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Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen: Zur Situation um den Iran

Von Bernd Baier, Jürgen Grässlin, Dr. Wolfgang Menzel und Thomas Carl Schwoerer - DFG-VK-Bundessprecher

Die Obama-Administration hat seit ihrem Amtsantritt 2009 keinen ernsthaften Versuch gemacht, mit Iran ins Gespräch zu kommen mit dem Ziel eines Verzichts auf Atomwaffen. Die Androhung und Durchführung von Sanktionen standen stets im Vordergrund; ein Finanz- und Handelsembargo wurde beschlossen. Auch die EU hat ein totales Öl- und Finanzembargo verhängt. Untergeordnete Persönlichkeiten des Iran haben mit einer Sperrung der Straße von Hormuz gedroht. Die Eskalation der gegenseitigen Drohungen ist beängstigend.

Die Situation erinnert fatal an das Szenario vor dem letzten Irak-Krieg und droht, außer Kontrolle zu geraten.

Diese Sanktionen sind schädlich

Oppositionsführer Mir-Hussein Mussawi weist darauf hin, dass die Sanktionen besonders der armen Bevölkerung schadeten und sie nun wieder in die Arme der Regierung treiben, zumal im März Parlamentswahlen stattfinden. Die Sanktionen treffen auch den Privatsektor und die Mittelklasse und schwächen damit genau die Kräfte, auf denen die Hoffnungen für einen gesellschaftlichen Wandel ruhen. Die iranische Wirtschaft leidet, die Währung ist im freien Fall.

Die Regierung selbst kann sich von den Folgen eines Ölembargos relativ gut abschotten. Die Revolutionsgarden und die religiösen Stiftungen, welche weite Teile der Wirtschaft kontrollieren, haben langjährige Erfahrung damit, im Illegalen (etwa in der Schattenwirtschaft) zu arbeiten. Sie florieren geradezu unter solchen Bedingungen.

Krieg ist ein Verbrechen

Die Sanktionen wurden in einer Weise verschärft, die immer näher an einen Krieg heranführt.

Alle Kriegsoptionen sind verantwortungslos und friedenspolitisch unwirksam. Ein Militärschlag hätte einen regionalen Flächenbrand, explodierende Ölpreise und breit gestreute Terroranschläge zur Folge. Der Iran würde gemeinsam mit seinen Verbündeten Hisbollah und Hamas massiv zurückschlagen.

Dabei würde ein Militärschlag kaum das iranische Atomprogramm zerstören, aber vielen Menschen, darunter vermutlich zahlreichen Oppositionellen, das Leben kosten. Die Regierung könnte sich keinen besseren Vorwand wünschen, um mit angeblichen Landesverrätern kurzen Prozess zu machen. Und ein militärischer Angriff würde den Machthabern im Iran eine moralische Rechtfertigung dafür geben, Atomwaffen zu entwickeln.

Die US-Regierung bzw. Israel brauchen für einen Krieg gegen den Iran zumindest die moralische Unterstützung der EU-Staaten. Umso dringlicher ist es, dass die Bundesregierung jede deutsche Unterstützung für einen Krieg gegen den Iran unmissverständlich ausschließt. Die Bundesregierung sollte gegenüber der US-Regierung klarstellen, dass die amerikanischen Militärbasen in Deutschland nicht erneut für die Führung eines Angriffskrieges genutzt werden dürfen und dass es keine Überflugsrecht und keine Zusammenarbeit der Geheimdienste dafür gibt.

Von der Bundeskanzlerin fordern wir, jede Beteiligung Deutschlands an einem Krieg gegen Iran öffentlich auszuschließen und die riskante Sanktionseskalation zu stoppen.

Atomwaffensperrvertrag stärken

Die vor Jahren eingeleitete EU-Verhandlungsstrategie war von vornherein zum Scheitern verurteilt: Es war nie realistisch (und entsprach nicht dem Atomwaffensperrvertrag), speziell von Iran einen Verzicht auf die Urananreicherung zu fordern. Diese Forderung ist zudem nicht glaubwürdig, solange in der EU selbst Uran angereichert wird und Atomkraftwerke laufen oder gebaut werden. Und sie ist nicht nötig, eignen sich doch die im Atomwaffensperrvertrag vorgesehenen intensiven Kontrollen und Inspektionen der IAEA zur Verhinderung einer Atommacht Iran - im Präzedenzfall Chemiewaffenabkommen haben sie ja auch funktioniert. Iran sollte das entsprechende Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrags in vollem Umfang umsetzen und sich auf die Produktion von schwach angereichertem Uran beschränken, mit dem keine Waffen hergestellt werden können. Das ist keine unbillige Forderung, denn die entsprechenden Leichtwasserreaktoren stellen den internationalen Standard dar. Die Devise sollte also lauten: Sowenig Urananreicherung wie nötig, soviel Kontrollen und Transparenz wie möglich.

Iran darf keine Atommacht werden. Er wäre gut beraten, darüber hinaus auf die zivile Nutzung der Atomenergie zu verzichten und stattdessen das reichlich vorhandene Potential an Wind- und Sonnenenergie zu erschließen.

Sicherheitsgarantien anbieten

Iran wird allerdings nur dann auf Atomwaffen verzichten, wenn es hinreichende Sicherheitsgarantien erhält. Das Land ist durch die militärische Präsenz der USA in Irak, Afghanistan, Saudi Arabien und den zentralasiatischen Staaten von allen Seiten umstellt. Zudem verfügt Israel über 200 bis 300 atomare Sprengköpfe, die Iran erreichen können. Die USA haben Nordkorea weitgehende Sicherheitsgarantien angeboten, weigern sich bislang aber, sie Iran zu offerieren.

Atomwaffenfreie Zone einrichten

Die Bundesregierung sollte die von der UNO für dieses Jahr beschlossene Konferenz für eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Mittleren und Nahen Osten unterstützen. Dadurch würden die Reformkräfte in der gesamten Region neuen Auftrieb erhalten. Sicherheitsgarantien und eine solche Konferenz würden nicht das heutige Regime in Iran stabilisieren, sondern das Feindbild "Westen" unterhöhlen und den dortigen Reformkräften mehr politischen Spielraum verschaffen.

Die Forderung einer Deutschen Friedensgesellschaft nach einer atomwaffenfreien Zone richtet sich mit Bedacht auch an Israels Adresse. Die Atomwaffenpolitik des Landes liegt nicht in seinem eigenen Sicherheitsinteresse. Selbstredend muss im Gegenzug auch Iran das Existenzrecht Israels anerkennen.

Last but not least würde Deutschland seine eigene Glaubwürdigkeit durch das Drängen auf den Abzug der in Büchel lagernden Atomwaffen und Beendigung der nuklearen Teilhabe sowie durch den Verzicht auf die Lieferung atomwaffenfähiger U-Boote an Israel erhöhen. Die atomaren Großmächte müssen ihrer Verpflichtung im Atomwaffensperrvertrag nachkommen, ihre Atomwaffen abzurüsten.

Die öffentliche Auseinandersetzung zum Thema "Atommacht Iran" nimmt derzeit eine negative und gefährliche Richtung an. Es kommt jetzt darauf an, diese Dynamik schnellstens umzukehren. Der Weg dahin führt über Sicherheitsgarantien und eine Konferenz für eine atomwaffenfreie Zone.

Quelle: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) - Pressemitteilung vom 07.03.2012.

 

Veröffentlicht am

08. März 2012

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