Massenmord mit KleinwaffenUNO-Konferenz bilanziert Aktionsprogramm gegen häufigste TötungsmittelVon Wolfgang Kötter Am New Yorker UNO-Hauptsitz geht es in diesen Tagen (27.8.-7.9.) um Tötungsmittel, die zwar kleine Waffen genannt werden, aber in Wirklichkeit die Massenvernichtungswaffen der heutigen Zeit sind. Unter Vorsitz der erfahrenen nigerianischen Diplomatin Uche Joy Ogwu wird die zweite Überprüfungskonferenz die Erfüllung des vor über einem Jahrzehnt beschlossenen Aktionsprogramms einschätzen und neue Aufgaben für die Zukunft formulieren. Kleine Waffen - große OpferSehr viel bleibt noch zu tun, denn nach wie vor wird die Welt mit Waffen überflutet, durch die offiziellen Schätzungen zufolge jährlich mindestens 400.000 Menschen das Leben verlieren und Millionen aus der Heimat flüchten. Ihr Name klingt harmlos, aber Sturmgewehre und Maschinenpistolen, tragbare Geschütze und Sprengfallen, Revolver und Handgranaten töten unzählige Male, ob in gewaltsamen Konflikten und Bürgerkriegen, in privaten Tragödien oder durch Mord und Totschlag. Oftmals trifft es Unschuldige und Unbeteiligte. Laut einer Studie des Internationalen Roten Kreuzes sterben von 20 Toten auf den Schlachtfeldern der Welt 19 durch Kleinwaffen. Gewehre sind mit zwei Dritteln der Kriegstoten führend - und der größte europäische Gewehrhersteller ist die deutsche Firma Heckler & Koch. Deren G3-Sturmgewehre werden beispielsweise in Pakistan und Afghanistan auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Während der Kämpfe in Libyen tauchten im vergangenen Jahr dort derartige Sturmgewehre auf, die offiziell nach Ägypten geliefert worden waren. Nach Angaben der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK’) haben bis heute mehr als 1,5 Millionen Menschen ihr Leben durch Waffen von Heckler & Koch verloren, weitaus mehr wurden verwundet. Durchschnittlich alle 14 Minuten stirbt ein weiterer Mensch. Internationale Bemühungen gegen die WaffenflutBereits seit dem Ende des Ost-West-Konflikts widmet sich die UNO dem Problem Kleinwaffen. So fanden beispielsweise Waffeneinsammelaktionen unter dem Motto "Waffentausch für Entwicklung" sowie symbolische Waffenverbrennungen unter anderem in Albanien, Brasilien, Burundi, Elfenbeinküste, Liberia, Rumänien und Tansania statt. Die UN-Vollversammlung verabschiedete stapelweise Resolutionen, und auch der Weltsicherheitsrat befasste sich mehrfach mit dem Thema. Im Jahre 2001 fand dann die erste internationale Konferenz ausschließlich zu Kleinwaffen und leichten Rüstungen statt und verabschiedete ein umfangreiches Aktionsprogramm. Das Internationale Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen IANSA bemängelt jedoch, dass es viele Lücken hat und nicht rechtsverbindlich ist. Auch die erste Überprüfungskonferenz von 2006 scheiterte am Widerstand der Waffenlobby. Neben Russland, Indien, Pakistan, dem Iran und Israel gehörten die USA damals zu den Hauptblockierern eines rechtsverbindlichen internationalen Abkommens. Besorgniserregend ist ebenfalls die von der humanitären Hilfsorganisation Oxfam publizierte Tatsache, dass seit dem Jahr 2000 von unter internationalem Waffenembargo stehenden Staaten Waffen und Munition im Wert von 2,2 Mrd. Dollar importiert werden konnten. Expertengruppen erarbeiteten in den vergangenen Jahren zahlreiche Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Zu ihnen gehört beispielsweise eine Vereinbarung zur Kennzeichnungspflicht von Kleinwaffen. Zumindest der illegale Handel könnte eingedämmt werden, wenn verborgene Waffenströme sichtbar gemacht