Für friedliche ForschungAn immer mehr Universitäten gründen sich Initiativen gegen Militärprojekte. Bundesweit gut vernetzte Bewegung macht mit Aktionen Anfang Mai für eine Zivilklausel mobilVon Michael Schulze von Glaßer Die Militarisierung von Forschung und Lehre nimmt ohne Zweifel zu", konstatiert Dr. Dietrich Schulze. Er weiß, wovon er spricht. Der Ingenieur war von 1966 bis 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter und von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender des Forschungszentrums Karlsruhe. Die Einrichtung ist 2009 im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) aufgegangen: War Militärforschung für das Forschungszentrum noch verboten, ist sie in der neuen Einrichtung erlaubt - und wird sogar aktiv betrieben. "An der Universität werden kognitive, intelligente Landfahrzeuge entwickelt", so Schulze. Etwa zehn Millionen Euro sollen in die Erforschung der Fahrzeugdrohnen gesteckt werden. Die abgewählte baden-württembergische CDU-Landesregierung verneinte auf damalige Oppositionsanfrage zwar jegliche militärischen Zwecke des Projekts, in der Steuerungsgruppe sitzen laut Recherchen der Militärforschungsgegner aber zwei ausgewiesene Rüstungswissenschaftler - einer kommt direkt von der Bundeswehr-Universität in München, der andere ist in Personalunion Uni-Institutsleiter und Chef eines militärisch forschenden Fraunhofer-Instituts. Kein Einzelfall. An zahlreichen deutschen Universitäten findet heute militärische Forschung und Lehre statt: Das Institut für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg ist an der Entwicklung des Bundeswehr-Transportflugzeugs Airbus A400M beteiligt. Die Universität Stuttgart forscht für das Unternehmen Eurocopter, einer Tochter des Rüstungsgiganten EADS, an neuen Rotorblättern und Kampfhubschrauberstrukturen. Die Universität Potsdam bietet seit 2007 in Zusammenarbeit mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr gar einen eigenen Master-Studiengang "Military-Studies" an. Allein 2008 gab die Bundesregierung nach Eigenaussagen 1,1 Milliarden Euro für die Militärforschung an Hochschulen aus - dabei fließt auch viel Geld in die wehrmedizinische Forschung. Wieviel Geld von den Rüstungsfirmen als Drittmittel für militärische Forschungszwecke an die Universitäten fließt, ist indes nicht bekannt. Sowieso ist bei dem Thema vieles unklar: "Die Rüstungsunternehmen wollen natürlich nicht, daß ihre an Universitäten erlangten wissenschaftlichen Erträge öffentlich werden", erklärt Dietrich Schulze dazu. Oft werde von den Hochschulen sogar die Auskunft darüber verweigert, ob überhaupt Kriegsforschung betrieben wird. Diese Geheimhaltung will Schulze, der maßgeblich am Aufbau des bundesweiten Bündnisses "Hochschulen für den Frieden" beteiligt ist, nicht hinnehmen. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, was an Universitäten erforscht wird: "Immerhin wird Militärforschung heute nur zum Teil durch Drittmittel der Rüstungsunternehmen finanziert, der Rest sind Steuergelder." Die Militärforschung stehe dabei in klarem Zusammenhang zur aktuellen Militärpolitik: "Die Bundeswehr soll weltweit zum Einsatz gebracht werden, die Universitäten erforschen dafür das Rüstzeug." Militärrelevante Sicherheitsforschungsprogramme an 48 Hochschulen wurden Ende 2010 vom Bundesverteidigungsministerium unter Geheimschutz gestellt - dennoch ist Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) nicht zufrieden. Er erkenne "keinen großen intellektuellen Beitrag der deutschen Universitäten zur Frage von Krieg und Frieden". Eine weitere Ausweitung der Militärforschung scheint geplant. Auch deshalb haben sich mittlerweile an Dutzenden Universitäten Initiativen gegründet, die versuchen, eine Zivilklausel in die Grundordnung ihrer Einrichtung - und als weiteren Schritt in das Hochschulgesetz der verschiedenen Bundesländer - einzufügen. Durch eine Zivilklausel wird festgeschrieben, daß Forschung, Lehre und Studium nur noch nicht-militärischen Zwecken dienen dürfen. Es soll nur noch für friedliche und zivile Zwecke geforscht werden. Die Bewegung kann sogar schon erste Erfolge feiern: An den Universitäten Tübingen und Rostock wurden Zivilklauseln in die Grundordnungen aufgenommen. Konstanz, Dortmund und Oldenburg haben bereits seit langer Zeit eine Klausel gegen Kriegsforschung. In Bremen wurde jüngst eine seit 1986 bestehende Zivilklausel im Uni-Senat verteidigt - der Satellitenhersteller OHB, der auch die Bundeswehr zu seinen Kunden zählt, versuchte zuvor, die Universität zur Abschaffung der Friedensbindung zu drängen. In Karlsruhe, Köln und Frankfurt am Main gibt es zwar noch keine Zivilklauseln, dafür aber jeweils ein positives Votum der Studierendenschaften zu deren Einführung. Doch auch dort, wo schon Zivilklauseln bestehen, müssen Kriegsgegner wachsam sein. An der TU Berlin fand zum Beispiel jahrelang trotz gegenteiliger Regelung Kriegsforschung statt, an der Universität Tübingen versuchte die Hochschul-Leitung, die zuvor verabschiedete Klausel so umzudeuten, daß Militärs weiterhin Zugang zur Hochschule bekommen sollten. Vom 1. bis 8. Mai wollen die vor allem von Studierenden getragenen Zivilklausel-Gruppen an ihren Universitäten verschiedenste Aktionen durchführen, um auf Militärforschung und ihren Gegenentwurf einer friedlichen und zivilen Hochschule aufmerksam zu machen. Mitte Juni findet zudem am KIT in Karlsruhe eine von dem bundesweiten Zivilklausel-Bündnis, Gewerkschaften und verschiedenen Gruppen aus der Friedensbewegung organisierte Tagung "Verantwortung der Wissenschaften für Frieden und Zukunftsfähigkeit" statt. Dietrich Schulze sieht die Bewegung auf einem guten Weg: "Es ist bemerkenswert zu sehen, wie der Widerstand gegen Rüstungsforschung in letzter Zeit in allen Disziplinen zunimmt. Immer mehr Studierende, Studierendenvertretungen, Mitarbeiter und Dozenten beschäftigen sich mit der Militärforschung an ihren Instituten, übernehmen Verantwortung und setzen sich für eine zivile Forschung ein." Quelle: junge Welt , 27.04.2012. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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