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US-Abzug aus dem Irak? Eine unrühmliche Bilanz

Von Klaus Schramm

US-Präsident Barack Obama behauptet, am Sonntag habe der letzte US-Soldat den Irak verlassen. Damit soll nun die acht Jahre und neun Monate andauernde Okkupation des Irak beendet sein. Die USA haben in dieser Zeit Öl im Wert von insgesamt rund 340 Milliarden US-Dollar erbeutet und damit die Kriegskosten von schätzungsweise 1.000 Milliarden US-Dollar zumindest zu einem Drittel dem Irak aufbürdet.

Der am 21. März 2003 begonnene Irak-Krieg hat im Laufe dieser acht Jahre und neun Monate nach unabhängigen Schätzungen über 160.000 IrakerInnen und nach offiziellen Angaben 4.421 US-AmerikanerInnen das Leben gekostet. Über die Gesamtzeit "dienten" im Irak vor allem US-AmerikanerInnen aus den unteren Schichten und überwiegend schwarzer Hautfarbe, die - entgegen früheren Zeiten - als KriegsveteranInnen schlechte Chancen haben, in den USA wieder einen regulären Arbeitsplatz zu finden. Die Arbeitslosigkeit unter ihnen liegt nach offiziellen Zahlen bei 12 Prozent - bei 9 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Bei den männlichen Irak-Kriegsveteranen zwischen 20 und 24 Jahren liegt die Arbeitslosenquote gar bei über 30 Prozent, wie ‘USA Today’ kürzlich ermittelte. Häufig kommen zu körperlichen Kriegsschäden psychische Probleme wie das posttraumatischem Stress-Syndrom oder Depressionen hinzu. Laut Angaben der ‘Organisation Iraq and Afghanistan Veterans of America (IAVA)’ leiden zwischen 20 und 35 Prozent der im Irak oder in Afghanistan eingesetzten SoldatInnen unter diesen "unsichtbaren Wunden."

Entgegen dem von US-Präsident Obama vermittelten Eindruck wird eine nicht unerhebliche Zahl an "Wachpersonal" und einige Einheiten von US-Elitesoldaten im Irak verbleiben. Hinzu kommt ein Heer von über 15.000 US-AmerikanerInnen, die im Irak nominell unter der Leitung des US-Außenministeriums verbleiben. Auch mindestens einige Zehntausend SoldatInnen von privaten US-"Sicherheits"-Firmen werden dafür sorgen, daß die Unterdrückung der irakischen Bevölkerung durch das installierte Marionetten-Regime von "Ministerpräsident" Nuri al-Maliki aufrecht erhalten werden kann. Ob in Zukunft auch unter diesen Bedingungen weitestgehend Stillschweigen über den Verbleib des irakischen Öls gewahrt bleibt, ist gegenwärtig schwer vorherzusagen.

Noch im August 2010 sahen die Pläne der US-Regierung vor, daß mindestens 50.000 US-SoldatInnen im Irak verbleiben sollten und die von kommerziellen "Sicherheits"-Firmen gestellte Zahl an Einsatzkräften - auch SöldnerInnen genannt - bei mindestens 20.000 belassen werden sollte. Doch um diese Pläne, die ebenfalls als "Truppenabzug aus dem Irak" und Einlösen des Versprechens von Barack Obama im Wahlkampf gegen George W. Bush im Jahr 2008, den Irak-Krieg zu beenden, verkauft werden sollte, durchzusetzen, fehlte der US-Regierung zum einen mittlerweile die Kraft, zum anderen steht das Maliki-Regime auf zu wackeligen Beinen und unter zu starkem Druck der Bevölkerung. Als Ausrede dient nun die Behauptung, die US-Regierung habe sich nicht mit al-Maliki auf die geforderte Immunität des US-Truppen vor Strafverfolgung einigen können.

Offenbar geht mit dem jetzt zu beobachtenden weitgehenden Truppenabzug ein Übergang von der direkten Okkupation des Irak zur Beherrschung des Landes mittels eines auf eine eigene Armee von 190.000 Soldaten gestützten Marionetten-Regimes einher. Die Situation im Irak ist desolat. Große Teile der irakischen Bevölkerung hungern. Laut UN liegt die Arbeitslosenquote bei 28 Prozent. Nach wie vor werden rund 30 Terror-Anschläge pro Woche gezählt. Jeden Monat werden dabei mehr als 200 irakische ZivilistInnen getötet.

Bereits in den vergangenen Tagen traten die bislang verdeckten Konflikte zwischen sunnitischen und schiitischen Teilen des Marionetten-Regimes zu Tage. Das als sunnitisch firmierende Irakiya-Bündnis beschloß am Samstag, das Pseudo-Parlament zu boykottieren - offenbar, um damit Kredit in der Bevölkerung zu erlangen. Zugleich kursierten Gerüchte, schiitische Sicherheitskräfte, die dem Marionetten-Ministerpräsidenten al-Maliki treu ergeben sind, wollten den als sunnitisch firmierenden Vizepräsidenten Tariq al-Hashimi festnehmen. Beim Irakiya-Bündnis handelt es sich um den zweitgrößten Parteien-Block nach der als schiitisch firmierenden "Nationalen Allianz" von al-Maliki. Anführer des Irakiya-Bündnisses ist Saleh al-Mutlak, der eng mit Vize-Präsident Tariq al-Hashimi verbandelt ist. Mutlak bezeichnete al-Maliki in einm TV-Interview als "schlimmeren Diktator als Saddam Hussein." Al-Maliki forderte daraufhin am Sonntag das "Parlament" dazu auf, dem Abgeordneten Mutlak das Vertrauen zu entziehen.

