Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren ein

Von Michael Schmid

Wer sich politisch einmischt, muss unter Umständen mit erheblichen Widerständen rechnen. Das ist gewiss keine neue Erkenntnis. Kommt in der konkreten Ausformung dann doch manchmal überraschend.

Als Verein Lebenshaus Schwäbische Alb haben wir im vergangenen Jahr mit einem "Offenen Brief" und einer Unterschriftensammlung an den Bürgermeister der Stadt Gammertingen (Kreis Sigmaringen) gegen eine "Bundeswehrpatenschaft" protestiert.Siehe "Offener Brief" an Bürgermeister wegen Unterstützung des Afghanistan-Krieges . Mit verschiedenen unfairen Mitteln hat insbesondere Bürgermeister Holger Jerg versucht, diesen Protest verächtlich zu machen und schließlich zu kriminalisieren. Neben vielem anderen hat es schließlich im März 2011 eine Durchsuchung des Lebenshaus-Gebäudes gegeben.Siehe hierzu ausführlich:  Hausdurchsuchung bei Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. nach Protest gegen "Bundeswehrpatenschaft" . Im August 2010 war in Gammertingen in manchen Briefkästen ein fingierter "Rathaus-Brief" zu finden. Unbekannte hatten in einer satirischen Zuspitzung auf den brisanten Konflikt hingewiesen, der hinter einer "Bundeswehrpatenschaft" steht: Ja oder Nein zur Unterstützung von Kriegseinsätzen.

Statt gelassen auf diese Aktion zu reagieren, sah Bürgermeister Jerg in dem Flugblatt einen Akt, der "an Geschmacklosigkeit und krimineller Absicht nicht zu übertreffen" sei. Er erstattete Strafanzeige, bot 500 Euro Belohnung aus dem Stadtsäckel für sachdienliche Hinweise an und legte in einer öffentlichen Erklärung gleichzeitig die Vermutung nahe, dass Lebenshaus Schwäbische Alb mit seinem Protest gegen die "Bundeswehrpatenschaft" hinter der Aktion stehe.Siehe Gefälschter "Rathaus"-Brief im Umlauf - Bundeswehrpatenschaft im Verruf - Dokumentation der Stellungnahme von BM Jerg einschließlich des fingierten "Amtsschreibens", Amtsblatt der Stadt Gammertingen vom 19.08.2010 (PDF-Datei, 192 KB) und Lebenshaus widerspricht Versuch der Kriminalisierung - Zuspruch zur Kritik an Bundeswehrpatenschaft auch aus Reihen der Bundeswehr .

Aufgrund unserer Beschwerde gegen die empörende Hausdurchsuchung hat dann das Landgericht Hechingen in einem Beschluss festgestellt, dass diese Durchsuchung rechtswidrig war.Siehe Hausdurchsuchung bei Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. nach Protest gegen “Bundeswehrpatenschaft” war rechtswidrig .

Schließlich hat nun der leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Hechingen die Einstellung des "Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt" verfügt, weil "weder der oder die Verfasser noch der oder die Verteiler des Schreibens ermittelt werden konnten."

Für uns als Lebenshaus hat es zwar keine weitere Bedeutung, ob dieses Ermittlungsverfahren eingestellt wird oder nicht, weil auch noch so lang andauernde Ermittlungen keine Beweise gegen unseren Verein und seine Verantwortlichen hätten erbringen können. Allerdings ist die Begründung der Staatsanwaltschaft insofern interessant, weil daraus sehr deutlich der nachdrückliche Versuch des Gammertinger Bürgermeisters Jerg hervorgeht, uns zu kriminalisieren.

Begründung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens

Im Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Hechingen heißt es u.a.:

"Mit Anwaltsschriftsatz vom 10.08.2010 erstattete Bürgermeister Jerg wegen des gefälschten Rundschreibens Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Urkundenfälschung, Amtsanmaßung, Störpropaganda gegen die Bundeswehr, groben Unfugs und Verstoßes gegen die Vorschriften des Landespressegesetzes Baden-Württemberg. …

Bereits im Anwaltsschriftsatz ließ der Anzeigeerstatter vortragen, dass von den Verantwortlichen des Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. bereits zuvor eine Medien- und Internetkampagne gegen die geschilderte Patenschaft der Stadt Gammertingen betrieben worden sei. Der Anzeigeerstatter habe dem Vorsitzenden des Vereins, Herrn Axel Pfaff-Schneider, sowie dem Geschäftsführer des Vereins, Herrn Michael Schmid, in jüngster Zeit unter Verwendung des üblichen Briefbogens der Stadtverwaltung ein Antwortschreiben zukommen lassen und zu den diversen schriftlichen Kampagnen des Vereins Stellung genommen. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer Durchsuchung der Vereinsräumlichkeiten Spuren oder Sachen gefunden würden, die weitere Hinweise auf die Täter ergeben.

Diese Anregung des Anzeigeerstatters wurde mit Schriftsatz vom 09.12.2010 wiederholt und darauf verwiesen, dass auf den Computern der Vereinsgeschäftsstelle Spuren festgestellt werden könnten, die auf die regen Kontakte des Vereins mit den eigentlichen Tätern oder Verteilern der gefälschten Briefe hinwiesen. Da die gefälschten und verteilten Briefe elektronisch bearbeitet worden seien, müsse man davon ausgehen, dass sich derartige Dateien auf den Vereinscomputern finden ließen.

Der Anregung des Anzeigeerstatters entsprechend wurde vom Amtsgericht Hechingen auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hechingen am 20.12.2010 ein Durchsuchungsbeschluss für die Geschäfts- und Nebenräume des Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. erlassen. Der Beschluss wurde am 10.03.2011 vollzogen. Dabei wurden eine Klarsichtmappe mit Schreiben, ein Ordner Schriftverkehr, ein USB-Stick, ein Rechner, ein Notebook und ein weiterer Rechner sichergestellt.

