Michael Moore: Warum ich für Julian Assange bürgeBekannte Persönlichkeiten stellen die Kaution für WikiLeaks-Mitbegründer AssangeVon Michael Moore, 14.12.2010 - ZCommunications Meine Freunde, gestern legten die Rechtsanwälte von WikilLeaks-Mitbegründer Julian Assange dem Richter im Magistratsgericht von Westminster (London) ein Dokument vor, in dem ich bestätige, dass ich bereit bin, eine Kaution in Höhe von $20.000 aus eigener Tasche zu bezahlen, um Assange frei zu bekommen. Darüber hinaus erkläre ich mich öffentlich bereit, meine eigene Webseite, meine Server, meine Domain-Namen (und alles andere, was nötig ist, um WikiLeaks am Leben und am Funktionieren zu halten) als Unterstützung zur Verfügung zu stellen. WikiLeaks macht weiter mit den Enthüllungen - um Verbrechen öffentlich zu machen, die im geheimen Kämmerlein ausgeheckt und in unserem Namen und mit Hilfe unserer Steuergelder begangen wurden. Durch eine Lüge wurden wir in den Irakkrieg getrieben. Hunderttausende verloren dadurch ihr Leben. Stellen Sie sich vor, die Männer, die dieses Kriegsverbrechen 2002 planten, hätten es mit WikiLeaks zu tun bekommen. Vielleicht wäre es ihnen unmöglich geworden, die Sache durchzuziehen. Stattdessen gingen sie davon aus, sie würden ungeschoren davonkommen. Der einzige Grund, weshalb sie davon ausgingen, war, dass sie von einer sicheren Hülle geheimen Stillschweigens umgeben waren. Diese Sicherheit ist ihnen nun genommen. Ich hoffe, sie werden nie wieder geheim vorgehen können. Stellt sich die Frage: Warum all diese bösartigen Angriffe gegen WikiLeaks? Schließlich hat WikiLeaks der Allgemeinheit einen großen Dienst erwiesen. Die Antwort lautet: WikiLeaks hat die Vertuscher der Wahrheit geoutet und in eine peinliche Situation gebracht. Der Angriff auf sie (WikiLeaks) ist absolut übertrieben:
Natürlich stimmt das! Sie (WikiLeaks) sind schließlich dazu da, die Lügner und Kriegstreiber zu terrorisieren. - die unsere Nation und andere in den Ruin getrieben haben. Vielleicht wird der nächste Krieg nicht mehr so leicht vonstattengehen: Die Welt hat sich um 180 Grad gedreht: Heute wird ‘Big Brother’ beobachtet - von uns! Wir sind WikiLeaks zu Dank verpflichtet - weil sie einen großen Scheinwerfer auf das alles gerichtet haben. Allerdings sagen einige Mitarbeiter der Konzernpresse, WikiLeaks sei gar nicht so wichtig ("Sie haben kaum Neues veröffentlicht!"). Oder sie bezeichnen sie schlicht als Anarchisten ("WikiLeaks veröffentlicht einfach alles, ohne redaktionelle Kontrolle!"). Doch einer der Gründe, weshalb es ‘WikiLeaks’ überhaupt gibt, ist das Versagen der Mainstream-Presse, die ihrer Verantwortung nicht gerecht wird. Die Chefs der Medienkonzerne haben dafür gesorgt, dass die Nachrichtenbüros immer kleiner wurden, so dass die Journalisten ihren Job nicht mehr ordentlich machen können. Für investigativen Journalismus bleibt heute weder Zeit noch Geld. Man könnte schlicht so sagen: Die Investoren sind nicht daran interessiert, dass Storys dieser Art an die Öffentlichkeit gelangen. Sie wollen, dass ihre Geheimnisse unaufgedeckt bleiben… und somit geheim. Ich frage Sie, wie würde die Welt wohl aussehen, wenn es WikiLeaks schon vor 10 Jahren gegeben hätte? Sehen Sie sich dieses Foto an Foto .. Es zeigt (George) Bush, wie er, am 6. August 2001, gerade ein "geheimes" Dokument entgegenehmen will. Dieses trägt den Titel: ‘Bin Ladin Entschlossen in den USA Zuzuschlagen’ ("Bin Laden Determined To Strike in US"). In diesem Dokument steht, das FBI sei auf "(ein) Muster verdächtiger Aktivitäten in diesem Land (USA)" aufmerksam geworden, "das (die) zur Vorbereitung von Flugzeugentführungen passen würden". Doch Mr. George W. Bush beschloss, das Dokument zu ignorieren und war für die nächsten vier Wochen fischen. Wäre dieses Dokument durchgesickert - wie hätten Sie oder ich darauf reagiert? Was hätte der Kongress, was hätte die FAA unternommen? Wären die Chancen, dass irgendwo irgendwer etwas unternommen hätte, nicht doch größer gewesen, wenn wir alle gewusst hätten, dass Ossama bin Laden kurz davor ist, einen Angriff mit entführten Flugzeugen zu starten? Doch zu jener Zeit (August 2001) hatten nur Wenige Zugang zu diesem Dokument. Und aufgrund dieser Geheimhaltung dachte sich ein Fluglehrer in San Diego auch nichts dabei, als seine Flugschüler - zwei saudische Studenten - kein Interesse daran zeigten, Starts und Landungen zu lernen. Dieser Fluglehrer unternahm nichts. Hätte er in der Zeitung über die Bedrohung durch bin Laden gelesen, wer weiß, vielleicht hätte er das FBI angerufen? (Bitte lesen Sie folgendes Essay WikiLeaks and 9/11: What if? der ehemaligen FBI-Agentin Coleen