Als Begründung für den Krieg und die Beseitigung des ursprünglich im Jahr 1979 ebenfalls als Marionette der USA eingesetzten Saddam Hussein diente Ende 2002, Anfang 2003 der Vorwand, das Hussein-Regime sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen und habe Kontakte zu dem angeblich existierenden Terror-Netzwerk Al Qaida von Osama Bin Laden. Für beide Behauptungen konnte die US-Regierung keine Beweise vorlegen. Offenkundig obskure Beweise für Massenvernichtungswaffen, die der damalige US-amerikanische Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem Weltsicherheitsrat präsentierte, stellten sich schon kurze Zeit später als Lügen heraus: Die behaupteten Massenvernichtungswaffen hatte es im Irak nicht gegeben. Die behauptete Verbindung zwischen Saddam Hussein und Osama bin Laden war schon am 5. Februar 2003 leicht als absurd zu durchschauen. Und davon, daß es darum gehe, im Irak Demokratie und Freiheit einzuführen, sprach schon bald niemand mehr.

Dennoch wurden diese angeblichen Beweise rückhaltlos in den US-amerikanischen und europäischen Mainstream-Medien verbreitet. Kritische Leserbrief-SchreiberInnen wurden als "Verschwörungstheoretiker" verunglimpft. Mit wenigen Ausnahmen war bis heute von den Verantwortlichen keine Entschuldigung für dieses Versagen der Mainstream-Medien zu hören. Immerhin hatte Colin Powell so viel Charakter, in einem Interview mit dem US-Sender ABC am 9. September 2005 zuzugeben, daß er von Teilen des US-Geheimdienstes getäuscht worden sei. Dies sei ein "Schandfleck" in seiner Karriere, sagte Powell.

Zur Zeit des Einmarsches der USA in den Irak ergab eine Umfrage von CBS und New York Times, daß 42 Prozent der US-AmerikanerInnen Saddam Hussein direkt für die Terror-Angriffe vom 11. September 2011 verantwortlich hielten. Eine Umfrage der ABC-Nachrichten stellte fest, daß 55 Prozent der US-AmerikanerInnen glaubten, daß Saddam Hussein Al Qaida unmittelbar unterstütze. All diesen Meinungen lag kein einziger Beweis zugrunde. Sie alle beruhen auf Anspielungen, auf Selbstbetrug, auf glatten Lügen, die von den Mainstream-Medien in Umlauf gebracht worden waren.

Bis zur kommenden US-Präsidentschaftswahl ist es weniger als ein Jahr und für Barack Obama, der ansonsten alle Wahlversprechen von 2008 in ihr Gegenteil verkehrte, ist der Truppen-Abzug aus dem Irak nun eine hervorragende Gelegenheit, daran zu erinnern, daß die Beendigung des Irak-Kriegs ein zentrales Versprechen gewesen sei. Zugleich versucht sich Obama gegenüber rechten WählerInnen-Schichten der "republikanischen" Partei zu profilieren und die desolate Situation des Irak als "Erfolgsgeschichte" darzustellen: Der Irak sei heute "souverän, stabil und selbständig." Dabei kann er in der Öffentlichkeit allerdings nicht das geraubte Öl herausstellen, denn davon darf offiziell keine Rede sein. Nahezu vergessen ist heute die Prognose des früheren US-Chefstrategen Paul Wolfowitz, wonach sich der auf mehrere hundert Milliarden veranschlagte Militär-Einsatz über Iraks Öl finanzieren ließe.

Bei einer Rede vor US-SoldatInnen auf dem Militärstützpunkt Fort Bragg in North Carolina stellte Obama den Irak-Krieg stattdessen als Heldentat dar: "Das macht uns, als Amerikaner, zu etwas Besonderem. Im Gegensatz zu den alten Weltreichen bringen wir diese Opfer nicht für Territorien oder Rohstoffe. Wir tun es, weil es richtig ist."

Zugleich versuchte er - assistiert von seiner Frau, die ihn als "Oberster Heerführer" ansprach - den Truppen-Abzug als Grund für seine Wiederwahl anzupreisen. Der jetzige Zustand des Irak sei eine "außergewöhnliche Errungenschaft" und die SoldatInnen hätten "dazu beigetragen, dies zu ermöglichen." Neben viel Wortgetöse, welches das angebliche Charisma Barack Obamas ausmacht, besaß er die Frechheit, in dieser Rede die längst vergessene Lüge aufzugreifen, der Irak-Krieg habe dem Kampf für Demokratie und Freiheit gedient. Die Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein, die in der Rede des damaligen US-Außenministers Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem Weltsicherheitsrat allein als Grund für den Irak-Krieg herhalten sollten, erwähnte Barack Obama mit keinem Wort. Er beschwor stattdessen die zum Hören seiner Rede zwangsverpflichteten SoldatInnen, sie hätten dem Teil der irakischen Bevölkerung beigestanden, "der an die Zukunft glaubt."

Quelle: Netzwerk Regenbogen vom 19.12.2011.

Veröffentlicht am

23. Dezember 2011

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