Rüstungsexporte: Neues AußenwirtschaftsrechtVon Otfried Nassauer Das Wirtschaftsministerium hat im Juni 2012 die Referentenentwürfe für ein neues Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und eine neue Außenwirtschaftsverordnung (AWVo) vorgelegt. Diese Dokumente enthalten schon bisher einen Großteil der rechtlichen Regeln für den Rüstungsexport und sollen novelliert werden. Mitte Juli 2012 will das Wirtschaftsministerium die Debatte über diese Entwürfe mit einer Anhörung im Außenhandel tätiger Verbände eröffnen. Das Vorhaben ist lange angekündigt. Bereits im Koalitionsvertrag der derzeitigen Regierungsparteien war 2009 zu lesen: "Das Außenwirtschaftsrecht (Außenwirtschaftsgesetz [AWG] und Außenwirtschaftsverordnung [AWV]) wird entschlackt und übersichtlicher ausgestaltet. Es werden Vorschriften gestrichen, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen. Bei der Anwendung des Außenwirtschaftsrechts muss der internationalen Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft mehr als bisher Rechnung getragen werden. Es wird hier ein "level-playing-field" geschaffen. Es bleibt bei der verantwortungsbewussten Genehmigungspolitik für die Ausfuhr von Rüstungsgütern. Um faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Wirtschaft zu gewährleisten, wird eine Harmonisierung mit der Genehmigungspolitik der anderen EU-Staaten auf hohem Niveau angestrebt. Auch beim Export von Dual Use-Gütern wird die deutsche Genehmigungspraxis in diesem Sinne angeglichen. Bürokratische Hemmnisse werden abgebaut und die Verfahren beschleunigt. Steht eine zivile Verwendung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, ist eine Genehmigung zu erteilen." Für eine Neuregelung gibt es in der Tat gute Gründe. Das bislang geltende Außenwirtschaftsgesetz ist in seiner Ursprungsfassung mehr als 50 Jahre alt. Viele Aktualisierungen und vielfache Anpassungen an das sich ebenfalls entwickelnde EU-Recht haben das alte Gesetz und die zugehörige Außenwirtschaftsverordnung zu einem schwer lesbaren und schwer verständlichen Dokument gemacht. Eine Neufassung und Glättung, die der Lesbarkeit und Verständlichkeit dient, kann also nur verdienstvoll sein. Doch die Ankündigung im Koalitionsvertrag mahnt auch zur Wachsamkeit. Statt wie bislang von einer "restriktiven" deutschen Genehmigungspolitik zu sprechen, redet die derzeitige Bundesregierung erstmals von einer "verantwortungsbewussten" oder "verantwortungsvollen" Politik. Der mehrfache Hinweis auf die Wettbewerbssituation der deutschen Industrie lässt den Verdacht aufkommen, dass auf die angestrebte "Harmonisierung mit der Genehmigungspraxis mit den anderen EU-Staaten auf hohem Niveau" bei Erfolglosigkeit eine Absenkung der strengeren deutschen Standards bei Rüstungsexporten folgen könnte. Eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners und gleicher Wettbewerbsbedingungen (level playing field) in der EU könnte deshalb letztlich zu einer Lockerung der deutschen Rüstungsexportpolitik führen. Drei Jahre später liegen jetzt die Entwürfe für ein neues Außenwirtschaftsrecht vor. Sie setzen "die Vorgabe des Koalitionsvertrags um, das Außenwirtschaftsrecht zu entschlacken und zu vereinfachen und deutsche Sondervorschriften aufzuheben, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen", so das Wirtschaftsministerium. Der Deutsche Bundestag ist nun gefordert, über das neue Außenwirtschaftsgesetz zu debattieren und zu entscheiden. Der Entwurf der neuen Außenwirtschaftsverordnung wird ihm lediglich zur Kenntnis gegeben, damit das Parlament weiß, was diese regeln würde, wenn er das Außenwirtschaftsgesetz in der vorliegenden Fassung annimmt. Die Verordnung selbst wird später vom Wirtschaftsministerium erlassen, nachdem sie zuvor ggf. noch an die veränderte Novelle des AWG angepasst wurde. Nun gilt es, diese Entwürfe daraufhin zu prüfen,
Auffällig ist, dass drei wichtige Themen der öffentlichen Diskussion über deutsche Rüstungsexporte und die deutsche Rüstungsexportpolitik bislang scheinbar kaum Einfluss auf die Neufassungen gehabt haben. Dies sind:
Selbstverständlich kann das Außenwirtschaftsrecht nicht der alleinig geeignete Ort sein, um diese drei Komplexe anzugehen. Sie reichen z.T. deutlich über das Außenwirtschaftsrecht hinaus. Aber kann daraus abgeleitet werden, es gebe es überhaupt keinen Bedarf, etwas an der bisherigen Rechtslage zu ändern? Das Außenwirtschaftrecht setzt wesentliche Teile des Rechtsrahmens, der selbst für die Gestaltung der Politischen Grundsätze der Bundesregierung gilt und somit festlegt, was in diesen stehen kann und darf. Um unseren Lesern zu ermöglichen, sich ein eigenes Bild zu machen, dokumentieren wir unter den folgenden Links
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Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS Quelle: BITS - 15.07.2012. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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