Auf Beschwerde des Lebenshaus e.V. vom 18.03.2011 stellte das Landgericht Hechingen mit Beschluss vom 20.05.2011 fest, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 20.12.2010 rechtswidrig war." Der vollständige Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Hechingen kann hier heruntergeladen werden: Entscheidung Staatsanwaltschaft (PDF-Datei, 210 KB).

Bürgermeister spielt treibende Rolle bei Kriminalisierungsversuch gegenüber Lebenshaus

Den Eindruck, dass der Gammertinger Bürgermeister nichts unversucht lässt, um mittels Kriminalisierung des politischen Gegners "Politik" zu machen, mussten wir aufgrund verschiedener Vorgänge schon vorher bekommen. Aber die Ausführungen der Hechinger Staatsanwaltschaft unterstreichen dies nochmals nachhaltig. So sind dem Einstellungsbeschluss auch offensichtlich durch Herrn Jerg aufgestellte Behauptungen zu entnehmen, die schlicht unwahr sind. Dabei könnte es sich durchaus um strafrechtlich relevante unwahre Tatsachenbehauptungen handeln.

Aus solchen Vorgängen können wir ableiten, dass der Druck, den wir mit unserer Protestaktion gegen die "Bundeswehrpatenschaft" auf den Gammertinger Bürgermeister aufgebaut haben, ziemlich groß war. Von Beginn unseres Protestes gegen die "Bundeswehrpatenschaft" legte er eine Haltung an den Tag, die nicht auf Diskurs und Auseinandersetzung angelegt war, sondern auf Ausgrenzung und Diffamierung. Da wir uns damit nicht ruhigstellen und einschüchtern ließen, sah er dann in der Sache mit dem fingierten "Rathaus-Brief" wohl eine sehr günstige Gelegenheit, endlich Druck aus dem Kessel zu lassen. Es wäre ja auch zu schön gewesen: "Lebenshaus und seine Verantwortlichen krimineller Machenschaften überführt…". Um solche oder ähnliche Schlagzeilen zu bekommen, dafür hat der Bürgermeister - wie nun nach und nach immer mehr bekannt geworden ist - offensichtlich viel Energie aufgewandt. Und zu mehr als fragwürdigen Mitteln gegriffen. Mit seinen "Anregungen" konnte er die Staatsanwaltschaft Hechingen immerhin zur Beantragung einer letztlich rechtswidrigen Hausdurchsuchung bewegen.

Heiligt aber der Zweck wirklich jedes Mittel? Sind der versuchte Rufmord, die Kriminalisierung Mittel der demokratischen Auseinandersetzung? Wer traut sich noch zu protestieren, wenn er sich plötzlich als "Krimineller" wiederfindet? Wer will sich mit Menschen zusammentun, die im Ruf stehen, Kriminelle zu sein? Es ist das Klima der Angst, der Verunsicherung und der Schwächung von Motivation, das auf diese Weise bewusst geschaffen wird. Auch so kann demokratischer Protest kleingekocht werden. Und genau darum geht es offensichtlich. Das ist das eigentlich Empörende und Demokratieschädliche dabei.

Lebenshaus mit Protest gegen "Bundeswehrpatenschaft" erfolgreich

Uns war durchaus bewusst, dass wir uns unbeliebt machen könnten, wenn wir den Mund aufmachen und gegen die "Bundeswehrpatenschaft" protestieren würden. Uns war ebenfalls bewusst, dass wir damit eine Minderheitenposition in unserem konservativ geprägten Umfeld vertreten, in dem sich die Mehrheit entweder mit der Bundeswehr identifiziert und sich Vorteile von deren Stationierung in der Region verspricht, oder zumindest eine Haltung der Gleichgültigkeit an den Tag legt.

So nicht erwartet hätten wir die äußerst heftige und alles andere als souveräne Reaktion des Gammertinger Bürgermeisters. Aber mit unserer Aktion ist es gelungen, zu einer lebhaften Diskussion in Gammertingen beizutragen. Die Frage nach Krieg und Frieden und der eigenen Einstellung zur Bundeswehr, dem Afghanistan-Krieg und den Verwicklungen der "normalen", oft ahnungslosen Bevölkerung, ja sogar Erinnerungen an persönliche Kriegserfahrungen im Zweiten Weltkrieg, vieles wurde in Folge unserer Aktion in Gammertingen diskutiert. Mehr als eine gewisse Nachdenklichkeit bei manchen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürgern erreichen zu wollen, das wäre ein unrealistisches Anliegen gewesen.

Wenn es darüber hinaus auch noch gelungen sein sollte, dass sich zum Beispiel die Gemeindeverwaltung mit ihrer öffentlichen Zurschaustellung der Bundeswehr eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, dann freut uns das.

Und die Verantwortlichen der Gammertinger "Patenschaftskompanie" haben sich offensichtlich ebenfalls mehr Zurückhaltung auferlegt. Zumindest entstand beim diesjährigen Gammertinger Stadtlauf dieser Eindruck. Hatte ich im vergangenen Jahr mit einem Schreiben an die Bundeswehr moniert, dass sogar die Kinder des Kompaniefeldwebels unter dem Namen der "Patenschaftskompanie" mitliefen, so konnte ich dieses Jahr zu meiner Überraschung überhaupt keine Teilnehmerin oder Teilnehmer unter dieser Bezeichnung finden, also auch keine aktiven Soldaten.

Artikelsammlung zu Protestaktion gegen "Bundeswehrpatenschaft":

Fußnoten

Veröffentlicht am

28. September 2011

Artikel ausdrucken