“Wider die Götzen des Todes” - Friedhelm Meyer wird mit dem Düsseldorfer Friedenspreis 2011 geehrtVon Peter Bürger Viele Christinnen und Christen in Düsseldorf-Garath haben seit den 1960er Jahren ein außergewöhnliches Kapitel der evangelischen Ortskirchengeschichte "geschrieben", das man inzwischen auch nachlesen kann.Evangelische Kirchengemeinde Düsseldorf-Garath (Hrsg.): Mittendrin. Evangelische Gemeinde in Düsseldorf-Garath/Hellerhof. Düsseldorf: Selbstverlag 2009. [9,- Euro; Bezug über garath@evdus.de]. - Vgl. in diesem Buch auch zum Düsseldorfer Friedenspreisträger Friedhelm Meyer u.a.: S. 121 (Seelsorge); S. 62, 67 (Gottesdienste); S. 24, 46, 93 (Jugend und Familien); S. 108-111, 116, 122-130 (Engagement für Gerechtigkeit); S. 138-148 (Friedensarbeit); S. 149-155 (Bewahrung der Schöpfung) und S. 96 (gesellschaftliches Engagement überregional, Solidarische Kirche im Rheinland). Die Hoffnungskirche in Garath war dreieinhalb Jahrzehnte auch das Hauptwirkungsfeld von Pfarrer Friedhelm Meyer. Nicht immer hat dessen Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und das (Über-)Leben auf der Erde den Beifall der Kirchenleitung gefunden. Der "Düsseldorfer Friedenspreis" 2011 ehrt den unbeugsamen Protestanten. Sein Name ist - wörtlich und im übertragenen Sinne - mit dem Wirken einer "Solidarischen Kirche im Rheinland" verbunden. Die "Vita" des Preisträgers und seine FamilieGeboren 1935, Kindheit in Dinslaken, Jugend in Velbert, wo drei Generationen der Familie Pfarrer waren. Studium hauptsächlich in Bonn und Heidelberg, wo er sein Herz an seine geliebte Frau verlor, mit der er bald fünfzig Jahre verheiratet ist und fünf Söhne hat. Sehr prägend war für ihn ein halbes Jahr im "Seminar für kirchlichen Dienst in der Industriegesellschaft" bei dem früheren Industriepfarrer Horst Symanowski. 35 Jahre Pfarrer in der Neubausiedlung Düsseldorf-Garath (Schwerpunkte: Seelsorge, Gottesdienste, Jugend und Familien, sowie Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung). Die gesellschaftspolitische Arbeit war oft auch überregional, verbunden mit der Solidarischen Kirche im Rheinland (SoKi) und deren Leitung. Nach der Beendigung der aktiven Zeit als Pfarrer in Garath (2000) ging dieses Engagement zum Teil intensiver weiter: in der SoKi, in der Coordination gegen BAYER-Gefahren, in Ökumenischen Netzwerken im Rheinland (AK processus confessionis) und in Deutschland (Kairos Europa, ÖNiD), im Vorstand des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge, im Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), in der Initiative "Neue Namen" (für Urdenbacher Straßen, die nach Kolonialverbrechern benannt sind), im Verein für die Fortsetzung der Sozial- und Kulturarbeit in der - von der Gemeinde inzwischen geschlossenen - Garather Hoffnungskirche, längere Zeit auch in der Solidarität mit den Roma, im Düsseldorfer Sozialforum und seinen Aktionen sowie in der Redaktion von zwei Büchern. Friedhelm Meyer wirkt - zuhörend und mitstreitend, dienend und fördernd - immer zusammen mit anderen. Sein Verständnis von Gemeinde und von sozialem Engagement ist mit einer - negativen - persönlichen "Profilierung" unvereinbar. Allerdings hat er, der Familienmensch, nach eigenem Bekunden den Seinen durch das breitgefächerte Wirken viel zugemutet. In der Garather Zeit hat seine Frau neben der liebevollen Sorge für die Familie und den Belastungen des Pfarrhauses die meiste Zeit als Ärztin gearbeitet. Dass sie "trotz Allem - in treuer Liebe" zu ihm stand, dafür ist Friedhelm Meyer ihr zutiefst dankbar. Ich schreibe es hier mit gezielter Indiskretion auf, denn an die Partner der aktivsten Friedensarbeiter wird viel zu selten gedacht. "Kirche ist nur Kirche, wenn sie Kirche für andere ist" (Dietrich Bonhoeffer)Dietrich Bonhoeffer ist Namensgeber der zweiten großen ev. Kirche von Garath. Ein Wort dieses Heiligen ist für die Gemeinde von Anfang an Programm gewesen: "Kirche ist nur Kirche, wenn sie Kirche für andere ist." Beim Zuzug hatte man 1968 einen evangelischen Christen vorgewarnt: "In Garath wird nicht das wahre Evangelium verkündet, nur Mitmenschlichkeit." Das neue Gemeindemitglied machte dann aber die Erfahrung, "dass hier das Evangelium nicht nur gepredigt, sondern auch Konsequenzen daraus gezogen wurden". Wer in der Chronik "Mittendrin" liest, wie