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Menschenrechtsgerichtshof verurteilt italienische Zurückweisungspolitik nach Libyen

In einem wegweisenden Urteil hat der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg soeben die italienische Zurückweisungspolitik und damit die schäbige Kooperation der früheren Regierung Berlusconi mit dem libyschen Diktator Gaddafi verurteilt.

Der Gerichtshof stellt eine Verletzung von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention fest: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden". Zudem stellt er eine Verletzung des Verbots der Kollektivausweisung fest und sieht das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt.

Das Urteil kommt für die zahlreiche Opfer der italienischen Zurückweisungspolitik zu spät. Sie waren Misshandlung, erniedrigender Behandlung und Folter in libyschen Haftlagern ausgesetzt. Mindestens einer der klagenden Flüchtlinge starb bei einem erneuten Versuch nach Europa zu gelangen.

Die Entscheidung hat nach Auffassung von PRO ASYL weitreichende Konsequenzen für die europäische Flüchtlingspolitik: Staaten, ob sie unter der Ägide der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX handeln oder nicht, werden ihre Grenzkontroll- und Zurückweisungspolitik grundlegend überprüfen müssen, damit sie künftig die uneingeschränkte Achtung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleisten.

Der Straßburger Gerichtshof stellt klar: Das Mittelmeer ist keine menschenrechtsfreie Zone. Die Verpflichtungen der Europäischen Menschenrechtskonvention machen nicht an den europäischen Grenzen Halt - Staaten dürfen sich ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung auch außerhalb ihrer Territorien nicht entziehen.

Die Gerichtsentscheidung ist beschämend für die die EU- Kommission: Sie hat angesichts des eklatanten Völkerrechtsbruches durch Italien keine Sanktionen gegen den Mitgliedstaat eingeleitet. Die EU-Kommission und die Regierungen in Berlin, Paris und London haben zu den schweren Menschenrechtsverletzungen der Regierung Berlusconi geschwiegen.

Zum Hintergrund: Im Mai 2009 wurden über 200 eritreische und somalische Flüchtlinge auf dem Mittelmeer von der italienischen Küstenwache an Bord genommen. Doch statt die Flüchtlinge ans italienische Ufer zu bringen, brachte sie die Schutzsuchenden nach Libyen und lieferte sie dem Gaddafi-Regime aus. Dagegen reichten einige der Betroffenen Beschwerde vor dem Europäischer Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ein. Beschwerdeführer sind der Somalier Sabir Jamaa Hirsi sowie zehn weitere somalische und 13 eritreische Flüchtlinge.

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.  - Pressemitteilung vom 23.02.2012.

Veröffentlicht am

04. März 2012

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