Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Grausame Waffen im Visier - Jahrestagung der Konvention über Inhumane Waffen

Von Wolfgang Kötter

Am Europäischen Sitz der Vereinten Nationen im Genfer Ariana-Park begann am 15. November die Jahrestagung der Konvention über Inhumane Waffen. Konferenzpräsident Jesus Ricardo Domingo von den Philippinen wird mit den 115 Vertragsmitgliedern die Erfüllung des aus fünf Protokollen bestehenden Rahmenabkommens bewerten, die Wirksamkeit der Bestimmungen einschätzen und prüfen, ob diese ergänzt oder ausgeweitet werden müssen. Zur Diskussion steht ebenfalls ein Bericht des Vertragssekretariats über seine Bemühungen für die Stärkung der Konvention und die Erhöhung der Mitgliederzahl.

Kriege trotz Gewaltverbot

Jahrhunderte lang galt das Recht auf Krieg als akzeptierte Norm des internationalen Rechts. Noch der nach dem Ersten Weltkrieg 1919 gegründete Völkerbund, der weltweit für Frieden sorgen sollte, schloss militärische Konfrontationen nicht aus, falls alle anderen Wege der Streitschlichtung versagen. Erstmals geächtet wurde der Krieg im Briand-Kellogg-Pakt von 1928. Trotzdem mussten noch mehr als 50 Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg sterben, bevor 1945 die UNO-Charta verabschiedet wurde, die alle Mitglieder der Vereinten Nationen zum Gewaltverzicht in den internationalen Beziehungen verpflichtet.

Dennoch gab es seither unzählige Kriege und gewaltsame Konflikte. Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) registriert allein für das vergangene Jahr insgesamt 36 Kriege. Fast eine halbe Million Menschen sterben Expertenberichten zufolge jedes Jahr durch Gewaltverbrechen, davon jeder Zehnte in bewaffneten Konflikten. Die Kosten der bewaffneten Gewalt werden auf 160 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Das sind mehr als die 133 Milliarden Dollar, die 2011 von den Industrieländern für die Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben wurden.

Völkerrecht beschränkt Mittel der Kriegsführung

Das sogenannte humanitäre Völkerrecht oder auch Kriegsvölkerrecht soll diesen Gefährdungen entgegenwirken, denn selbst im Krieg gibt es Beschränkungen und Verbote für den Waffengebrauch und die Methoden der Kriegsführung. Mag es auch absurd klingen, aber das Völkerrecht unterscheidet hier zwischen besonders grausamen und weniger grausamen Waffen. Es zielt zum einen auf die Anwendungsverbote bestimmter Waffenarten, zum anderen kodifiziert es Verhaltensregeln, die dem Schutz nicht direkt an den Kämpfen beteiligter Personen wie Zivilisten, Verwundete, Kriegsgefangene oder Sanitäter dienen.

Spezifische Reglementierungen enthält die im Jahre 1980 abgeschlossene Inhumane-Waffen-Konvention. Der Rahmenvertrag besteht aus fünf Teilen. Ein Protokoll verbietet den Einsatz von durch Röntgenstrahlen im menschlichen Körper nicht entdeckbaren Splitterwaffen, ein weiteres beschränkt den Einsatz von Landminen und als Spielzeug oder Gebrauchsgegenstand getarnte Sprengkörper ("booby traps"). Untersagt ist in einem dritten Protokoll die Anwendung von Brandwaffen wie z.B. Flammenwerfern und Napalm, während das vierte Protokoll die Verwendung blindmachender Laserwaffen ächtet. Das fünfte Protokoll verpflichtet die Kriegsparteien zur Räumung von auf Kriegsschauplätzen zurückgelassenen Kampfmitteln.

Gefahr der Aufweichung des Minenverbots

Wie auch in den vergangenen Jahren stehen zahlreiche Themen auf der Tagesordnung des Genfer Treffens. So wird bereits seit langem darüber debattiert, ob auch Anti-Fahrzeugminen in das Anwendungsverbot von Protokoll II einbezogen werden sollen, da diese nicht zwischen einem Panzer, einem Schulbus oder einem Fahrrad unterscheiden. Gerade die mit hochsensiblen Zündern ausgerüsteten Sprengkörper fordern immer wieder auch Menschenopfer. Häufig werden sie durch Erschütterungen selbst von Fußgängern ausgelöst. Eine Mine, die auf Magnetfelder reagiert, kann sogar durch ein herabfallendes Schlüsselbund explodieren. Derartige Minen werden auch bewusst gegen Zivilisten eingesetzt, indem man Gebäude, Eisenbahntrassen und Straßen vermint, um Fluchtbewegungen oder die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu verhindern. Zudem enthalten sie oftmals eine "Aufhebesperre", die explodiert, wenn die Mine geräumt wird.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass es für Landminen und für Streumunition jeweils zwei unterschiedliche völkerrechtliche Regime gibt. So existieren mit der Ottawa-Konvention und der Oslo-Konvention völkerrechtliche Verträge mit weitreichenden Verboten. Gleichzeitig aber gilt nach wie vor das Minen-Protokoll der Inhumane-Waffen-Konvention, das aber lediglich die Waffenanwendung begrenzt und viele Ausnahmen und Schlupflöcher enthält. Kritiker warnen deshalb davor, dass die Verhandlungen unter dem Dach der Inhumanen-Waffen-Konvention zu abgeschwächten Verpflichtungen führen, die die weitergehenden Bestimmungen der Minen- und Streumunitionsverbote aufweichen könnten.