Rowley; sie (und eine weitere Person) wurden vom TIME-Magazine 2002 übrigens zur ‘Person des Jahres’ gekürt; in ihrem Essay schreibt Rowley, sie glaube, dass der 11. September vielleicht hätte verhindert werden können, wenn es damals schon WikiLeaks gegeben hätte). Und was wäre passiert, wenn die Öffentlichkeit 2003 Dick Cheneys "Geheim-Memos" gelesen hätte, in denen er Druck auf die CIA ausübte? Er wollte, dass die CIA ihm "Fakten" lieferte, um eine falsche Begründung für einen Krieg (gegen den Irak) konstruieren zu können. Glauben Sie tatsächlich, es wäre zum Irakkrieg gekommen, hätte WikiLeaks zu diesem Zeitpunkt enthüllt, dass es in Wirklichkeit gar keine ‘Massenvernichtungswaffen’ im Irak gab? Hätte man nicht viel eher die Verhaftung von Vizepräsident Dick Cheney gefordert? Offenheit und Transparenz (Glasnost und Perestroika - Anmerkung d. Übersetzerin) sind einige der wenigen Waffen, die uns Bürgern zur Verfügung stehen, um uns gegen die Mächtigen und die Korrupten zu wehren. Nehmen wir zum Beispiel den vorgeblichen Angriff im Golf von Tolkin, am 4. August 1964 (der zum formalen Eintritt der USA in den Vietnamkrieg führte). Das Pentagon hatte umgehend die Lüge verbreitet, unsere Schiffe seien im Golf von den Nordvietnamesen angegriffen worden. Was wäre gewesen, hätte es damals schon WikiLeaks gegeben? Wenn WikiLeaks dem amerikanischen Volk - in den allerersten Tagen nach dem angeblichen Vorfall - enthüllt hätte, dass das Ganze nur eine Lüge war: 50.000 unserer Soldaten (und 2 Millionen Vietnamesen) könnten heute noch leben. Stattdessen starben sie - an Geheimniskrämerei. All jene, die der Ansicht sind, es sei falsch, Julian Assange zu unterstützen, weil er sich angeblich sexueller Übergriffe schuldig gemacht hat (weswegen er verhaftet wurde), bitte ich nur um Eines: Stellen Sie sich nicht naiv, wenn es darum geht, wie unsere Regierung vorgeht, wenn sie ein Opfer zur Strecke bringen will. Bitte - glauben Sie NIEMALS die "offizielle Story". Unabhängig von der Frage, ob Assange schuldig ist oder nicht (es sind übrigens recht dubiose Anschuldigungen Special Report: STD fears sparked case against WikiLeaks boss .): Dieser Mann hat das Recht, sich zu verteidigen und auf Kaution freizukommen. Der Filmemacher Ken Loach und John Pilger sowie die Autorin Jemima Khan und ich haben uns zusammengetan, um die Kautionssumme aufzubringen. Ich hoffe, der Richter wird sie akzeptieren und Assange noch heute freilassen (der englische Richter akzeptierte die Kaution, knüpfte allerdings strenge Bedingungen an seine Freilassung; kurz vor Assanges Entlassung legten die schwedischen Behörden jedoch Widerspruch gegen die Freilassung auf Kaution ein; Assange bleibt daher, trotz Kautionszusagen, weiter in Haft - Anmerkung d. Übersetzerin). Vielleicht hat WikiLeaks mit seinen Aktionen tatsächlich - unabsichtlich - einigen diplomatischen Verhandlungen und den Interessen der USA in der Welt geschadet. Schon möglich. Doch diesen Preis müssen wir zahlen - weil wir und unsere Regierung in einen Krieg gezogen sind, der auf Lügen basierte. Wenn ihr euch schlecht benehmt, besteht die Strafe darin, dass jemand plötzlich die Lichter im Raum anknipst und wir alle sehen, was ihr gerade treibt. Man kann euch einfach nicht trauen, und aus diesem Grund ist jedes Telegramm, jede E-Mail, die ihr schreibt, vogelfrei. Tut mir leid, aber ihr habt euch das selbst eingebrockt. Heutzutage kann sich keiner mehr vor der Wahrheit verkriechen. Und weil sie wissen, dass die ganze Sache auffliegen könnte, wagt es keiner mehr, die nächste Große Lüge zu planen. Darin besteht der größte Verdienst von WikiLeaks. Durch ihre Aktionen retten sie Menschenleben. Möge Gott sie dafür segnen. Wenn Sie mich bei meiner Hilfsaktion für WikiLeaks unterstützen - verhalten Sie sich wie echte Patrioten. Punktum. Heute (14. Dezember) steht Julian Assange vor dem Richter in London. Ich bin (in absentia) an seiner Seite. Ich werde den Richter bitten, ihn freizulassen und bürge mit meiner Kaution dafür, dass Assange wieder vor Gericht erscheinen wird. Das habe ich dem Gericht telegraphiert. Ich werde nicht zulassen, dass die Ungerechtigkeit unangefochten so weiter geht. Euer Michael Moore MMFlint@aol.com P.S.: Sie können das Statement, das ich heute in London bei Gericht eingereicht habe, hier End the censorship of Wikileaks - Stop the extradition of Julian Assange . nachlesen. Quelle: ZNet Deutschland vom 15.12.2010. Originalartikel: Why I’m Posting Bail Money for Julian Assange . Übersetzt von: Andrea Noll. Unterstützungsaktionen für Wikileaks und Pressefreiheit:
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