evangelische Christen die Nöte und Sorgen im Neubau-Stadtteil mittragen, sich aktiv einmischen - z.B. bei horrenden Mieterhöhungen (auch durch eine kirchliche Genossenschaft), Jugendszenen integrieren, die Alten aufsuchen, über vierzehn Jahre für einen behindertengerechten S-Bahnsteig streiten, Flüchtlinge aufnehmen und ohne öffentliches Selbstbeweihräucherung Kirchenasyl gewähren, praktische soziale Hilfen angehen, Partnerschaften mit Christen in anderen Ländern (z.B. Südafrika) pflegen und vieles, vieles mehr, der wird den von Missgünstigen eingebrachten Vorwurf der "Politisierung" richtig einschätzen können. Die Ortskirchengeschichte von Garath liest sich wie eine Chronik der Liebe und der Liebeserklärungen. Der politische Christ Friedhelm Meyer bekennt darin, dass für ihn die "Begleitung von trauernden wie die von sterbenden Menschen zu den wichtigsten und sinnvollsten Aufgaben" eines Seelsorgers gehört. Zu den "Anderen", für die die Kirche nach Bonhoeffer da ist, zählte 1973 freilich auch ein vom Berufsverbot getroffener linker Jurist, und spätestens da hörte die Mitmenschlichkeit für manche Bürgerchristen doch auf. Das Landeskirchenamt und die "Glocken für den Frieden"Nach dem Kirchentag 1981 waren auch in der Gemeinde Garath Friedensgruppen entstanden, die beim Presbyterium und bei den Seelsorgern starken Rückhalt hatten. Die friedensbewegten Protestanten sorgten für Aktionen gegen eine "Panzerschau" der Bundeswehr im Mai 1982, errichteten 1983 einen Friedensstein vor dem Martin-Luther-King-Haus, beteiligten sich am "Volksentscheid gegen die atomare Nachrüstung" (Europawahl 1983), luden zum monatlichen Friedensgebet in der Hoffnungskirche ein, verbreiteten die politische Friedenserklärung des Presbyteriums vom 7. Juli 1984 (atomwaffenfreies Gemeindezentrum), wirkten im "Friedenszentrum Garath" während des Düsseldorfer Kirchentages 1985 und verschickten im gleichen Jahr einen Brief des Presbyteriums an angehende Wehrpflichtige zur Gewissenerforschung. Der letzte Punkt sorgte für Aufruhr in der Presse und eine Beschwerde aus dem "Verteidigungsministerium", doch die rheinische Kirchenleitung sah den Verantwortungsbereich des Gemeindegremiums gewahrt. In einem anderen Fall jedoch zeigten die Kirchenoberen kein Einverständnis. In Garath waren Anfang der 80er Jahre für den Ostermarsch ein Gottesdienst vorverlegt und die Glocken geläutet worden. Am Turm der Hoffnungskirche hing eine blaue Fahne mit Friedenstaube, was die Kirchenordnung nicht erlaubte. Nachdem das Landeskirchenamt sogar mit Auflösung des Presbyteriums drohte, gab man unten nach. Während des Irak-Kriegs hing die große Friedensfahne dann aber 2003 "legal" als Transparent am Turm. Friedhelm Meyer ist auch nach der heißen Zeit der 1980er Jahre und dem kurzen Wiederaufflackern evangelischer Proteste 2002/2003 - bis zur Stunde - der Friedensbewegung treu geblieben. Über die Solidarische Kirche und ökumenische Netze bringt er sich immer wieder ein, wenn die Kirchenleitung zur deutschen Kriegspolitik keine entschiedene Stellung bezieht bzw. den Eindruck erweckt, durch den - von ihm strikt abgelehnten - staatskirchlichen "Militärseelsorgevertrag" nachhaltig korrumpiert zu sein. An wie vielen Demonstrationen von Eller bis Rostock/Heiligendamm, Kundgebungen, Mahnwachen, antifaschistischen Aktionen, Friedenstagungen und Ostermärschen Friedhelm Meyer in seinem Leben teilgenommen hat, das wissen wir nicht genau. Seine Frau wird aber bestimmt eine ungefähre Ahnung vom Ausmaß all dieser "außerplanmäßigen Aktivitäten" bewahren. Der beharrliche Kern der Düsseldorfer Friedensstreiter ist vollzählig, wenn Friedhelm Meyer mit seinem Fahrrad kommt. Einsatz für Gerechtigkeit - Widerstand gegen KonzernmachtBei drohenden Werksschließungen und Arbeitskämpfen in Düsseldorf hat Friedhelm Meyer sich als Pfarrer an die Seite der Beschäftigten gestellt, wobei die Presse im Einzelfall einen schwarzen Mantel als Talar deuten wollte. Die Wurzel für die nahe Ungerechtigkeit und für das himmelschreiende Elend im globalen Maßstab liegt für ihn im Profitzwang des kapitalistischen Systems. Wie die Befreiungstheologen hält er nichts davon, Almosen zu predigen und das Grundübel unserer Wirtschafts-"Ordnung" unangetastet zu lassen. Bedeutsam ist auch sein Wirken im großen konzernkritischen Netzwerk "Coordination