Spitzel und Spione bei Umweltgruppen, Bürgerinitiativen, Sozialer Bewegung und NGO`sVon Axel Mayer Die jetzt zum Jahreswechsel 2010 / 2011 bekannt gewordene Ausspähung von NGO´s, Umweltgruppen und Atomkraftgegnern durch zwei Spitzel steht in einer langen Reihe ähnlich skandalöser Vorgänge, die leider immer wieder schnell vergessen werden. Der Einsatz verbotener Mittel (Brandstiftung durch einen staatlichen Agent Provocateur bei einer Demo) geschieht nicht in einer Diktatur, sondern in einer Demokratie. Harte "amerikanische Methoden" halten Einzug bei den großen sozialen Auseinandersetzungen und Umweltkonflikten, insbesondere wenn sie wirtschaftliche Interessen betreffen. Soziale Bewegung, GlobalisierungskritikerInnen und die Umweltbewegung müssen sich auf Spionage, Bespitzelung, Greenwash, Wikipediamanipulation, Akzeptanzforschung und industriegesteuerte Scheinbürgerinitiativen einstellen. Und auch der gezielt geplante "fliegende Wechsel" einzelner "Umweltaktivisten" von den Umweltverbänden zur Industrie gehört zum Geschäft. Zwei neue, aktuelle Fälle wurden jetzt zum Jahreswechsel 2010 / 2011 bekanntMark Kennedy, ein britischen Undercover-Polizist,hat jahrelang unter dem Alias Mark Stone Protest- und Umweltgruppen in Europa und auch in Deutschland infiltriert. Der eingeschleuste Agent Provocateur war bei Demos auch in Straftaten verwickelt. "In mehr als 20 Ländern soll der verdeckte Ermittler Kennedy unterwegs gewesen sein, darunter Irland, Spanien, Island, Italien - und eben Deutschland."… "Dazu passt, was die Sozialanthropologin Stine Krøijer in der dänischen Tageszeitung Information berichtet. Sie sei im Vorfeld des Klimagipfels von Kopenhagen 2009 und bei Recherchen für eine Promotion über die Planung von Protestaktionen auf Kennedy aufmerksam geworden. Der habe dort "Aktivisten aufgehetzt und provoziert" und womöglich dazu beigetragen, dass "die Entwicklung sich in eine radikalere Richtung bewegte als ohne sein Engagement", sagt Krøijer." ( Quelle: taz ) "Die hiesigen Behörden wussten Bescheid, schlossen teils gar Verträge mit den Briten über seinen Einsatz - doch es ging offenbar einiges schief. Zwei Straftaten gehen nach Erkenntnissen deutscher Ermittler auf das Konto des Spitzels. Rund um den G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 soll er in eine Blockade verwickelt gewesen sein. In Berlin habe er im selben Jahr versucht, Mülltonnen anzuzünden. Auch führte der Brite in Berlin unter seinem Alias über mehrere Jahre ein Liebesbeziehung." ( Quelle: Spiegel Online ) Ein junger Mann mit dem Tarnnamen Simon Brennerinfiltrierte ab November 2009 die sozialen Bewegungen in Heidelberg. "Brenner" war zuerst beim SDS aktiv, danach wechselte er dann zur Kritischen Initiative (KI), die sich mit Bildungspolitik beschäftigt. Aktiv war er aber auch bei der Klima-Aktionsgruppe, er kletterte mit den Umweltschützern von Robin Wood und nahm an vielen Demos teil. Er beteiligte sich an Öko- und Anti- Castor-Protesten sowie an antifaschistischen Demonstrationen. So habe er etwa auch die Südblockade des Castor-Transports am 6. November im rheinland-pfälzischen Berg mit geplant. Er wirkte in der Scene "sehr hilfsbereit". Kurz vor seiner Enttarnung hatte er noch eine Fahrradkundgebung organisiert. "Aufgeflogen ist ‘Brenner’ aus Zufall. Im August diesen Jahres war er mit alten Kumpels im Urlaub in Südfrankreich. Dort wurde auch offen darüber gesprochen, dass er Polizist ist. Mit dabei war eine Frau, die aus Heidelberg stammt und besuchsweise gelegentlich dorthin