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Gideon Levy erinnert sich an Juliano Mer-Khamis: Ein Araber, ein Jude, ein Mensch

Juliano Mer-Khamis war einer der talentiertesten Schauspieler, den es je hier gab, und er war auch der Mutigste unter ihnen

Von Gideon Levy, Haaretz, 08.04.2011

Vor etwas mehr als einem Monat stand Juliano auf der Bühne seines Freedom Theatre am Rand des Jeniner Flüchtlingslagers.

Während er  sich mit seinen Bemerkungen an die junge, laute Kindergruppe wandte, die das erste Mal in ihrem Leben ein Theater besucht, sagte er: "Dies ist eine gefährliche Vorstellung mit umstürzlerischen Botschaften. Wer schwätzt, wird sofort rausgeschmissen."

Es ging ein Pst durch die Zuhörerschaft. In den nächsten 75 Minuten sah ich das herrlichste, stilvollste, politische Spiel, das ich je gesehen hatte. Keines der Kinder unterbrach das Stück, mit der Ausnahme eines Kindes, das beim Anblick des am Seil hängenden Dieners in Tränen ausbrach.

Das Freedom-Theatre zeigte "Alice im Wunderland"  von Lewis Caroll, die Regie von Juliano Mer-Khamis geführt und mit Udi Aloni als Stückeschreiber.

Ich sah Mer-Khamis zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort. Es war in den späten 80er Jahren. Er stand tagelang im vorderen Hof des Israel Fringe Theatre in Acco: sein nackter Oberkörper mit Öl eingerieben. Er war Teil einer Einmannschau, die kein Ende zu haben schien. Jahre später sah ich zufällig "Arnas Kinder", einen brillanten Film, den er mit seiner  todkranken Mutter drehte. Arna Mer, die Gründerin des Theaters in Jenin und die Tochter des Arztes, der in Rosh Pina die Malariakranken heilte. Man könnte behaupten,  es sei der bewegendste Film, der je über die israelische Besatzung gedreht wurde.

Seitdem hab ich ihn bei vielen Gelegenheiten getroffen - immer im Lager. Dieser große, stramme, hübsche Mann mit viel Charisma - ein Jude und ein Araber wegen seiner Eltern  - vielleicht ein Jude in den Augen der Araber und ein Araber in den Augen der Juden. Er entschied sich, sein Leben Jenin zu widmen, wo er als ein Israeli  und als Mensch lebte. Einer der talentiertesten Schauspieler, den es je hier gab, und  er war auch der Mutigste  unter ihnen.

Die sieben Kugeln löschten das Licht des Mutes, das von ihm ausging. "Jule wurde ermordet", sagte eine zitternde Stimme, die  einem Bewohner des Flüchtlingslagers gehört, zu mir. Nun zitterte auch meine Stimme.

Deutsche Übersetzung: Ellen Rohlfs 

Veröffentlicht am

10. April 2011

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