gegen BAYER-Gefahren" (CBG). Seit Ende den 80er Jahren, also seit mehr als 20 Jahren, ist Friedhelm Meyer dort aktiv und hat seither bei kaum einer Aktion der CBG zu den Hauptversammlungen der BAYER-AktionärInnen gefehlt. Auch hat er immer wieder die Zusammenarbeit sowohl der Institution Kirche als auch einzelner KirchenvertreterInnen mit den Konzernen an den Pranger gestellt und alle Aktionen der CBG auf den Evangelischen Kirchentagen maßgeblich mit organisiert. Friedel Geisler aus Solingen, die wegen ihres kritischen Beitrags auf einer BAYER-Aktionärsversammlung den Pastorentitel verlor, fand über ihn in der Hoffnungskirche ein neues Zuhause. Ökumenisches Bekenntnis wider den Götzendienst von "Mammon-Macht-Krieg"Friedhelm Meyer steht für die Eigenständigkeit der nahen Gemeinde ein und lehnt zentralistische Kirchenleitungsmodelle kompromisslos ab. Er ist ein reformiert geprägter, jedoch entschieden ökumenischer Christ. Ich persönlich habe bei ihm mit Blick auf die besonderen Frömmigkeitsformen meiner katholischen Tradition nie irgendetwas Trennendes oder gar kleinkarierte Abgrenzung erlebt. Dass er in Garath Predigten bei den Katholiken und sogar eine Ansprache zur Statio der Fronleichnamsprozession gehalten hat, erstaunt mich in keiner Weise. Der Geist im jungen Stadtteil war ökumenisch. Ganz bestimmt sind auch die wunderbaren menschlichen Beziehungen zu katholischen Exil-Chilenen, die ab 1976 in "seiner" Hoffnungskirche Aufnahme gefunden hatten, ein Hintergrund der ökumenischen Weitherzigkeit von Friedhelm Meyer. Die Überwindung von Konfessionsmauern quer durch die Gemeinde Jesu geschieht in den basiskirchlichen Ökumene-Netzwerken von unten, für die er sich mit Nachdruck einsetzt. Diese Ökumene ermöglicht eine Entschiedenheit, die den staatskirchlich ambitionierten Großkirchen leider zu oft fehlt. Am zweiten Adventssonntag 2002 haben Mitglieder der Solidarischen Kirche im Rheinland, der Pax Christi Bewegung, der Ordensleute für den Frieden und des Ökumenischen Friedensnetzes in der Franziskanerkirche Düsseldorf eine "Ökumenische Bekenntnisliturgie wider den Götzenkult von Mammon, Macht und Krieg"Texte auch im Internet auf: http://www.ofdc.de/bekennen.html gefeiert. Friedhelm Meyer war federführend bei dieser "Absage an die Götzen des Todes" beteiligt, ebenso 2006 an der bundesweiten "Ökumenischen Erklärung von Christinnen und Christen aller Konfessionen zu Militärdoktrinen im Dienste nationaler Wirtschaftsinteressen"Ökumenische Erklärung von Christinnen und Christen aller Konfessionen zu Militärdoktrinen im Dienste nationaler Wirtschaftsinteressen (mit Online-Unterzeichnung und internationaler Fassung in Englisch) https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/aktionen/004080.html . Noch ein persönliches Wort sei mir zum Schluss dieses Beitrages gestattet: In den drängenden Anliegen einer Kirche, die sich endlich den Überlebensfragen auf unserem Planeten zuwendet, fühle ich mich als Katholik keinem Christen so eng verbunden wie dem Freund und Christenbruder Friedhelm Meyer. Der Düsseldorf FriedenspreisDie ehrende Urkunde beginnt mit dem Absatz: "Friedhelm Meyer verbindet die nahe Sorge um Menschen mit dem Kampf gegen ein globales Wirtschaftssystem, das über Leichen geht. Seine Vision einer Kirche, die sich dem Kriegsapparat kompromisslos verweigert, ist von dringlicher Aktualität. In der Nachfolge des Jesus von Nazareth ermutigt er nicht nur Christen zu Zärtlichkeit und Widerstand." "Der undotierte Düsseldorfer Friedenspreis wird seit 2002 von der Düsseldorfer Friedensbewegung d.h. den Initiativen Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK Düsseldorf), Friedensforum Düsseldorf, Menschen für den Frieden, Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen und Christen sowie Pax Christi - Basisgruppe Düsseldorf verliehen, um Einzelpersonen oder Gruppen zu ehren, die von >unten her< dazu beigetragen haben, die Verständigung der Menschen untereinander zu fördern, Feindbilder ab- und Vertrauen aufzubauen." (www.duesseldorfer-friedenspreis.de) Der diesjährigen Verleihung am Ostermarsch-Samstag (23. April 2011) soll im nächsten Jahr wieder die Feier zur Preisehrung am Antikriegstag (1. September) folgen. FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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