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Entscheidung über Gemeinnützigkeit nicht dem Verfassungsschutz überlassen - Protestaktion vor dem Bundestag gegen geplante Steuerrechtsänderung

"Zivilgesellschaft nicht schreddern! Dem Verfassungsschutz keine Entscheidung über Gemeinnutz!" - für diese Forderung haben Aktive verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen, darunter Attac, Robin Wood, SO36 und die Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD), heute Mittag vor dem Bundestag in Berlin demonstriert. Grund für den Protest ist die geplante Änderung der Abgabenordnung, über die der Finanzausschuss des Bundestages heute berät. Sie würde es dem Verfassungsschutz erlauben, faktisch über die Gemeinnützigkeit von Vereinen zu entscheiden. Robin Wood und Attac fordern gemeinsam mit über 160 weiteren Organisationen die Abgeordneten des Bundestages auf, den entsprechenden Paragrafen ersatzlos aus der Abgabenordnung zu streichen.

Bei der Protestaktion vor dem Bundestag schredderten als Geheimdienstmitarbeiter verkleidete Aktivisten Schilder mit Aufschriften wie "Zivilgesellschaft", "Friedensbewegung", "Umweltbewegung" und "Antifa" in einem Häcksler.

"Die Bundesregierung will die Zivilgesellschaft dem Reißwolf des Verfassungsschutzes überantworten. Dagegen wehren wir uns: Gemeinnützige Organisationen und Initiativen dürfen nicht geschreddert werden. Die vorgesehene Änderung in der Abgabenordnung muss gestoppt werden. Sie widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen und wird angesichts des aktuellen NSU-Skandals des Verfassungsschutzes vollends zur Farce", sagte Jutta Sundermann von Attac.

"Ausgerechnet der Inlandsgeheimdienst soll ermächtigt werden, über den Fortbestand von Vereinen zu entscheiden. Das ist ein Angriff auf das Engagement von Millionen ehrenamtlich aktiver Mitglieder", sagte Daniel Häfner von Robin Wood. "Wir brauchen eine lebendige Zivilgesellschaft und keinen Inlandsgeheimdienst, der das Vereinsleben bedroht."

Hintergrund der Aktion ist der Plan der Bundesregierung, mit dem Steuergesetz 2013 (Drs. 17/10000) auch die Abgabenordnung (§ 51 Abs.3) zu ändern: Organisationen, die in einem der Verfassungsschutzberichte von Bund oder Ländern als "extremistisch" bezeichnet werden, könnte dann die Gemeinnützigkeit entzogen werden - ohne jede weitere Prüfung. Die Finanzämter hätten keinerlei Ermessensspielraum mehr. Der Verlust der mit der Gemeinnützigkeit verbundenen Steuervorteile würde für die meisten Organisationen das Aus bedeuten.

Die Argumente gegen die Gesetzesänderung werden heute auch den Finanzausschuss beschäftigen. Dort gibt der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) eine Stellungnahme ab. Darin heißt es, dass Verfassungsschutzberichte durch die neue Regelung faktisch die Wirkung eines Steuerbescheids bekämen. Dafür gäbe es aber keinerlei Verfahrensregelung. Eine Anhörung der Betroffenen sei rechtsstaatlich geboten, aber nicht vorgesehen. Bezug genommen würde zudem auf einen rechtlich unbestimmten und von subjektiven Einschätzungen abhängigen "Extremismus"-Begriff.

Seit Attac und Robin Wood die geplante Änderung der Abgabenordnung mit einem offenen Brief einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hatten, wächst der Protest beständig. Inzwischen haben mehr als 160 zivilgesellschaftliche Organisationen den Brief unterzeichnet.

Auch alle Oppositionsfraktionen haben sich kritisch zur geplanten Gesetzesänderung geäußert. Die beiden weiteren Lesungen des Gesetzes werden voraussichtlich Ende Oktober stattfinden. Bis dahin bleibt Zeit, die Entscheidungshoheit des Verfassungsschutzes über gemeinnützige Vereine noch zu verhindern.

Quelle:  Attac und Robin Wood - gemeinsame Pressemitteilung vom 26.09.2012.

Weitere Informationen:

Veröffentlicht am

26. September 2012

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