Räumungspflicht der Kriegsschauplätze

Das jüngste Protokoll V verpflichtet ehemalige Konfliktteilnehmer, die Kriegsschauplätze von explosiven Kampfmittelrückständen zu räumen. Gerade sie töten oder verletzen noch lange nachdem die Kämpfe beendet sind unschuldige Menschen. UN-Angaben zufolge müssen weltweit über 400.000 Opfer dieses lebensgefährlichen Kriegserbes medizinisch versorgt und humanitär betreut werden. In 11 Artikeln werden die ehemaligen Kampfparteien verpflichtet, sich gegenseitig über Einsatz- und Lagerorte von Restmunition zu informieren und das Territorium von den Überbleibseln des Krieges wie nicht explodierten Granaten, Streumunition, Bomben und Blindgängern zu säubern. Dabei ist der Verursacher angehalten, nach dem Ende der Kampfhandlungen auch bei der Räumung des ehemaligen Feindeslandes und bei der Zerstörung aufgefundener Sprengkörper finanzielle, materielle und personelle Unterstützung zu leisten. Die Vertragsteilnehmer werden zu höchstmöglichen Schutzmaßnahmen gegenüber Unbeteiligten aufgefordert, die Tätigkeit humanitärer Organisationen soll geschützt und gefördert werden. Zu den empfohlenen prophylaktischen Maßnahmen gehören die Aufklärung und Risikoschulung der in den Gebieten ansässigen Zivilbevölkerung. Lebensbedrohliche "No-go-Areas" sollen deutlich markiert, eingezäunt und überwacht werden. Betroffene Länder haben Anspruch auf Hilfe z.B. bei der Rehabilitation und sozialen Wiedereingliederung der Opfer. Vorgesehen ist weiterhin ein umfassender Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlich-technischen Informationen zwischen den Vertragsteilnehmern. Mehrheitlich richten sich die Verpflichtungen auf Maßnahmen nach dem Ende der Kampfhandlungen. Einige Bestimmungen fordern jedoch auch dazu auf, präventiv die Funktionssicherheit der verwendeten Munition durch Produktionskontrollen und umfassende Tests zu erhöhen oder die Waffenlager und -transporte zuverlässig gegen Diebstahl zu schützen.

Abkommen des humanitären Völkerrechts

  • Genfer Konvention zum Schutz von verwundeten Soldaten und Sanitätern (1864);
  • Haager Landkriegsordnung zur Behandlung von Kriegsgefangenen (1907);
  • Genfer Konvention über die Behandlung von verwundeten und kranken Angehörigen der Land- und Seestreitkräfte sowie medizinischem Personal (1949);
  • Genfer Konventionen über die Behandlung der Kriegsgefangenen und zum Schutz von Zivilpersonen (1949);
  • Zusatzprotokolle I und II über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte und von Bürgerkriegen (1977);
  • Konvention über inhumane Waffen (1980).

Inhumane-Waffen-Konvention

(Vereinbarung über Verbote und Einsatzbeschränkungen für bestimmte konventionelle Waffen, die unnötige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken)

  • Protokoll I verbietet den Einsatz von Splitterwaffen, die im menschlichen Körper mit Röntgenstrahlen nicht entdeckt werden können und deshalb deren operative Entfernung erschweren.
  • Protokoll II schränkt den Gebrauch von Landminen ein und ächtet den Einsatz aller als Spielzeug oder Gebrauchsgegenstand getarnten Sprengkörper, der so genannten booby traps.
  • Protokoll III untersagt die Verwendung von Brandwaffen wie Flammenwerfern und Napalm, inklusive Phosphorgeschossen.
  • Protokoll IV verbietet Blendlaserwaffen, die den Sehnerv und die Netzhaut des menschlichen Auges zerstören und Gegner innerhalb von zwei Millionstel Sekunden irreparabel blenden.
  • Protokoll V verpflichtet dazu, Kriegsschauplätze von explosiven Kampfmittelrückständen - nicht explodierte Granaten, Streumunition, Bomben und Blindgänger - zu räumen, die nach Ende der Kämpfe Zivilisten töten oder verletzen können.

Briand-Kellogg-Pakt

Der Briand-Kellogg-Pakt ist ein Kriegsächtungs-Pakt, der am 27. August 1928 von zunächst 11 Regierungen unterzeichnet wurde. Er erhielt seinen Namen nach dem US-Außenminister Frank Billings Kellogg und dem französischen Außenminister Aristide Briand. Die unterzeichnenden Staaten verzichteten auf den Krieg als Mittel ihrer Politik und verpflichteten sich, Streitigkeiten friedlich zu lösen. Insbesondere der Angriffskrieg wurde für völkerrechtswidrig erklärt. Davon ausgenommen blieb das Recht auf Selbstverteidigung und die Teilnahme an Sanktionen des Völkerbundes.

UN-Charta - Artikel 2,4

"Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt."

Veröffentlicht am

16. November 2012

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von