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Wie Hodscha Nasreddin Weihnachten feiert

Von Peter Grohmann

In einem schönen, fernen Lande, von dem uns berichtet wird, daß dort die Sonne niemals untergeht, wenn man nur weit genug wandert, und daß die Gärten ewig grün sind und die Bäume die wohlschmeckendsten Früchte tragen und ein milder Wind die Blätter jagt und daß die Nächte sternenklar und die Himmel von dunklem Blau sind und Mensch und Natur einander nah, in einem Land also weitab von unseren Sorgen und jenseits der Nöte der Welt lebte vom Anfang der Zeiten bis heute die Freundlichkeit.

Überall, wo die Freundlichkeit auftauchte, war sie geliebt und geehrt, und ihr Herz war groß und die Weisheit und die Güte kleideten sie voller Anmut. Eines Tage jedoch hörte sie sagen, daß sie einen bösen Bruder hätte. Habgier nannten ihn jene und Hass diese.

Schalom. Salam.

Denn die Freundlichkeit ist der Süden und der Osten, ist der Norden und der Westen.

Hodscha Nasreddin durchschritt die Weiten der Länder, sah den Erdkreis und die Sterne, hörte dem Wüstensturm zu, wie er drohte und fand jene, die ins Heilige Land gezogen waren, die brandschatzten und plünderten und mordeten im Namen des einen Gottes.

Und die Freundlichkeit floh. Und der Bruder, den sie Hass nannten, regierte.

Es gab Korn in reichem Maße und Wasser. Und doch dürsteten und hungerten Mensch und Tier. Hodscha Nesreddin, den sie den Schelmen nannten und der die Wüsten kannte wie die sterbenden Wälder, der um die vergifteten Ufer des Niger trauerte wie um die schmelzenden Berge des Himalaja, der die Flüchtenden traf an den kargen Lagern Nordafrikas, der nach Mekka gepilgert war wie nach Jerusalam, Nasreddin, dies alles sehend, erinnerte an den 164. Vers der 2. Sure, wo geschrieben steht, was für alle gilt, die den Namen des einen, des Heiligen vor sich her tragen…

Siehe, in der Schöpfung der Himmel und der Erde
und in dem Wechsel der Nacht und des Tages
und in den Schiffen, welche die Meere durcheilen mit dem,
was den Menschen nützt
und was Allah herniedersendet an Wasser,
womit er die Erde belebt nach ihrem Tode
und was er an ihr ausbreitet an allerlei Getier
und in dem Wechsel der Winde und der Wolken,
die fronen müssen dem Himmel und der Erde,
wahrlich, darinnen sind Zeichen für ein Volk von Verstand.
Und dennoch gibt es Leute,
die Allah Götzen setzen und die Götzen lieben
wie man Allah lieben soll.

Und sich erinnernd an den 164. Vers der 2. Sure, sah sie der Hodscha tanzen beim Fest der Liebe ums Goldene Kalb südwärts wie nordwärts wie überall und sah sie verraten die Freundlichkeit an ihren bösen Bruder, sah, wie sie der Güte nicht ein Almosen reichten vor Ramadan die einen, die sich die wahrhaft Gläubigen nannten …

Wie anderen, die sich gleichfalls die wahrhaft Gläubigen nannten, sah sie alle die Freundlichkeit verraten und die Türen schließen, sah, wie sie auf die Knie fielen und beteten und beteten, damit sie ins Paradies kämen. Und frieren ließen jene und diese die Menschen ohne Obdach, ließen sie darben und dürsten, schütteten das Korn ins Meer und verkauften das Wasser meistbietend und baten um Vergebung den einen Gott.

Hodscha aber sah ihnen zu, diesen und jenen, und er lachte sie aus:

Mit Falschheit geschlagen.
Vom Gold geblendet -
So erreicht ihr das Paradies nie.

Und Du, riefen sie, erreichst Du es denn?

Ich will es hier, sagte er ihnen. Hier und jetzt, solang ich lebe. Und mit mir sollen alle leben.
Es reift überall noch das Korn, holt es den Kindern. Und schöpft reichlich Euer Wasser.

Peter Grohmann 2011

Veröffentlicht am

24. Dezember 2011

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