werden. Eine weitere Expertengruppe regte strenge Restriktionen für Waffenhändler und Makler an. Allerdings gelang es bisher nicht, die Maßnahmen völkerrechtlich bindend zu machen, und so blieb es lediglich bei politischen Absichtserklärungen. Auch bei weiteren Bemühungen gab es erbitterten Widerstand der Rüstungslobby. So gelang es im vergangenen Monat einer UN-Konferenz nicht, wie vorgesehen einen weltweiten Vertrag zur Begrenzung des internationalen Waffenhandels zu vereinbaren. Bereits seit 2005 rechtswirksam ist jedoch das Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Feuerwaffen und den Handel mit ihnen. Wer Schusswaffen illegal herstellt, sie verkauft oder unerlaubt besitzt, kann jetzt bestraft werden. Die Vereinbarung, der gegenwärtig 95 Staaten angehören, stellt die illegale Produktion und den unerlaubten Besitz von Schusswaffen sowie den Handel mit ihnen unter Strafe. Handfeuerwaffen müssen sowohl bei der Herstellung als auch bei der Einfuhr markiert werden. Um den Weg jeder einzelnen Waffe über Landesgrenzen hinweg verfolgen zu können, sind die entsprechenden Unterlagen über längere Zeit aufzubewahren. Wer Markierungen verändert oder entfernt, kann zur Verantwortung gezogen werden. Jede kommerzielle Ein- und Ausfuhr von Feuerwaffen bedarf einer staatlichen Lizenz, ebenso die Betätigung als Makler bzw. Vermittler von Waffenkäufen. Genehmigte Waffenverkäufe an andere Staaten fallen allerdings nicht unter das Protokoll. Massiver Widerstand der WaffenlobbyTrotz einiger Fortschritte bleiben viele Maßnahmen bisher nur halbherzig. So sind nicht nur die Waffenembargos, die die UNO bisher verhängt hat, systematisch gebrochen worden, sondern Zwischenhändler und Transporteure liefern die Tötungsmittel auch an Länder, in denen massive Menschenrechtsverletzungen geschehen. Dadurch kommen diese Waffen auch bei Massakern, Vergewaltigungen und Vertreibungen von Zivilisten beispielsweise in Sudan, Syrien und im Kongo zum Einsatz. Als Herkunftsländer erscheinen immer wieder die USA, Ägypten, China, Frankreich, Großbritannien, Italien, Israel, die Niederlande, Russland, die Schweiz, die Ukraine, Südafrika, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Balkanländer, aber eben auch Deutschland. Eine Quelle vielfachen Leids und zahlreicher Opfer ist auch der private Waffenbesitz. Immer wieder geschehen Amokläufe und Morde, bei denen viele Unschuldige ihr Leben verlieren. Gerade wurde der Rechtsextremist Anders Behring Breivik verurteilt, durch dessen Doppelanschlag vor einem Jahr in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen starben. Das Verbrechen ging als nationale Tragödie und schlimmste Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg in die Geschichte Norwegens ein. Besonders kritisch ist die Situation in den USA, wo die vier Millionen Mitglieder zählende "National Rifle Association" den Ton angibt. Beispiele aus jüngster Vergangenheit dokumentieren das drastisch. Bei der Premierenvorstellung des Badman-Films "The Dark Knight Rises" am 20. Juli dieses Jahres, erschien im Kino-Komplexes Century 16 in Aurora, einem Vorort von Denver im US-Bundesstaat Colorado der martialisch ausgerüstete 24-jährige Exstudent James Holmes. Er war mit einer Gasmaske und einer schusssicheren Weste ausgerüstet und mit einem halbautomatischen Maschinengewehr, einer Pistole und einer Schrotflinte bewaffnet. Erst versprühte er Reizgas, dann eröffnete er scheinbar wahllos das Feuer. Nur Minuten später waren zehn Menschen tot, zwei weitere starben im Krankenhaus, Dutzende wurden verletzt. Der mutmaßliche