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Ärzte warnen zum Fukushima-Jahrestag: Schwerwiegende Folgen für Mensch und Umwelt sind zu erwarten

Der mehrfache Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi vor einem Jahr führte zu einer massiven Freisetzung von Radioaktivität. Laut dem norwegischen Luftforschungsinstitut NILU wurde in den ersten vier Tagen der Katastrophe im Vergleich zu Tschernobyl die 2,5-fache Menge des radioaktiven Edelgases Xenon-133 freigesetzt, sowie 20 % der Menge an Jod-131 und 40-60 % der Menge an Caesium-137. Während Jod-131 mit seiner kurzen Halbwertszeit von acht Tagen eine akute Gefahr für die Gesundheit darstellt, strahlt Caesium-137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren noch viele Jahrzehnte weiter. Der Nordpazifik wurde durch die Atomkatastrophe mit 15-27 PBq radioaktiver Substanzen kontaminiert. Sie stellt somit schon jetzt die größte zivile Verseuchung der Weltmeere in der Geschichte der Menschheit dar.

Nach Angaben des französischen Instituts für Strahlensicherheit IRSN leben 70.000 Menschen weiterhin in den hoch kontaminierten 870 km² außerhalb der Evakuierungszone; 9.500 davon sind Kinder. In diesen Gebieten wurden die Menschen nach Berechnungen des IRSN im vergangenen Jahr einer Gesamtdosis von bis zu 200 Millisievert pro Person ausgesetzt. Das entspricht dem Zweihundertfachen der natürlichen Hintergrundstrahlung.

Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass sich diese Angaben lediglich auf die äußere Strahlung beziehen. "Die größte gesundheitliche Gefahr nach einem solchen Atomunfall stellt jedoch die innere Verstrahlung durch radioaktiv verseuchte Nahrung und die Inhalation von radioaktivem Staub dar", erklärt der Kinderarzt Dr. Alex Rosen, IPPNW. In Obst- und Gemüseproben sowie in Fleisch, Fisch, Algen, Reis, Milch, Tee und Leitungswasser wurden zum Teil sehr stark erhöhte Strahlungswerte gemessen. Die deutsche Gesellschaft für Reaktorsicherheit untersuchte im April 2011 die Strahlenbelastung in Nordost-Japan. Sie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass sich beim Verzehr von nur 100 g Algen eine effektive Dosisbelastung zwischen 2,2 Millisievert bei Rotalgen und 220 Millisievert bei der Braunalge Kombu ergeben würde. Eine einzige Algenmahlzeit könnte so bereits zum doppelten oder gar zweihundertfachen Überschreiten des offiziellen Jahres-Grenzwerts der Bevölkerung führen. Dieser liegt gemäß der deutschen Strahlenschutzverordnung bei 1 Millisievert (innere und äußere Exposition zusammengerechnet).

Die IPPNW teilt die Einschätzung der IRSN: Die Menschen müssen aus den verstrahlten Gebieten evakuiert werden, denn sie sind einer so hohen Strahlenbelastung ausgesetzt, dass man, wie bei den Bewohnern der hoch kontaminierten Zonen nach Tschernobyl, mit einer extrem hohen Krebsrate, Fehlgeburten, Missbildungen, genetischen Erkrankungen bei Neugeborenen sowie unzähligen Nichtkrebserkrankungen rechnen muss.

Die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP empfahl im April 2011, die Grenzwerte für die Bevölkerung bei Atomunfällen auf 100 Millisievert/Jahr zu erhöhen. "Das ist aus ärztlicher Sicht unverantwortlich", so die langjährige IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen. Vor allem Kinder sind besonders gefährdet, da sie strahlensensibler als Erwachsene sind. Schon eine Dosis von 5 Millisievert während der Schwangerschaft kann das spätere Leukämierisiko für die Kinder verdoppeln. Auf Grund der Tatsache, dass Jodtabletten von offizieller Stelle nicht an die Bevölkerung verteilt wurden, haben die Menschen, die radioaktives Jod-131 eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen haben, ein erhöhtes Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Das gilt insbesondere für Kinder.

  • Hintergrundpapier von Dr. Alex Rosen über die Folgen von Fukushima für Umwelt und Gesundheit unter: Hintergrundpapier

Quelle:  IPPNW - Pressemitteilung vom 09.03.2012.

Veröffentlicht am

11. März 2012

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