zurückkehrt. Vor zehn Tagen begegnete sie ‘Brenner’ bei einer privaten Feier in Heidelberg und sprach ihn an. Er bat sie zwar, ihn nicht zu verraten. Sie aber berichtete ihren Freunden doch von dem Vorfall." ( Quelle: Badische Zeitung ) Hier geht´s weiter mit den "Altfällen"Nestlé hat Attac ausgespäht,berichtet (nicht nur) die Badische Zeitung am 14. Juni 2008. "Eine Autorengruppe des globalisierungskritischen Netzwerks Attac in der Schweiz hat eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Bespitzelung angekündigt. Sie reagierte auf einen im Schweizer TV-Sender TSR ausgestrahlten Beitrag, wonach die Sicherheitsfirma Securitas die Gruppe im Auftrag von Nestlé über ein Jahr lang bespitzelte, während sie an dem Buch ‘Attac gegen das Imperium Nestlé" arbeitete."" Eingeschleuste "Scheinautonome" bei den Protesten am 6. Juni 2007 gegen den G8-Gipfel in HeiligendammBei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm bei Rostock hat die Polizei als Schwarzer Block verkleidete Polizeibeamte in eine Demonstration geschleust. Laut Augenzeugen haben diese Polizisten umstehende Demonstranten zum Steinewerfen angestachelt und selber Steine in Richtung Polizei geworfen. Nachdem andere Demonstranten misstrauisch wurden, haben sich drei der Beamten hinter die Polizeireihen zurückgezogen, dem Vierten wurde die Vermummung heruntergezogen und er wurde als Mitglied einer Bremer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit erkannt. ( Quelle: Wikipedia ) Wie durch Medienberichtebekannt wurde, hatte die Firma Shell die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und die Umweltorganisation Greenpeace über die britische Wirtschaftsdetektei Hakluyt durch den deutschen Filmemacher Manfred Schlickenrieder ausspionieren lassen, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker. Das Unterwandern von Umweltgruppen,die sich mit der Wirtschaftslobby anlegen, ist in den USA noch ausgeprägter als in Deutschland. John Stauber and Sheldon Rampton berichten in Ihrem Buch "Lies, damn lies and the public relations industry": "Bud, jener Spion, der ins Jeremy Rifkin-Büro eingeschleust wurde, wurde auf einer Presse-Konferenz der ‘Beyond-Beef-Kampagne’ ‘enttarnt’, als ihn ein Journalist mit den Worten: ‘Arbeiten Sie immer noch für McDonald’s?’ begrüßte. Bud antwortete: ‘Ich weiß nicht, was Sie meinen. Sie müssen mich verwechseln.’ Aber der Journalist bestand darauf. Bud war tatsächlich eingeschleust worden. Sein wirklicher Name: Seymour D. Vestermark…" Die Fachautorin Claudia Petersberichtet von einem besonders heftigen Fall von Undercover-Agenten in England. "McDonald`s trieb diese Methode zur Kabarett-Reife. Anfang der 90er Jahre machte die Gruppe Greenpeace London (nicht zu verwechseln mit der großen Organisation Greenpeace) mit Flugblättern gegen den Fress-Konzern mobil. Zu den Treffen kamen nie mehr als 10 Leute. McDonald´s beauftragte Detektive, die Gruppe auszuspionieren. Nachweislich waren sechs Undercover-Agenten aktiv. Die sechs wussten nichts voneinander und haben sich fleißig gegenseitig bespitzelt. Zutage kam das bei einem Prozess, den McDonalds gegen zwei Mitglieder von Greenpeace London anstrengte. Die Firma blamierte sich dabei bis auf die Knochen". Der kritische Journalist Erich Schmidt-Eenboomberichtet im November 2005 in der Tagesschau wie er bespitzelt wurde: "Ausgangspunkt war mein Buch ‘Schnüffler ohne Nase’, das im Juni 1993 erschien und sehr viele Informationen aus Geheimbereichen des Bundesnachrichtendienstes enthielt. Es wurden Kameras auf den Eingang des Instituts für Friedenspolitik ausgerichtet, um festzustellen, wer sich unter meinen Besuchern im Institut befindet. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ging der stellvertretende Leiter des Observationskommandos zur Weilheimer Kriminalpolizei und gab sich als Mitarbeiter des Landeskriminalamts aus. Ein örtliches Textilhaus stellte dem vermeintlichen LKA-Mann daraufhin einen Raum zur Verfügung, in dem Überwachungstechnik untergebracht wurde. Dann wurde auf dem Parkplatz gegenüber des Instituts ein Auto abgestellt, in dessen Sonnenblende eine Kamera installiert war und die Aufnahmen in den zur Verfügung gestellten Raum sendete. Und so wurden ich und alle Besucher des Instituts über Monate observiert." Die Fachautorin Claudia Peter berichtet über die ‘Gefahr im Altpapier’:"In Holland schlich sich ein Spion bei mindestens 30 Organisationen aus der Umwelt- und Dritte Welt-Bewegung ein und bot sich an, ihr Altpapier zu entsorgen. Angeblich wollte er den Erlös einer Hilfsorganisation in Afrika spenden. Das ging acht Jahre lang, bis er aufflog. Die betroffenen Gruppen wunderten sich sehr, dass ihre internen Informationen plötzlich an Industrieverbände und Zeitungen gelangten. Des Rätsels Lösung: Der Spion arbeitete für eine private Sicherheitsfirma, die General Security Consultancy in Amsterdam. Die Firma sammelte das Material und verkaufte es weiter." Dies ist kein Einzelfall. Auch beim oben erwähnten Fall der Überwachung des Journalisten Erich Schmidt-Eenboom wurde das Altpapier vom BND ausgewertet. Bis zum Jahr 2003 ist regelmäßig das Altpapier von Schmidt-Eenboom, das alle vier Wochen zum Abtransport auf die Straße gestellt wurde, durchsucht worden, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Um keinen Verdacht zu erregen, haben die BND-Mitarbeiter dem Bericht zufolge die Abfalltüten des Publizisten gegen "ähnlich aussehende anderen Inhalts" eingetauscht. Um es deutlich zu sagen:"Noch sind Spitzel die Ausnahme und nicht jeder, der von einem Umweltverband oder einer Bürgerinitiative zur Industrie wechselt, darf unter Generalverdacht stehen." Und dennoch. Die vielen Beispiele, die vermutlich nur die Spitze des Eisberges sind, zeigen, was auf die Umweltverbände, Soziale Bewegung und Demokratie zukommt, wenn Umweltschutz und unsere Aktivitäten den Gewinninteressen der Konzerne zu wider laufen. Methoden dieser Art, die in den USA schon Gang und Gäbe sind, werden in Zukunft verstärkt auch bei uns eingesetzt. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Dies gilt insbesondere für die ökologisch-ökonomischen Konflikte,bei denen es auch um viel Geld geht. In Sachen neue AKW und Europäischer Druckwasserreaktor EPR geht es in der Schweiz um ein Geschäft von 12 Milliarden Euro und in Frankreich um ein Geschäft von weit über 200 Milliarden Euro. Jeder neue Reaktor wird ca 3 bis 4 Milliarden Euro kosten. In allen großen Konflikten müssen wir mit Spitzeln und Spionen rechnen, dürfen über diesem Wissen aber auch nicht in eine selbstlähmende Paranoia verfallen. Dieser Text ist eine ständig aktualisierte Zusammenfassung von BUND-Geschäftsführer Axel Mayer: "Getragen von der Hoffnung auf das vor uns liegende Zeitalter der Aufklärung und Demokratie". Mehr Infos: http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/spitzel-spione-attac-ngo.html Quelle: BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein , 31.01.2011. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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