Täter wurde schon wenige Minuten nach seiner Tat auf einem Parkplatz hinter dem Kino gestellt. In seiner Wohnung fand die Polizei ein ausgeklügeltes System von rund 30 Sprengsätzen, zwei Behälter mit explosiven Flüssigkeiten und eine große Menge legal im Internet und in Waffenhandlungen zusammengekaufter scharfer Munition. Ein 19-jähriger und ein 32-jähriger Mann gingen am frühen Morgen des 6. April in Tulsa im Bundesstaat Oklahoma auf eine tödliche Tour. Die beiden Männer fuhren mit einem Pick-up-Wagen durch die nördliche Vorstadt und erschossen drei Menschen, zwei weitere wurden schwer verletzt. Alle fünf Opfer waren Schwarze. Nur wenige Wochen zuvor tötete am 26. Februar ein Mitglied einer Bürgerwehr in Sanford, einem Vorort von Orlando, angeblich aus Notwehr aber offenkundig aus rassistischen Motiven den Jugendlichen Trayvon Martin, der nach einem Einkauf auf dem Heimweg war. Das Opfer war 17 Jahre alt, schwarz, schmächtig und unbewaffnet. Der 28-jährige Todesschütze George Zimmerman, Sohn eines weißen US-Amerikaners und einer Peruanerin, war hingegen von kräftiger Gestalt und trug eine Neun-Millimeter-Pistole im Hosenbund. Der Täter berief sich auf das "Stand Your Ground"-Gesetz, das in Florida seit 2006 gilt. Es erlaubt Amerikanern, gegen jeden vorzugehen, von dem sie sich subjektiv bedroht fühlen, auch mit einer Schusswaffe. In den USA sind rund 270 Millionen Schusswaffen in Privatbesitz, jährlich sterben 30.000 Menschen durch deren Gebrauch. Die Zahl wächst nicht zuletzt deshalb weiter an, weil das Oberste Gericht in Washington vor zwei Jahren das Waffenverbot der Stadt Chicago als verfassungswidrig beurteilte. Damit verhalf der Supreme Court der Waffenlobby zu einem entscheidenden Sieg. Die konservativen Richter bestätigen darin, dass ihrer Ansicht nach der Zweite Zusatzartikel der US-Verfassung jedem Bürger das Recht gibt, eine Waffe zur Selbstverteidigung zu besitzen. Das bedeutet: Bundesstaaten und Gemeinden dürfen den Besitz und das Tragen von Waffen künftig nur sehr zurückhaltend beschränken, etwa in Schulen oder öffentlichen Gebäuden. Umfassende Waffenverbote, wie es sie derzeit noch in vielen amerikanischen Städten gibt, können nun vor Gerichten angefochten werden und werden aller Voraussicht nach kippen. Auch in Deutschland sind laut einer Umfrage des "Focus" 6,3 Millionen private Schusswaffen registriert. Die Pistolen und Gewehre verteilen sich auf etwa 1,7 Millionen Waffenbesitzkarten und Waffenscheine, sodass auf jeden Besitzer im Schnitt etwa vier Waffen kommen. Aus dem Aktionsprogramm gegen KleinwaffenVerschiedene politisch verbindliche Verpflichtungen sollen die unkontrollierte Verbreitung von Kleinwaffen begrenzen:
Privater Waffenbesitz im internationalen Vergleich
Angaben nach Small Arms Survey Aus Sicht von "Control Arms" bzw. Oxfam müssen bei neuen Verhandlungen mindestens folgende Probleme behoben werden, die im letzten Vertragsentwurf noch bestehen:
Quelle: Oxfam, http://www.oxfam.de/informieren/waffenhandel Amokläufe der letzten Jahre13. August 2012, USA 5. August 2012, USA 4. Juli 2012, Deutschland: 30. Mai 2012, USA: 2. April 2012, USA: 3. April 2009, USA: 14. Februar 2008, USA: 7. November 2007, Finnland: 10. Oktober 2007, USA: 16. April 2007, USA: 20. November 2006, Deutschland: 2. Oktober 2006, USA: 21. März 2005, USA: 2. Juli 2003, Deutschland: 26. April 2002, Deutschland: 19. Februar 2002, Deutschland: Juni 2001, Japan: 16. März 2000, Deutschland: Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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