbeauftragten und Beistände für KDV und ZDL, per Adresse:
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