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Rüstung verschwendet Reichtum

Lassen sich Militärbudgets leichter reduzieren, wenn man sie zuvor vergleichbar macht?

Von Wolfgang Kötter

Am East River in Manhattan beraten seit 9. Mai 2011 UNO-Experten über eine Aufgabe, die zunächst sehr einleuchtend erscheint, sie aber praktisch umzusetzen, erweist sich als äußerst schwierig. Es geht darum, wie die Militärausgaben der Staaten vergleichbar gemacht werden können, um sie anschließend zu reduzieren. Das ist dringend notwendig. Laut UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sind die Rüstungsausgaben der UN-Mitgliedsländer in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent auf 1,5 Billionen US-Dollar gewachsen: "Mit diesem Geld hätten akuteste Entwicklungsprobleme wie Armutsbekämpfung, Vervollkommnung des Gesundheitswesens oder Kampf gegen die Klimaerwärmung gelöst werden können", beklagt der Chefdiplomat der Weltorganisation. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI errechnet für 2010 sogar die Rekordsumme von 1,63 Billionen Dollar.

Dass man - ökonomisch gesehen - statt Rüstungen zu bezahlen den gesellschaftlichen Reichtum auch gleich ins Wasser werfen könnte, ist schon lange bekannt. Trotzdem steht die Reduzierung der Militärbudgets seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung internationaler Abrüstungsforen, ohne dass auch nur ein Dollar, Rubel, Renminbi oder Euro jemals einvernehmlich aus den Militäretats der Staaten gestrichen worden wäre.

Während des Ost-West-Konflikts schaukelte sich das Wettrüsten durch gegenseitige Aktions-Reaktions-Mechanismen regelmäßig auf. Vorschläge zur Reduzierung der Militärausgaben waren zumeist propagandistisch motiviert und der Schwarze Peter wurde der jeweils anderen Seite zugeschoben. Die östlichen Länder des Warschauer Paktes verlangten, die Militärausgaben um absolute Summen oder prozentuale Zahlen zu kürzen. Die NATO-Vertreter hingegen verwiesen darauf, dass in den staatssozialistischen Ländern viele militärische Aufwendungen nicht im Rüstungsetat aufgeführt, sondern in anderen Bereichen wie beispielsweise in der Schwerindustrie versteckt seien. Deshalb wäre es zunächst erforderlich, die Militärausgaben offen zu legen und vergleichbar zu machen. Auf ihre Initiative hin wurden im Rahmen der Vereinten Nationen Kriterien der Vergleichbarmachung von Militärausgaben erarbeitet und ein standardisiertes Berichtssystem entwickelt.

Während des Kalten Krieges wiesen die sozialistischen Staaten und zahlreiche Entwicklungsländer dies als pures Ablenkungsmanöver zurück. Zudem seien beispielsweise in den USA die Ausgaben für die Atomwaffen auch nicht im Militäretat, sondern im Budget des Energieministeriums enthalten. Mit der unter Gorbatschow ab Mitte der achtziger Jahre betriebenen Politik von Glasnost (Offenheit) relativierte sich in der sowjetische Politik die absolute Geheimhaltung und sowohl Moskau als auch die übrigen osteuropäischen Staaten nahmen am Berichtssystem teil. Damit hörte diese Kontroverse auf, Gegenstand der Ost-West-Konfrontation zu sein. Die UN-Abrüstungskommission verabschiedete im Jahre 1989 sogar Prinzipien für die Reduzierung der Militärbudgets.

Die ursprünglich von der Bundesrepublik Anfang der achtziger Jahre initiierte Resolution zur Transparenz der Militärbudgets, die alle Staaten zur Beteiligung am Berichtssystem auffordert, erhielt allgemeine Zustimmung und wird seither jeweils einvernehmlich verabschiedet. Die Mitgliedsstaaten sind aufgerufen, bis zum 30. April auf einem standardisierten Formblatt die Militärausgaben des vorangegangenen Jahres mitzuteilen. Das Berichtssystem soll erklärtermaßen zur Vertrauensbildung beitragen und so eine Verminderung von Militärausgaben fördern. Nachdem sich anfänglich kaum 30 Staaten beteiligten, wuchs die jährliche Teilnehmerzahl zwischenzeitlich auf über 75 an, geht aber in jüngster Zeit wieder zurück.
In 2010 wurde die jetzt tagende Expertengruppe mit dem Auftrag gebildet, das seit seiner Einführung nahezu unverändert gebliebene Berichtssystem zu überprüfen und Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten. Dadurch soll die Wirkung dieses Instrumentariums als vertrauensbildende Maßnahme angesichts der weltweit steigenden Rüstungsausgaben gestärkt und der rückläufige Trend bei der Teilnahme wieder umgekehrt werden. Nach Sitzungen in Genf im vergangenen November und im Februar ebenfalls hier in New York werden die Ergebnisse und Empfehlungen in einem Abschlussbericht im kommenden Herbst der 66. UN-Vollversammlung vorgelegt. Es ist zu hoffen, dass darunter auch konkrete Anregungen enthalten sind, wie Militärausgaben nicht nur verglichen, sondern auch tatsächlich verringert werden können.

Charta der Vereinten Nationen zu Rüstungsausgaben und Abrüstung

Artikel 11

(1) Die Generalversammlung kann sich mit den allgemeinen Grundsätzen der Zusammenarbeit zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einschließlich der Grundsätze für die Abrüstung und Rüstungsregelung befassen und in bezug auf diese Grundsätze Empfehlungen an die Mitglieder oder den Sicherheitsrat oder an beide richten…

Artikel 26

Um die Herstellung und Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit so zu fördern, dass von den menschlichen und wirtschaftlichen Hilfsquellen der Welt möglichst wenig für Rüstungszwecke abgezweigt wird, ist der Sicherheitsrat beauftragt, mit Unterstützung des in Artikel 47 vorgesehenen Generalstabsausschusses Pläne auszuarbeiten, die den Mitgliedern der Vereinten Nationen zwecks Errichtung eines Systems der Rüstungsregelung vorzulegen sind.

Artikel 47

(1) Es wird ein Generalstabsausschuss eingesetzt, um den Sicherheitsrat in allen Fragen zu beraten und zu unterstützen, die dessen militärische Bedürfnisse zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, den Einsatz und die Führung der dem Sicherheitsrat zur Verfügung gestellten Streitkräfte, die Rüstungsregelung und eine etwaige Abrüstung betreffen…

Die 10 Länder mit den höchsten Militärausgaben 2009

Rang  Land

 Ausgaben

 (Mrd. US-Dollar)

 1  USA  661.0
 2  China  100.0*
 3  Frankreich    63.9
 4  Großbritannien     58.3
 5  Russland    53.3*
 6  Japan    51.0
 7  Deutschland    45.6
 8  Saudi-Arabien    41.2
 9  Indien    36.3
 10  Italien    35.8

* SIPRI-Schätzungen. Quelle: SIPRI-Jahrbuch 2010

Veröffentlicht am

10. Mai 2011

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